«Aussenseiter» Harris und Walz feiern Debüt: Vize auf Konfrontationskurs
Als sie gemeinsam die Bühne betreten, bricht tosender Applaus aus. Kamala Harris und ihr frisch auserkorener Vize Tim Walz sind zum ersten Mal gemeinsam bei einer Wahlkampfveranstaltung aufgetreten. «Wir sind die Aussenseiter in diesem Rennen. Aber wir haben das Momentum und ich weiss genau, womit wir es zu tun haben.»
07.08.2024
Alarm in Trumps Wahlkampf-Team: Während die Demokraten den New Yorker nur noch mit «weird» abstempeln, gelingt es den Konservativen nicht, Kamala Harris' Angriffspunkte zu finden und sie verbal zu treffen.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Nachdem Donald Trump den politischen Gegner immer wieder mit Beinamen wie «Sleepy Joe» getroffen hat, schlugen entsprechende Versuche bei Kamala Harris bisher fehl.
- Weder ihr Lachen noch «Lügen» blieben an Harris haften: Die Republikaner suchen verzweifelt nach neuen Angriffspunkten.
- Sie wollen Benziner wie auch rotes Fleisch verbieten und sind radikale Linke: Bisher laufen die neuen Attacken ins Leere.
- Die Demokraten stellen Trump nicht mehr als Ende der Demokratie dar, sondern nennen ihn bloss «weird». Die Reaktionen zeigen, wie sehr die Gegenseite das wurmt.
Am 20. Juli ist Donald Trumps Wahlkampf-Team auf Kurs. Es läuft so gut, dass es sich sogar mit Angriffen auf den politischen Gegner zurückhält, weil der sich nach dem verlorenen ersten TV-Duell selbst zerfleischt. Gleichzeitig geistert damals ein Begriff durch die Presse, den Trump mit Blick auf US-Präsident Biden selbst geprägt hat: «Sleepy Joe» treibt Washington um.
Doch am folgenden Tag stellt «Sleepy Joe» die Welt des Trump-Teams auf den Kopf, als er von seiner erneuten Kandidatur absieht. Dass sich Kamala Harris als Favoritin fürs Rennen ums Weisse Haus herauskristallisiert, überrascht sie nicht einmal. Das Problem ist vielmehr, dass sie noch keine Angriffsstrategie gegen sie haben. Und auch keinen griffigen Spottnamen.
Einen ersten entsprechenden Versuch unternimmt Trump am amerikanischen Unabhängigkeitstag. In einem Truth-Social-Post wünscht der New Yorker «allen einen schönen 4. Juli», um dann sarkastisch jene miteinzubeziehen, denen er an diesem Feiertag einen mitgeben will: den «hochgradig unfähigen ‹Präsidenten›» oder den «geistesgestörten Biden-Staatsanwalt Jack Smith».
«Lachende Kamala Harris» wird zum Bumerang
Kamala Harris adelt der 78-Jährige erstmals mit dem Beinamen «Laffin'», also laughing oder lachend. Sie sei «möglicherweise der neue Herausforderer», habe sich aber in ihrer Partei «schlecht» geschlagen. Trumps Team wird gestaunt haben, wie schnell und wie einig sich die Demokraten nach Bidens Rückzug auf Harris verständigt haben.
Auch wenn der Republikaner Matt Gaetz Trumps Post mit «Das ist es. Das Beste überhaupt. Punkt» kommentiert, schlägt der Beiname «Laughing Kamala Harris», der der 60-Jährigen die Ernsthaftigkeit für das Amt der Präsidentin absprechen soll, kaum Wellen. Im Gegenteil: Der Angriff wird zum Schuss ins eigene Knie.
Das Gros der Kommentierenden findet Harris' Lachen nicht albern, sondern sympathisch. Das Unternehmer-Portal Inc. weist auf die psychologischen Vorteile der «mobilisierenden Kraft der Freude» hin. «New York Times» nennt ihre Fröhlichkeit «eine ihrer effektivsten Waffen». Und der «Religion News Service» titelt: «Was uns der Talmud über Männer lehrt, die über Kamala Harris' Lachen lachen».
Rohrkrepierer «Lying Kamala Harris»
Spätestens als Harris' Wahlkampfteam selbst ihre Lach-Attacke aufgreift, ist sein verbaler Angriff kläglich gescheitert. Seine Weisheit «Margret Thatcher hat nicht so gelacht, oder? Wenn sie es getan hätte, wäre sie nicht Margaret Thatcher» läuft ins Leere.
