Woche des Wechsels in Deutschland So soll der Start der neuen Bundesregierung ablaufen

Von Michael Fischer, dpa

6.12.2021 - 00:00

Eine Ampel vor dem Reichstagsgebäude in Berlin (Langzeitbelichtung)
Eine Ampel vor dem Reichstagsgebäude in Berlin (Langzeitbelichtung)
Bild: dpa

Wenn alles nach Plan läuft, springt die Ampel am Montag auf Grün, und der Weg für eine neue Bundesregierung ist frei. Bis die so richtig loslegen kann, stehen aber noch eine Wahl und ein paar Formalitäten an.

Von Michael Fischer, dpa

Die FDP hat den mit SPD und Grünen ausgehandelten Koalitionsvertrag mit grosser Mehrheit angenommen - damit rückt die erste Ampelkoalition auf Bundesebene ein weiteres Stück näher. Bei einem digitalen Parteitag gab es am Sonntag 535 Ja- und 37 Nein-Stimmen sowie 8 Enthaltungen. Die FDP errechnete daraus eine Zustimmung von 92,24 Prozent. Zuvor hatte am Samstag schon ein SPD-Parteitag den Vertrag mit mehr als 98 Prozent angenommen. An diesem Montag wird das Ergebnis der Grünen-Urabstimmung erwartet.

An einer Zustimmung zweifelt niemand. Alles Weitere für den Regierungswechsel ist längst vorbereitet. Dies ist der Fahrplan für den Fall, dass nichts mehr schief geht:

MONTAG: Grünen-Urabstimmung und SPD-Personalien

- Bis 13.00 Uhr dürfen die 125’000 Mitglieder der Grünen über den Koalitionsvertrag und das Personaltableau für die neue Regierung abstimmen. Das Ergebnis soll um 14.30 Uhr verkündet werden. Zwar gab es bei den Grünen Streit über die Postenvergabe, trotzdem wird ein klares Ja erwartet.

- Die SPD benennt als letzte der drei Ampel-Parteien ihre Minister. Die spannendste Frage ist: Wer wird Gesundheitsminister? Der Bundestagsabgeordnete, Epidemiologe und häufige Talkshow-Gast Karl Lauterbach hat viele Sympathien auf seiner Seite. Ob er es wird, ist aber keinesfalls sicher. Denn Scholz muss bei der Vergabe der Kabinettsposten ein Versprechen erfüllen: Er will mindestens genauso viele Frauen wie Männer in seiner Regierung haben. Dafür müssten von den sieben Bundesministerposten der SPD fünf mit Frauen besetzt werden. Laut Grundgesetz gehören der Bundesregierung nur der Kanzler und die Bundesminister an, nicht die Staatsminister und Staatssekretäre.

DIENSTAG: Unterzeichnung des Koalitionsvertrags

- Stolze 177 Seiten hat das Werk mit dem Titel «Mehr Fortschritt wagen». Mit der Unterzeichnung wird das erste Dreierbündnis auf Bundesebene seit den 50er Jahren besiegelt.

MITTWOCH: Kanzlerwahl, Ernennung und Vereidigung des Kabinetts

- Um 09.00 Uhr kommt der Bundestag zusammen, um Olaf Scholz in geheimer Abstimmung zum Bundeskanzler zu wählen. SPD, Grüne und FDP stellen zusammen 416 von 736 Abgeordneten im neuen Parlament. Für die Wahl des Kanzlers muss eine Mehrheit aller Mitglieder des Bundestags zustimmen, also 369. 47 Abweichler in den Koalitionsreihen kann sich Scholz leisten. In der Vergangenheit lag das Ergebnis der Kanzler und Kanzlerinnen meistens unterhalb der Zahl der Koalitionssitze. Es kann aber auch andersherum laufen: 1998 stimmten sechs Abgeordnete mehr für Gerhard Schröder (SPD), als die rot-grüne Koalition Sitze im Bundestag hatte.

- Es folgt ein Hin und Her zwischen Bundestag und Schloss Bellevue, dem Sitz des Bundespräsidenten. Zuerst erhält Scholz von Staatsoberhaupt Frank-Walter Steinmeier seine Ernennungsurkunde. Danach spricht er im Bundestag die festgelegte Eidesformel, bei der nur eine Variationsmöglichkeit hat: Er kann sich für oder gegen den Zusatz «so wahr mir Gott helfe» entscheiden. Danach werden die Minister im Schloss Bellevue ernannt und im Bundestag vereidigt.

- Vom Bundestag geht es für Scholz ins Kanzleramt, wo seine Vorgängerin Angela Merkel ihm die Amtsgeschäfte übergeben wird – das Ende einer Ära nach 16 Jahren als erste Regierungschefin Deutschlands.

- Danach heisst es für die neue Bundesregierung: An die Arbeit. Schon am Tag der Vereidigung könnte die erste Kabinettssitzung stattfinden.

DONNERSTAG: Bundestagssitzung und Ministerpräsidentenkonferenz

- Auch in den Bundesministerien werden die Amtsgeschäfte übergeben.

- Der Bundestag berät über Änderungen am Infektionsschutzgesetz. Gut möglich, dass Scholz seine erste Rede als Kanzler im Parlament halten wird. Es ist üblich, dass der Regierungschef nach seiner Wahl eine Regierungserklärung zum Regierungsprogramm abgibt. Das kann aber auch noch ein paar Tage warten. Merkel gab ihre Regierungserklärung 2018 erst eine Woche nach ihrer Wahl ab.

- Die Regierungschefs der Länder kommen zu ihrer turnusmässigen Sitzung zusammen, an der auch Scholz teilnehmen wird. Dabei wird es wieder um die Corona-Pandemie gehen, aber auch andere Themen.

FREITAG: Vorstellung im Ausland

- Scholz bricht voraussichtlich zu seiner ersten Auslandsreise auf. Er hat bereits angekündigt, dass er zuerst nach Paris will. So hat es auch seine Vorgängerin Merkel gemacht. Sie war vor 16 Jahren am Tag nach der Vereidigung nacheinander in Paris und Brüssel – und wurde von ihrem Aussenminister Steinmeier (SPD) begleitet.

- Ob es auch diesmal zu einer gemeinsamen Antrittsreise von Kanzler und Aussenministerin kommen wird, ist offen. Die als Chefdiplomatin vorgesehene Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock hat Brüssel als erstes Reiseziel angekündigt. Es ist gut möglich, dass sie schon Donnerstag oder gar Mittwochnachmittag zu ihrer ersten Reise aufbricht.

- Der neue Kanzler dürfte an seinem zweiten vollen Arbeitstag auch US-Präsident Joe Biden begegnen – allerdings nur per Video. Biden hat für Freitag zu einem virtuellen Gipfel für Demokratie eingeladen.

SAMSTAG: SPD-Parteitag und G7-Aussenministertreffen

- Baerbock kann am Samstag und Sonntag ihre wichtigsten Partner gleich auf einen Schlag treffen. In Liverpool findet dann das G7-Aussenministertreffen mit ihren Amtskollegen aus den USA, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Japan und Kanada statt. Ein wichtiger Termin, denn Deutschland übernimmt am 1. Januar den Vorsitz in der Gruppe grosser westlicher Wirtschaftsmächte.

- Scholz taucht für einen Tag in die Parteipolitik ab. Die SPD wählt eine neue Führung. Der bisherige Generalsekretär Lars Klingbeil und die bisherige Parteichefin Saskia Esken kandidieren für den Parteivorsitz, der frühere Juso-Chef Kevin Kühnert will Generalsekretär werden.