Die britische Premierministerin Theresa May hat am Freitag ihren Rücktritt bekannt gegeben. Sie werde ihr Amt als Parteichefin der Konservativen am 7. Juni ablegen. Damit sind auch ihre Tage als Premierministerin gezählt.
In einer emotionalen Rede vor ihrem Amtssitz 10 Downing Street in London sagte May, sie habe ihr Bestes gegeben, das Ergebnis der Abstimmung über den Brexit aus dem Jahr von 2016 umzusetzen. Sie werde für immer bedauern, dass sie das nicht geschafft habe. Ein Wechsel an der Spitze der Regierung sei deshalb im besten Interesse des Landes.
Sie sei unglaublich dankbar für die Möglichkeit, dem Land, das sie liebe, gedient zu haben. Der Job sei die «Ehre ihres Lebens» gewesen. May kündigte an, die Amtsgeschäfte noch so lange zu führen, bis ein Nachfolger gewählt sei. Erwartet wird, dass es bis Ende Juli so weit sein könnte.
Dem Chef der britischen Regierungspartei ist traditionell der Posten des Premierministers vorbehalten. Während des Staatsbesuchs von US-Präsident Donald Trump (3. bis 5. Juni) wird May also noch im Amt sein.
Grosser Druck
Mays Position galt schon lange als wackelig. Sie stand von mehreren Seiten massiv unter Druck – nicht zuletzt von EU-freundlichen Abgeordneten und Brexit-Hardlinern in ihrer eigenen Konservativen Partei. Auch das Land blieb während der beinahe drei Jahre seit dem Brexit-Referendum tief gespalten in Befürworter und Gegner des EU-Austritts.
Drei Mal scheiterte May mit dem Austrittsabkommen, das sie mit Brüssel ausgehandelt hatte, im Parlament. Eine vierte Abstimmung schien schon in Reichweite, doch dazu wird es wohl nicht mehr kommen.
In einem letzten verzweifelten Versuch eine Mehrheit zu erreichen, bot sie sogar eine Parlamentsabstimmung über ein Referendum zu ihrem Brexit-Deal an und machte Zugeständnisse an die oppositionelle Labour-Partei. Damit brachte sie für ihre innerparteilichen Gegner das Fass zum Überlaufen.
Mit Brüssel hatte sie sich auf eine Verschiebung des EU-Austritts bis spätestens 31. Oktober geeinigt. Ob diese Frist eingehalten werden kann oder gar ein chaotischer Austritt aus der Europäischen Union droht, ist ungewiss.
Mehrere Kandidaten
Der parteiinterne Prozess um ihre Nachfolge soll May zufolge in der Woche ab dem 10. Juni beginnen. Das Feld der potenziellen Nachfolger ist gross. Die besten Chancen werden Ex-Aussenminister Boris Johnson eingeräumt. Ihm trauen viele zu, enttäuschte Brexit-Wähler wieder einzufangen.
Der Konservativen Partei droht am Sonntagabend, wenn die Ergebnisse der Europawahl verkündet werden, ein böses Erwachen. Letzte Umfragen hatten die Brexit-Partei von Nigel Farage bei knapp 40 Prozent gesehen. Die Tories dümpelten im einstelligen Bereich.
Ebenfalls ihren Hut in den Ring werfen dürften Berichten zufolge Ex-Brexit-Minister Dominic Raab, Aussenminister Jeremy Hunt, Innenminister Sajid Javid und Entwicklungshilfeminister Rory Stewart. Umweltminister Michael Gove hat es schon lange auf das Amt des Regierungschefs abgesehen.
Auch die am Mittwoch von ihrem Posten als Ministerin für Parlamentsfragen zurückgetretene Andrea Leadsom und Verteidigungsministerin Penny Mordaunt gelten als potenzielle Nachfolgerinnen für May.
Auch Neuwahl möglich
Wer das Amt des Parteichefs übernehmen wird und in der Folge auch die Schlüssel zur Downing Street 10 erhält, wird sich in einem mehrstufigen Auswahlverfahren erweisen. Zunächst wird das Bewerberfeld von den Abgeordneten der Tory-Fraktion in mehreren Wahlgängen auf zwei Kandidaten reduziert.
In jedem Wahlgang scheidet der Letztplatzierte aus. Die beiden verbliebenen Bewerber müssen sich dann der Parteibasis bei einer Urwahl stellen. Erwartet wird, dass der neue Premierminister bis Ende Juli feststeht.
Nichts ändern wird ein Führungswechsel an den knappen Mehrheitsverhältnissen im Parlament. Eine Neuwahl gilt daher nicht als unwahrscheinlich. Fraglich ist, ob sich eine der grossen Parteien dabei eine absolute Mehrheit sichern könnte. Sollte es weder für eine Tory- noch für eine Labour-Regierung reichen, gäbe es möglicherweise weiter keinen Ausweg aus der Brexit-Sackgasse.