Speiseöle weltweit knapp «Jedes Land wird darunter leiden»

Von Oliver Kohlmaier

29.4.2022

Der mit Abstand grösste Palmöl-Produzent Indonesien verhängt einen Exportstopp für das wichtigste Speiseöl. Mit Auswirkungen auf die ganze Welt.

Von Oliver Kohlmaier

Mit der russischen Invasion in der Ukraine hat die Welt ein weiteres Öl-Problem bekommen.

Nicht nur die Preise für Erd- sondern auch für Speiseöl stiegen weltweit zum Teil drastisch an. Die gesamte Schwarzmeerregion, vor allem aber die Ukraine, ist ein wichtiges Anbaugebiet für Sonnenblumen, aus dessen Samen das in Europa beliebte Speiseöl hergestellt wird.

Als noch folgenreicher könnte sich nun jedoch eine Entwicklung in Asien herausstellen. Denn Indonesiens Präsident Joko Widodo kündigte am vergangenen Freitag einen Exportstopp für Palmöl an, seit heute Mitternacht (Ortszeit) ist es in Kraft. 

Es sei Aufgabe der Politik, «reichliches und bezahlbares Speiseöl» zu garantieren, erklärte der Präsident. Wenn sich der Markt im Land stabilisiert habe und Speiseöl wieder zu erschwinglichen Preisen verfügbar sei, werde er die Entscheidung neu bewerten.

Indonesien ist im Markt für Palm, -und damit für Speiseöl nicht irgendwer. Das südostasiatische Land ist der mit Abstand grösste Exporteur für Palmöl und produziert fast zwei Drittel der globalen Gesamtmenge. Wie beim Erdöl spielen die Hauptproduzenten eine wichtige Rolle bei den Weltmarktpreisen. 

Palmöl ist noch vor Sojaöl das wichtigste Pflanzenfett weltweit — nicht nur als Speiseöl, sondern auch als bedeutender Rohstoff für eine Vielzahl weiterer Produkte.

Zwar stellte das indonesische Agrarministerium am Montag klar, dass von dem Exportstopp nicht das Rohöl betroffen sei, RBD-Produkte (raffiniert, gebleicht, desodoriert) jedoch sehr wohl. Das raffinierte Speiseöl macht den Löwenanteil der indonesischen Exporte aus.

Ein indonesischer Arbeiter erntet Palmfrüchte auf einer Plantage im Norden Sumatras.
Ein indonesischer Arbeiter erntet Palmfrüchte auf einer Plantage im Norden Sumatras.
EPA/DEDI SINUHAJI/KEYSTONE (Archivbild)

Palmöl steckt in vielen Produkten

In weiten Teilen Asiens ist Palmöl ein bedeutendes Grundnahrungsmittel. Aber auch in den westlichen Industrieländern hat das Pflanzenfett eine enorme Bedeutung erlangt. 

Palmöl wird mittlerweile für zahllose Produkte verwendet. Es steckt nicht nur in Lebensmitteln wie Margarine, Schokolade und vielen Fertigprodukten, sondern auch in Waschmitteln, Kosmetika oder etwa Kerzen. Auch den sogenannten Biokraftstoffen wird das Pflanzenöl beigemischt. 

Im reichen Norden gleichsam ein Industrieprodukt, ist Palmöl in Indonesien ein heikles Politikum. Das Speiseöl spielt in der Landesküche eine wichtige Rolle — wegen der gestiegenen Preise konnten es sich die vielen armen Menschen im Land zuletzt kaum mehr leisten.

In den vergangenen Wochen gab es in dem 270 Millionen Einwohner zählenden Inselstaat immer wieder Proteste gegen die hohen Lebensmittelpreise, insbesondere von Speiseöl.

Laut der Tageszeitung «Jakarta Post» sanken die Zustimmungswerte des Präsidenten zuletzt um zwölf Prozent, Umfragen legen zudem einen direkten Zusammenhang mit den Preisanstiegen nahe. Laut einer Befragung des Indikator Politik Indonesia sprachen sich rund 60 Prozent für einen Exportstopp aus.

