Bundestagswahl Dritter Schlagabtausch der Kanzlerkandidaten – Zwei gegen Laschet 

Von Jörg Blank, Martina Herzog, Ulrich Steinkohl und Basil Wegener, dpa

20.9.2021 - 06:01

Kanzlerkandidaten Olaf Scholz von der SPD (l.), Annalena Baerbock von Bündnis 90/Die Grünen (M.) und Armin Laschet von der CDU/CSU diskutieren bei dem Dritten TV-Triell.
Kanzlerkandidaten Olaf Scholz von der SPD (l.), Annalena Baerbock von Bündnis 90/Die Grünen (M.) und Armin Laschet von der CDU/CSU diskutieren bei dem Dritten TV-Triell.
Bild: dpa

Ein letztes Mal treffen sich die Kanzlerkandidaten Olaf Scholz, Armin Laschet und Annalena Baerbock zur TV-Debatte. Der Tonfall: sachlich. Der Erkenntnisgewinn: eher schmal.

Mindestlohn, Hartz IV, Klimaschutz, Corona – zum letzten Mal vor der Bundestagswahl haben die Kanzlerkandidaten von Union, SPD und Grünen in Dreierbesetzung vor einem grossen Fernsehpublikum für ihre Positionen gekämpft.

Beim dritten Triell, das diesmal von den Sendern ProSieben, Sat.1 und Kabeleins ausgetragen wurde, wurde an mehreren Stellen insbesondere in sozialen Fragen Übereinstimmung zwischen Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne) deutlich. Sie setzten sich hier erkennbar von ihrem Unionsmitbewerber Armin Laschet ab.

Wesentlich neue Erkenntnisse brachte die sehr sachlich ausgetragene Debatte nicht. Laschet, Scholz und Baerbock wiederholten weitgehend ihre Positionen aus zahlreichen Wahlkampfreden und aus den vorherigen beiden Triell-Runden. Wie schon dabei sahen die Zuschauer erneut Scholz als Sieger der Debatte.

Armin Laschet

Der CDU-Vorsitzende kam diesmal – gefühlt – weniger als in den beiden Triell-Ausgaben davor zum Angriff, obwohl er laut Stoppuhr lange Zeit den grössten Redeanteil hatte. Immer wieder musste er sich gegen Attacken von Scholz und Baerbock wehren. Am Anfang hatte Laschet auch noch mit einem Frosch im Hals zu kämpfen. Der verflüchtigte sich zwar rasch, aber die Schlachtaufstellung blieb im Grundsatz erhalten: zwei gegen Laschet, Rot-Grün gegen Union.

So lehnte Laschet gleich zu Beginn als Einziger eine Anhebung des Mindestlohns durch den Gesetzgeber ab und war bei diesem Thema in der Defensive. Er versuchte es mit Attacken auf Scholz, warf diesem Wahltaktik vor. Gleich darauf musste sich der NRW-Ministerpräsident gegen den Vorwurf von Baerbock zur Wehr setzen, er wolle Kinder nicht aus Hartz IV herausholen. Laschet kam erstmal gar nicht zu Wort, machte aber dann doch noch seinen Punkt: «Das grösste Problem von Armut ist, wenn Eltern keine Arbeit haben», betonte der CDU-Chef. «Stimmt», kam von Scholz zurück.

Auch beim Grünen-Kernthema Klimaschutz ging Baerbock Laschet frontal an – er kam zeitweise nur noch dazu, ihr mit erhobenem Zeigefinger das Wort «Verbote» entgegenzuhalten. Ob das bei den Zuschauern souverän wirkte?

Kurz vor Schluss versucht Laschet dann, den Spiess umzudrehen und einen Spaltpilz zwischen Baerbock und Scholz zu bringen: Er fragte Baerbock, was sie von Scholz an diesem Montag bei dessen Aussage im Finanzausschuss des Bundestags zu den laufenden Geldwäsche-Ermittlungen erwarte. Antwort Baerbock: «Dass volle Transparenz erfolgt.» Den erhofften Wirkungstreffer bei Scholz dürfte Laschet über den Umweg Baerbock wohl kaum erzielt haben.

Olaf Scholz

Der Kandidat, dessen Partei die Umfragen seit rund drei Wochen anführt, hatte es im Vergleich zum letzten TV-Schaukampf leicht. Als erstes Thema kam Armut in Deutschland auf den Tisch, nicht die Geldwäsche-Razzia oder Wirecard, was Scholz beim ARD/ZDF-Triell gleich unter Druck gebracht hatte. Ob er überhaupt nachvollziehen könne, wie es Pflegekräften und anderen gehe, lautete eine Frage. «Unbedingt kann ich das nachempfinden.» Im Schulterschluss mit Baerbock an seiner linken Seiten konnte Scholz seinen Wahlkampfschlager 12 Euro Mindestlohn durchbuchstabieren. Viele Frauen profitierten davon. «Das hat Frau Baerbock gesagt.»

Als Baerbock und Laschet über Steuern stritten, demonstrierte der Finanzminister mit einem Grinsen, dass er sich gerne über den Streit stellt. Er umriss die Steuer-Gemeinsamkeiten von SPD und Grünen und kanzelte nebenbei die Unionspläne für Entlastungen als «unfinanzierbar» ab. Baerbocks Angriffe wegen ihrer Ansicht nach zu lahmen Kohleausstiegsplänen versuchte Scholz routiniert an sich abperlen zu lassen. Es brauche nicht nur Ziele. «Es muss dann auch mit den Gesetzen (...) Tempo rein.»

