Ermordeter deutscher Politiker Fall Lübcke: «Rechtsextremistischer Hintergrund» vermutet 

dpa / AFP / tmxh

17.6.2019

Ein 45-Jähriger ist dringend tatverdächtig, den deutschen Politiker Walter Lübcke erschossen zu haben. Der Generalbundesanwalt hat die Ermittlungen übernommen und geht von einem «rechtsextremistischen Hintergrund» aus. 

Im Fall des getöteten deutschen Politikers Walter Lübcke gehen die Ermittler von einem «rechtsextremistischen Hintergrund» aus. Grundlage seien das Vorleben und frühere Äusserungen des festgenommenen 45-jährige Mannes, der dringend tatverdächtig sei, sagte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft am Montag in Karlsruhe.

Es gebe aber keine Anhaltspunkte dafür, dass er in eine rechtsterroristische Vereinigung eingebunden gewesen sein könnte, sagte Behördensprecher Markus Schmitt. Wegen der «besonderen Bedeutung» des Falls habe die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen.

Der am Wochenende festgenommene Mann wird demnach verdächtigt, den CDU-Politiker «heimtückisch durch einen Kopfschuss getötet zu haben». Die Ermittler gingen auch der Frage nach, ob und inwieweit bislang unbekannte Hintermänner in die Tat eingebunden gewesen sein könnten. Genauere Angaben zu dem Verdächtigen und dem mutmasslichen rechtsextremistischen Hintergrund bei der Tat machte der Sprecher nicht.

Spezialeinheiten hatten den Mann am frühen Samstagmorgen in Kassel gefasst, er sitzt seit Sonntag unter Mordverdacht in Untersuchungshaft. Er soll nach Angaben aus Sicherheitskreisen zumindest in der Vergangenheit Verbindungen in die rechtsextreme Szene gehabt haben. Darüber hatten auch mehrere Medien berichtet. Das genaue Motiv für die Tat ist aber weiterhin unklar.

Bedroht wegen Haltung zu Geflüchteten

Der 65-jährige Lübcke, der als Regierungspräsident der deutschen Stadt Kassel (Nordhessen) eine Art Mittelbehörde zwischen dem Land und den Kommunen leitete, war in der Nacht zum 2. Juni gegen 0.30 Uhr auf der Terrasse seines Wohnhauses im Ort Wolfhagen-Istha entdeckt worden. Er hatte eine Schussverletzung am Kopf und starb wenig später im Krankenhaus. Seither ermittelt eine mittlerweile 50-köpfige Sonderkommission. Nach dem Ergebnis der rechtsmedizinischen Untersuchung starb Lübcke an einem Schuss aus kurzer Distanz.

Der Regierungspräsident war in der Vergangenheit wegen seiner Haltung zu Flüchtlingen bedroht worden. Er hatte sich 2015 auf einer Informationsveranstaltung gegen Schmährufe gewehrt und gesagt, wer gewisse Werte des Zusammenlebens nicht teile, könne das Land verlassen.

Nach dem Tod Lübckes hatten hasserfüllte und hämische Reaktionen aus der rechten Szene im Internet für Empörung gesorgt. Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte, wie sich manche in sozialen Netzwerken geradezu hermachten über dessen Tod, das sei «zynisch, geschmacklos, abscheulich, in jeder Hinsicht widerwärtig».

Hoffnung auf schnelle Aufklärung

Die deutsche Regierung und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hofften nun, dass so schnell wie möglich geklärt werde, wer Lübcke warum erschossen habe, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. «Davon abgesehen kann man dem Bundespräsidenten nur zustimmen, der neulich sagte, dass die zahlreichen rechtsextremistischen Hasskommentare im Netz nach dem Tod von Herrn Lübcke abstossend und widerwärtig waren». Grüne, FDP und Linke im Bundestag forderten eine Sondersitzung des Innenausschusses.

Zu den Gründen für die Übernahme der Ermittlungen wollte sich die Sprecherin der Bundesanwaltschaft nicht äussern. Der Generalbundesanwalt verfolgt Taten terroristischer Vereinigungen. Ermittlungen gegen Einzeltäter kann er aber dann übernehmen, wenn dem Fall wegen des Ausmasses der Rechtsverletzung und den Auswirkungen der Tat «besondere Bedeutung» zukommt.

Die «Süddeutsche Zeitung» schrieb unter Berufung auf Ermittlerkreise, da man nicht ausschliessen könne, dass eine rechtsextreme Bande am Werk sei, sei Karlsruhe der richtige Ort. «Wir haben aus den Fällen NSU und Amri gelernt», wurde ein Ermittler zitiert. Im Fall der rechtsextremen Terrorzelle NSU und im Fall des islamistischen Attentäters vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri, waren die Ermittlungen erst zu einem späten Zeitpunkt von der Bundesanwaltschaft übernommen worden.

DNA-Spur führt zum Verdacht

Die Festnahme des Verdächtigen in Kassel geht nach Angaben der hessischen Ermittler auf eine DNA-Spur zurück, die zu einem Treffer in einer Datenbank führte. Laut «Süddeutscher Zeitung» liegen über den 45-Jährigen polizeiliche Erkenntnisse über Landfriedensbruch, Körperverletzung und Waffenbesitz vor.

Nach Informationen des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» soll der Mann zumindest in der Vergangenheit im Umfeld der hessischen NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands) aktiv gewesen sein. Vor zehn Jahren war er demnach auch an Angriffen von Rechtsradikalen auf eine Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes am 1. Mai 2009 in Dortmund beteiligt. Er sei damals wegen Landfriedensbruchs zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Seither sei er nicht mehr als extremistisch aufgefallen, berichtete der «Spiegel» unter Berufung auf Sicherheitskreise.

Lübcke hinterlässt eine Frau und zwei erwachsene Kinder. Am Samstag – dem Tag der Festnahme des Tatverdächtigen – war der 65-Jährige in seinem Heimatort in Nordhessen beigesetzt worden.

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