Frauen im Iran hoffen auf den Wandel
Die prekäre Lage der Frauen im Iran ist mit dem Tod von Mahsa Amini im vergangenen Jahr wieder in den Fokus der weltweiten Aufmerksamkeit geraten.
08.03.2023
Nach zwei Monaten relativer Ruhe flammen die Proteste im Iran wieder auf, weil Mädchen in Schulen mit Gift attackiert werden. Das Regime präsentiert Tatverdächtige, doch die Aussagen widersprechen sich.
Sie sind wieder auf der Strasse in den Millionenstädten Tabris und Maschhad, Isfahan und Schiras sowie den Kurdenprovinzen Mariwan und Sanandasch: Die Proteste im Iran flammen wieder auf. Der Grund dafür ist die Welle von Vergiftungsfällen an Mädchenschulen, die nun bereits seit Wochen anhält.
Iranische Medien haben seit November über mehr als 3100 solcher Attacken gezählt. Laut der Zeitung «Etemad» gab es mindestens an 127 Schulen Probleme. Beobachter gehen zudem von einer Dunkelziffer aus. Der iranische Abgeordnete Mohammed Hassan Assefari sagte der halbamtlichen Nachrichtenagentur Isna, es hätten bis zu 5000 Schulkinder in 230 Schulen über Beschwerden geklagt.
Dass erneut Iraner*innen demonstrieren und wie im untenstehenden Video «Tod dem Kindermörder-Regime» skandieren, ist gar nicht im Sinne der Machthaber: Vize-Innenminister Madschid Mirahmadi steuert am 7. März gegen und verkündet laut Nachrichtenagentur Fars, es seien Tatverdächtige in fünf Provinzen verhaftet worden.
Um wie viele Personen es sich handelt, mit welcher Motivation sie gehandelt haben oder welches Gift benutzt wurde, verrät der Verantwortliche für die iranischen Sicherheitskräfte nicht. Laut «New York Times» sollen einige Fälle auf das Konto von Studenten gehen, die sich einen Scherz erlaubt haben sollen, stellt es Mirahmadi dar.
Widersprüchliche Aussagen des Regimes
Ganz anders tönt dagegen der Sprecher der iranischen Streitkräfte. Laut Saeed Montazer Al-Mahdi seien zwei Männer und drei Frauen verhaftet worden. Sie hätten im Auftrag fremder Mächte und der Medien gehandelt, um «Unsicherheit und Chaos zu verbreiten». Wie das Quintett es geschafft hat, in 27 der 31 Provinzen zuzuschlagen, bleibt im Dunkeln.
Gleichzeitig reagiert das Regime in vielen Städten mit dem Einsatz von Tränengas und Gewalt, um Demonstrationen besorgter Eltern, Frauen und des Lehrpersonals aufzulösen und ein Wiederaufflammen der Proteste zu verhindern. Zwei Monate war es zuvor relativ ruhig im Iran, nachdem die Ermordung von Mahsa Amini im September für schwere Unruhen gesorgt hat.
«Das revolutionäre, subversive Verhalten der Schülerinnen aus den vergangenen Monaten an den Fundamenten des Regimes», ordnet die Soziologin Azadeh Akbari in der «Zeit» ein. «Meines Erachtens sind die Giftattacken auf die Mädchenschulen eine Antwort auf ihre Protestaktionen.»
«Diese Schulmädchen sind die nächste Generation»
In der Geschichte der Islamischen Republik seien gesellschaftliche Gruppen, die das Regime infrage gestellt hätten, angegriffen wurden – «und zwar nicht von offiziellen, sondern inoffiziellen Kräften und Anhängern des Staats». Dem gehe es um Abschreckung: «Diese Schulmädchen sind die nächste Generation, in den nächsten Jahren studieren sie, belegen Arbeitsplätze.»
Was erleben die von den Giftattacken betroffenen Mädchen und Frauen? «Es begann mit Kopfweh und einem Gestank», beschreibt eine Iranerin bei CBC. «Etwas roch nach Gas, und plötzlich wurde mir schwarz vor Augen. Mir wurde sehr schwindlig, und ich fühlte einen Schmerz in meiner Brust. Als ich gelaufen bin, haben meine Beine gewackelt.»
Eltern und Schülerschaft sind alarmiert. «Meine Tochter und alle ihre Klassenkameraden haben es kollektiv abgelehnt, in die Schule zu gehen», sagt eine 41-Jährige der «New York Times». «Sie haben [die Schule] gezwungen, Online-Unterricht anzubieten.»
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