Ganz wie Kanzlerin Angela Merkel klang der SPD-Mann, als er zur Corona-Impfung aufrief. Und als Scholz doch noch zum Thema Geldwäsche gefragt wurde, nämlich von Baerbock, konnte er in Ruhe aufzählen, was die Regierung bereits alles gemacht habe.

Bei der Koalitionsfrage wies Scholz staatstragend auf die Gemeinsamkeit hin, dass alle ein Bündnis mit der AfD ausschlössen. «Und dann will ich auch keinen Hehl machen daraus, dass ich am liebsten natürlich eine Regierung bilden würde zusammen mit den Grünen.»

Annalena Baerbock

Baerbock agierte ähnlich wie beim vorherigen Triell. In der Sozialpolitik suchte sie den Schulterschluss mit Scholz. Beim grünen Kernthema Klimaschutz stellte sie sich hingegen gegen beide. Sie warf Scholz und Laschet als den Vertretern der grossen Koalition Tatenlosigkeit vor. Auch das bringe Kosten mit sich, argumentierte die Grünen-Chefin: «Wenn wir jetzt nichts tun, dann wird es in Zukunft unbezahlbar.»

Erneut stritten Baerbock und Laschet über die Bedeutung eines Verbots umweltschädlicher Technologien – für sie eine notwendige politische Leitplanke, aus seiner Sicht eine Innovationsbremse. «Ich frage mich, was mit Ihnen eigentlich los ist, Herr Laschet», gab sich Baerbock entgeistert.

Insgesamt wirkte Baerbock ruhig und gut sortiert. Gezielte Stiche setzte sie insbesondere gegen Laschet. «Können Sie mal bitte bei den Fakten bleiben?», forderte sie den CDU-Chef in der Neuauflage einer Debatte aus dem vorigen Triell um das Hartz-IV-System auf, von dem sie Kinder ausnehmen möchte. Laschet hingegen betonte, vorrangig müssten Eltern in Lohn und Brot gebracht werden.

Erneut setzte Baerbock neben der Klimapolitik Akzente vor allem im Sozialen – immer wieder verwies sie auf die schwierige finanzielle Lage alleinerziehender Eltern und auf Kinderarmut. Obwohl ihre Partei in den Umfragen nur auf Platz drei rangiert, betonte Baerbock: «Für einen Aufbruch braucht es eine grün geführte Regierung.» Dafür kämpfe sie bis zuletzt.

Das Urteil der Zuschauer

In einer Blitzumfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa nannten 42 Prozent der 2291 befragten wahlberechtigten Zuschauer den SPD-Mann Scholz als Sieger des Triells. Auf Platz zwei landete Laschet mit 27 Prozent, dicht gefolgt von Baerbock, die auf 25 Prozent kam. Scholz war auch schon bei den ersten beiden Runden in Zuschauerumfragen als Sieger vom Platz gegangen.

Was diesmal anders war

Anders als bei den beiden anderen Triells durften sich die Kandidaten in einer Runde gegenseitig Fragen stellen. Baerbock fragte Scholz nach der Bekämpfung der Geldwäsche in Deutschland. Laschet knüpfte daran an und wollte von Baerbock wissen, was sie sich von der für diesen Montag beantragten Sondersitzung des Finanzausschusses des Bundestags erwarte. Und Scholz konfrontierte Laschet mit der Weigerung der Union, die höheren Heizkosten durch die CO2-Bepreisung gleichermassen auf Mieter und Vermieter aufzuteilen.

Worüber diskutiert wurde

In der 90-Minuten-Sendung wurde ein breites Spektrum von Themen angesprochen: Es reichte von der Höhe des Mindestlohns und der Hartz-IV-Sätze über Klimaschutz und Digitalisierung bis hin zu Corona-Bekämpfung und Pflege. Auch zu ihren Wunschkoalitionen und zu ihrem No-Go bei Koalitionen wurden Scholz, Laschet und Baerbock befragt. Eine Koalition mit der AfD, ja auch nur Gespräch mit ihr, lehnten alle drei ab.

Was nicht zur Sprache kam

Aussen- und Sicherheitspolitik war kein Thema des Triells, auch die Europapolitik kam nicht zur Sprache. Innenpolitisch fehlten beispielsweise die Themen Gesundheitssystem und Krankenversicherung oder Mieten. Nur am Rande spielten die Ermittlungen gegen die Geldwäsche-Zentralstelle des Zolls eine Rolle, um die es eine Woche zuvor noch einen harten Schlagabtausch gegeben hatte.

Wie es weitergeht

Die Auseinandersetzung bei den Sendern Sat.1, ProSieben und Kabeleins war das letzte Triell. Zuvor waren die Kanzlerkandidatin und die zwei Kanzlerkandidaten bereits bei RTL/ntv und ARD/ZDF aufeinander gestossen. Für noch immer unentschlossene Wählerinnen und Wähler wird es aber am kommenden Donnerstag (23.) eine weitere Möglichkeit geben, sich eine Meinung zu bilden. Dann tragen ARD und ZDF (20:15 Uhr) eine Schlussrunde mit den Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten aller im Bundestag vertretenen Parteien aus.

Von Jörg Blank, Martina Herzog, Ulrich Steinkohl und Basil Wegener, dpa