Weil auch Trumps Strategen das merken, probieren sie es mit einem neuen Wording: Der republikanische Spitzenkandidat will darauf aufmerksam machen, dass Harris als Vizepräsidentin nicht offen über Bidens Verfassung gesprochen hat. Doch weil «Lyin'», also lying oder lügend, so ähnlich tönt wie lion, also Löwe, muss Trump das Ganze bei einer Rede buchstabieren.
Ideal ist das nicht. Die Beleidigung erntet in den sozialen Netzwerken zwar mehr Echo als «Laffin' Kamala Harris», doch das Thema ist verfehlt. Statt Joe Bidens Gesundheit wird nach seiner Demission thematisiert, dass er das Land an erste Stelle setze. Der Fokus dreht auf Harris, die Unterstützung der Partei und ihre Nominierung.
Verzweifelte Suche nach Angriffspunkten
Konservative suchen verzweifelt nach neuen Ansatzpunkten: Sie hätte das Zepter gar nicht einfach so übernehmen dürfen, klagen sie. Sie ist zu weich gegenüber dem Verbrechen, aber auch zu hart gegenüber Häftlingen. Und Ted Cruz tönt: «Sie bekommt meine Waffe nicht. Sie bekommt nicht meinen Verbrennungsmotor. Und sie bekommt zur Hölle nicht meine Steaks und Cheeseburger.»
Weiter sind die Republikaner nicht gekommen. Auch Trumps Vize James David Vance warnt in seiner jüngsten Wahlkampfrede, Harris wolle Fracking, Benziner und rotes Fleisch verbieten. «Sie denkt, sie ist besser als wir. Sie denkt, sie ist besser als ihr», sagt er in Atlanta, Georgia.
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Amerika wählt am 05. November einen neuen Präsidenten. Aber nicht nur der Präsident, sondern auch 35 Senatssitze, das komplette Repräsentantenhaus sowie elf Gouverneure werden neu gewählt. blue News begleitet die heisse Phase des Duells um das Weisse Haus nicht nur mit dem Blick aus der Schweiz, sondern auch mit Berichten direkt aus den USA.
Patrick Semansky/AP/dpa
Weil Trump kaum Munition gegen Harris hat, ist er bereits in die Rassismus-Falle getreten – und Vance hat mit «kinderlosen Katzen-Ladys» den ersten frauenfeindlichen Treffer gelandet. Standard ist bei den Republikanern dagegen die Verortung des Gegners bei den extremen Linken: Dass Fox News ihren Vize Tim Walz den «radikalsten Linksaussen-Gouverneur» des Landes nennt, passt ins Bild.
Und auch, dass Walz «Tampon-Tim» genannt wird, weil er sich in Minnesota – neben freiem Mittagessen – für gratis Tampons an Schulen stark gemacht hat.
Harris' neues Wording
Auch die Demokraten haben ihr Wording geändert, seitdem Harris an Bidens Stelle getreten ist. Und das nur folgerichtig: Dass das Weisse Haus immer und immer wieder betont hat, die Demokratie stehe wegen Trump auf dem Spiel, hat sich abgenutzt. Am 26. Juli nennt Harris ihren Widersacher deshalb erstmals «weird».
Weird heisst seltsam, verrückt oder komisch. Der Begriff ist eher weit gefasst und weniger spezifisch. Er passt zu den verschiedensten Szenen, die Trump und Vance auf die Bühne bringen – etwa wenn der 78-Jährige von Film-Schurke Hannibal Lecter schwärmt, vor Wind-Anlagen warnt oder über den Tod durch Hai-Angriffe fantasiert.
Dass die neue Taktik wirkt, lässt die Reaktion des Gegners erahnen. «Sie sind die Seltsamen», zeigt sich Trump an der Ehre gepackt. «Niemand hat mich je seltsam genannt. Ich bin viele Dinge, aber nicht seltsam. Und er ist es auch nicht, ich sage euch. JD [Vance] ist es gar nicht. Sie sind es.»
Die Republikaner reagieren empfindlich: Vivek Ramaswamy etwa nennt das neue Wording der Demokraten «dumm und kindisch». Das erstaunt dann doch angesichts der Tatsache, dass Trump immer wieder gern betont, man dürfe seinen parteiinternen Gegner Chris Christie nicht «fettes Schwein» nennen.
US-Wahlen 2024 | Aktuelle Umfragewerte
Donald Trump
Republican Party
43%
Kamala Harris
Democratic Party
45%
An 100 fehlende Prozente entfallen auf den Kandidaten der Unabhängigen.
Quelle: YouGov, The Economist; National Polls; The Wall Street Journal, 4.-6. August 2024
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