Machtkampf in Venezuela USA und EU stützen selbst ausgerufenen Präsidenten 

dpa/jfk

24.1.2019

Nachdem Venezuelas junger Parlamentschef Guaidó sich selbst zum Präsidenten erklärt hat, bekunden ihm einflussreiche Staaten ihre Solidarität. Die USA wittern bei einem Regierungswechsel in Venezuela auch eigene Vorteile. 

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro hat sich im Kampf gegen die von den USA unterstützte Opposition weit ins internationale Abseits manövriert und ringt nun um sein politisches Überleben.

Nachdem sich am Mittwoch der bis vor Kurzem noch unbekannte Parlamentschef Juan Guaidó selbst zum Interims-Präsidenten erklärt hatte, stellten sich zunächst die USA und bald darauf auch die EU, die Organisation Amerikanischer Staaten und zahlreiche lateinamerikanische Regierungen hinter Maduros 35-jährigen Herausforderer.

Trump droht Sozialisten

Allerdings kann Maduro im eigenen Land noch immer auf die Unterstützung des mächtigen Militärs zählen. Auch seine Verbündeten in Bolivien und Kuba halten noch zu dem Sozialisten, dessen Land über die grössten Erdölreserven der Welt verfügt.

Das Weisse Haus rief Maduro zu einer friedlichen Machtübergabe auf und drohte dem Sozialisten andernfalls mit schweren Konsequenzen. «Alle Optionen sind auf dem Tisch», sagte US-Präsident Donald Trump. «Ich werde weiterhin das volle Gewicht der wirtschaftlichen und diplomatischen Macht der Vereinigten Staaten nutzen, um auf die Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela zu dringen.»

Ein hochrangiger US-Regierungsvertreter wollte am Mittwoch auf Nachfrage auch eine militärische Option nicht ausschliessen. «Maduro und seine Kumpanen» hätten keine Zukunft mehr, sagte er. «So oder so sind ihre Tage gezählt.»

«Hier ergibt sich niemand»

Maduro brach nach der Solidaritätsnote der USA für Guaidó die diplomatischen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten ab und verwies deren diplomatisches Personal des Landes. «Hier ergibt sich niemand. Venezuela hat das Recht, sich selbst souverän zu regieren», sagte der Staatschef bei einer Rede vor Anhängern. «Die imperialistische US-Regierung will eine Marionettenregierung in Venezuela einsetzen.»

Guaidó forderte das Personal der in Caracas ansässigen Botschaften dagegen zum Bleiben auf. Anderslautende Anweisungen sollten ignoriert werden.

Zehntausende demonstrieren gegen Maduro.
Zehntausende demonstrieren gegen Maduro.
Bild: dpa

US-Aussenminister Mike Pompeo erklärte, er werde das diplomatische Personal zunächst nicht aus der Botschaft in Caracas abziehen. «Die Vereinigten Staaten erkennen das Maduro-Regime nicht als Regierung Venezuelas an», teilte Pompeo mit. Folglich habe «der frühere Präsident» auch nicht die Befugnis, diplomatische Beziehungen abzubrechen oder US-Diplomaten zu unerwünschten Personen zu erklären.

Auch EU hinter Guaidó

Unterstützung bekam Guaidó auch aus Brüssel. «Die Europäische Union ruft mit Nachdruck zum Beginn eines sofortigen politischen Prozesses auf, der zu freien und glaubwürdigen Wahlen führt, im Einklang mit der Verfassung», erklärte die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini.

Die Europäische Union unterstütze die von Guaidó geführte Nationalversammlung «als demokratisch gewählte Institution, deren Befugnisse wiederhergestellt und respektiert werden müssen». EU-Ratspräsident Donald Tusk schrieb auf Twitter: «Im Gegensatz zu Maduro verfügt das Parlament, Juan Guaidó eingeschlossen, über ein demokratisches Mandat der venezolanischen Bürger.»

Mit Spannung wurde erwartet, ob sich Papst Franziskus auf dem Weltjugendtag in Panama zu der schweren Krise in Venezuela äussern würde. Das Wort des Kirchenoberhaupts hat im katholisch geprägten Lateinamerika grosses Gewicht.

Wo steht die Armee?

Venezuelas Verteidigungsminister Vladimir Padrino sicherte Maduro die Unterstützung der Armee zu. «Die Soldaten des Vaterlandes akzeptieren keinen Präsidenten, der von dunklen Mächten eingesetzt wird oder sich abseits des Rechts selbst einsetzt», schrieb Padrino auf Twitter. «Die Streitkräfte verteidigen unsere Verfassung und sind der Garant unserer nationalen Souveränität.» Guaidó hatte ans Militär appelliert, sich auf die Seite der Regierungsgegner zu stellen.

Ob der Machtwechsel in Caracas wirklich gelingt, dürfte davon abhängen, ob die Opposition den Druck auf der Strasse aufrechterhalten und das Militär auf ihre Seite ziehen kann. Am Mittwoch gingen in ganz Venezuela Zehntausende Menschen gegen die sozialistische Regierung auf die Strassen.

Die Demonstranten hielten Transparente mit der Aufschrift «Wir sind frei» und skandierten «Sie wird stürzen, sie wird stürzen, diese Regierung wird stürzen». Die Polizei feuerte Tränengasgranaten und Gummigeschosse in die Menge. Vermummte Demonstranten schleuderten Steine auf die Sicherheitskräfte.

Drei Millionen geflohen

Nach Angaben der Beobachtungsstelle für soziale Konflikte kamen 13 Menschen bei den Krawallen ums Leben. Mindestens 109 Demonstranten wurden festgenommen, wie die Nichtregierungsorganisation Foro Penal mitteilte.

«Wir fehlen die Worte, um den Schmerz auszudrücken angesichts der Venezolaner, die bei den Protesten in den vergangenen Stunden getötet wurden», schrieb Guaidó auf Twitter. «Ihren Familien kann ich nur versprechen, dass in unserem Vaterland wieder Gerechtigkeit und Frieden herrschen werden.»

Venezuela, das rund 30 Millionen Einwohner hat, steckt seit Langem in einer tiefen politischen und wirtschaftlichen Krise. Die Opposition wird unterdrückt, viele Regierungsgegner sitzen in Haft oder sind ins Exil geflohen. Aufgrund von Devisenmangel kann das einst reiche Land kaum noch Lebensmittel, Medikamente und Dinge des täglichen Bedarfs importieren. Rund drei Millionen Venezolaner sind bereits vor dem Elend ins Ausland geflohen.

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