Krise in Venezuela Juan Guaidó – vom Hinterbänkler zum wichtigsten Gegener Maduros

AP/tjb

24.1.2019

Jaun Guaido ist der neue Hoffnungsträger jener, die die Nase voll haben von Venezuelas Präsidenten Maduro.
Jaun Guaido ist der neue Hoffnungsträger jener, die die Nase voll haben von Venezuelas Präsidenten Maduro.
Bild: Keystone/Epa/Christian Hernandez

Juan Guaidó hat sich in Venezuela zum Präsidenten ernannt und erhält seither kräftigen Rückenwind. Doch noch vor wenigen Wochen kannte kaum jemand den 35-Jährigen.

Der venezolanische Parlamentspräsident Juan Guaidó hat in den vergangenen Wochen einen sagenhaften Aufstieg vom politischen Hinterbänkler zum selbst ernannten Interimspräsidenten des Landes hingelegt. Das sei nicht ohne Risiko, so die Selbsteinschätzung Guaidós. Direkt nach seiner symbolischen Vereidigung zum Übergangsstaatschef begab er sich daher an einen geheimen Ort. Erst in der vergangenen Woche war Guaidó kurzzeitig von Geheimagenten festgenommen worden.

Mächtige Unterstützung

Als Guaidó Anfang Januar zum Präsidenten der oppositionsgeführten Nationalversammlung wurde, war der 35-Jährige für die meisten Venezolaner ein Unbekannter. Seine Ernennung hatte zu Spannungen mit Präsident Nicolás Maduro geführt, der das Parlament de facto entmachtet hatte und von seinen Gegnern im eigenen Land sowie im Ausland zunehmend als Diktator wahrgenommen wird.

Am Mittwoch hatte Guaidó sich nach massiven Protesten gegen die Regierung schliesslich vor seinen jubelnden Unterstützern zum Übergangsstaatschef erklärt. Die USA, Kanada und mehrere lateinamerikanische Staaten erkannten ihn als Interimspräsidenten an. Auch die Organisation Amerikanischer Staaten kündigte Unterstützung an. Der bisherige Präsident Maduro reklamierte das Amt aber weiterhin für sich. Auf die Anerkennung Guaidós durch die USA regierte er verärgert. Er forderte Washington auf, alle US-Diplomaten im Land binnen 72 Stunden abzuziehen – doch die USA will dem nicht nachkommen.

Geplant wird bei Spaziergängen

Als Schlüssel zu Guaidós Erfolg gilt neben seinem guten Timing vor allem die Unterstützung von Venezuelas populärstem Oppositionspolitiker Leopoldo López. Dieser steht derzeit unter Hausarrest, spielt aber hinter den Kulissen eine wichtige Rolle in der Opposition. Guaidó gilt als treuer Gefolgsmann von Lopez und steht bereits seit der Ankündigung einer Anti-Maduro-Strategie des Politikers 2014 an dessen Seite. Damals hatte diese Ankündigung die Opposition noch gespalten. Einem politischen Mitstreiter zufolge sollen die beiden Politiker mehrmals täglich miteinander spazieren gehen. Jeder Schritt und jede Rede Guaidós seien mit López abgesprochen.



Die zunehmende Verzweiflung vieler Venezolaner und der Wunsch nach einer neuen Führung spielen Guaidó in die Hände. In der einst wohlhabenden Öl-Nation führten die sprunghaft angestiegene Inflation und der Mangel an Dingen des täglichen Lebens zuletzt zu einer Massenflucht aus dem Land.

Guaidó ist ein Überlebender

Der Ingenieur Guaidó ist an Entbehrungen und Not gewöhnt. Als er 15 Jahre alt war, überlebte seine Familie einen verheerenden Erdrutsch nahe der Hauptstadt Caracas. Tausende Menschen starben, viele weitere verloren ihre Häuser. «Wir sind Überlebende», sagte er jüngst in einem Interview der Nachrichtenagentur AP. Auch habe er keine Angst, sollte ihn dasselbe Schicksal ereilen, das viele seiner Parteikollegen zuvor erlebten. Wenn er gefangen genommen werde, werde jemand anderes an seine Stelle treten, denn seine Generation gebe nicht auf.

Kritiker werden dem 35-jährigen Familienvater vor, ihm fehle eine politische Vision. Sie verweisen auf seine weitschweifende Antrittsrede als Präsident der Nationalversammlung, in der er gegen Maduro wetterte, aber keine konkreten Vorschläge für einen Weg aus der Misere präsentierte. Andere bewerten seine Jugendlichkeit und seine relative Unerfahrenheit positiver: Er bringe frischen Wind in die Opposition.

Unterstützung vom Volk

Mit seiner Eigenernennung zum Übergangschef Venezuelas erregte Guaidó nun internationale Aufmerksamkeit. US-Präsident Donald Trump erklärte, die USA würden ihre ganze wirtschaftliche und diplomatische Macht einsetzen, um die Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela zu fördern.

Die Verfassung erlaube ihm eine Interimspräsidentschaft und gebe ihm das Recht, Wahlen auszurufen, sagte Guaidó vergangene Woche. Er brauche aber die Unterstützung des Volkes. Ein Teil des Volkes regierte auf Guaidós Aufruf. Am Mittwoch versammelten sich Zehntausende auf den Strassen von Caracas. «Raus, Maduro», riefen sie bei der grössten Demonstration seit 2017. Obwohl die Proteste grösstenteils friedlich waren, gingen die Sicherheitskräfte hart gegen die Demonstranten vor. Guaidós Aufruf, sich den Protestierenden anzuschliessen, folgten sie nicht.

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