Verschiedene Lebensmittel sowie Kosmetik- und Pflegeprodukte, die Palmöl enthalten.
Verschiedene Lebensmittel sowie Kosmetik- und Pflegeprodukte, die Palmöl enthalten.
KEYSTONE/Christian Beutler (Archivbild)

Preise für Speiseöl geraten weltweit unter Druck

Die Ankündigung von Präsident Widodo versetzte die Weltmärkte in Aufruhr, die ohnehin hohen Preise zogen weiter an. 

«Die Entscheidung Indonesiens hat nicht nur Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Palmöl, sondern auf Pflanzenöle weltweit», sagt James Fry, Vorsitzender des Beratungsunternehmens LMC International der Nachrichtenagentur Reuters. Rasheed JanMohd vom pakistanischen Verband erklärte demnach: «Niemand kann den Verlust von indonesischem Palmöl kompensieren. Jedes Land wird darunter leiden.»

Neben dem Krieg in der Ukraine setzten zuletzt auch schlechte Ernteprognosen für Sojabohnen aus Südamerika die Preise unter Druck.

Indien importiert rund die Hälfte seines Bedarfs an Palmöl aus Indonesien, Pakistan und Bangladesch sogar 80 Prozent. Wenn sich diese Länder mit einer gemeinsamen Bevölkerung von rund 1,8 Milliarden Menschen auf dem Weltmarkt nach neuen Bezugsquellen umschauen, werden die Preise für Speiseöl weiter anziehen.

Auch in der Schweiz wird es teurer

Im benachbarten Deutschland, das über 90 Prozent seines Sonnenblumenöls aus der Ukraine bezieht, begrenzen viele Detailhändler den Verkauf schon seit Wochen, die Regale in den Supermärkten sind vielerorts leergeräumt.

Zumindest bei der Verfügbarkeit blieben die Schweizerischen Konsument*innen bislang verschont — nicht jedoch bei den Preisen.

«Aufgrund der gestiegenen Rohstoffpreise mussten Preisanpassungen bei diversen Ölen wie Sonnenblumen- und Erdnussöl vorgenommen werden», teilt etwa Coop-Mediensprecherin Melanie Grüter auf Anfrage von blue News mit. 

Bei den vielen Produkten, in denen Palmöl verarbeitet ist, erhalte man «aktuell von verschiedenen Lieferanten Preisforderungen aufgrund von erhöhten Rohstoffpreisen, knappem Verpackungsmaterial sowie gestiegenen Transport- und Energiekosten». Preisanpassungen könnE man «aktuell nicht ausschliessen».

Am Ende profitiert vielleicht niemand

Während Konsument*innen hierzulande jedoch allenfalls mit moderat steigenden Preisen für verarbeitete Produkte und Speiseöl rechnen müssen, kämpfen die sogenannten kostensensiblen Märkte, also die armen Länder, gegen ganz andere Probleme.

Denn Palmöl spielt als preisgünstige Quelle für hochwertiges Pflanzenfett eine bedeutende Rolle nicht nur in den bevölkerungsreichen und armen Ländern Asiens, sondern auch auf dem afrikanischen Kontinent.

So kritisierte der Ökonom Bhima Yudhistira, Direktor des in Jakarta ansässigen Zentrums für Wirtschafts- und Rechtsfragen, die Entscheidung und warnte vor Protesten in den jeweiligen Importländern.

Es gebe keine Notwendigkeit, den Export ganz zu stoppen, erklärte er. Vielmehr jedoch müsse die Regierung eine Regelung durchsetzen, wonach die Exporteure 20 Prozent ihrer Produktion auf dem heimischen Markt verkaufen müssen.

Nun exportierte Indonesien vor dem Exportstopp weitaus mehr Palmöl, als es verbraucht. Aufgrund deR erwarteten hohen Mengen, die nunmehr im Land verbleiben müssen, sank der Preis für das Fruchtfleisch der Palmfrucht in Indonesien in dieser Woche rapide.

Der Abgeordnete Deddy Sitorus von der indonesischen Regierungspartei PDI-P warnte, das Ausfuhrverbot könne die Zukunft von Kleinbauern und mittelständischen Palmölunternehmen im Land selbst gefährden. 

Am Ende könnte von dem Exportstopp niemand wirklich profitieren.