Drohnen im Krieg «Kultur der gezielten Tötung» – oder: Die Mär vom sauberen Mord

Von Philipp Dahm

20.1.2020

Französische Soldaten bestücken im Dezember 2019 in Niger eine «Reaper»-Drohne mit einer Rakete. 
Französische Soldaten bestücken im Dezember 2019 in Niger eine «Reaper»-Drohne mit einer Rakete. 
Bild: Keystone

Dass Drohnen Menschen wie kürzlich Qassem Soleimani liquidieren, ist laut einer Studie mittlerweile Normalität geworden. Schuld daran seien Geheimhaltung, Propaganda – und die Medien.

Sogenannte gezielte Tötungen durch Drohnen wie im Fall des iranischen Generals Qassem Soleimani sind zur Normalität geworden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Organisation Drone Wars, die solche Angriffe und die Reaktionen zwischen 2015 und 2018 ausgewertet hat.

«Es ist unbestreitbar, dass Drohnen eine Kultur der gezielte Tötung ermöglicht und normalisiert hat», bilanziert Drone-Wars-Chef Chris Cole im Gespräch mit dem britischen «Guardian». Diese Kultur habe «internationale Rechtsnormen untergraben und die Welt gefährlicher gemacht».

Dass Meldungen wie jene vom Februar 2017 über eine britische Todesliste für Drohnen-Einsätze nicht mehr Aufsehen erregen, hat laut Studie drei Gründe. Zum ersten sorge die offizielle Geheimhaltung dafür, dass die Aktionen mitunter gar nicht ans Licht kämen.

Drohnenbilder vom Krieg

Würden diese aber doch verraten oder bewusst öffentlich gemacht, reagierten die Verantwortlichen darauf mit dem Einsatz von Propaganda, um die Tötung zu rechtfertigen. Dieser zweite Punkt wirke sich auf den dritten Faktor aus: Übernähmen Medien diesen Sprachjargon unkritisch, förderten sie die allgemeine Gleichgültigkeit gegenüber dem Thema.

Dabei gäbe es genug Stoff für Diskussionen über derlei Attacken, die juristisch gesehen auf tönernen Füssen stehen. Vereinfacht gesagt sind gezielte Tötungen nur dann legal, wenn ein Staat sich gegen eine Gefahr, unmittelbar bevorsteht, wehrt. Das Problem: In der Praxis ist es eine Auslegungssache, was als gefährlich oder dringlich interpretiert wird.

Mehr Drohnen, mehr Einsätze

Eine Studie aus dem vergangenen Jahr wiederum hat ergeben, dass 95 von 101 untersuchten Staaten Drohnen im Arsenal hat: 2010 waren es noch 60 Länder. Die Geräte kommen aus den USA, Israel und China und sind derzeit besonders im Nahen Osten im Einsatz: Gerade erst hat ein Drohnenangriff wohl von Huthi-Rebellen auf eine Moschee im Jemen mindestens 75 Todesopfern gefordert.

Paris Air Show 2019

Und das Pentagon schickt immer mehr Drohnen in den Kampfeinsatz: Zwischen 2001 und 2009 unter George W. Bush gab es nach Schätzung des Bureau of Investigative Journalism 51 Drohnenangriffe. Unter Barack Obama bis 2016 schnellte die Zahl dann auf 1’878 Attacken hoch, und Donald Trump soll alleine in den ersten beiden Jahren seiner Präsidentschaft 2'243 Einsätze angeordnet haben.  

Doch selbst wenn eine breite Diskussion um die Todes-Drohnen in Gang käme, wäre da ein Haken: Kaum einer weiss, wie viele Opfer die Maschinen fordern – und dabei geht es nicht nur um die Ziele der Militärs, sondern vor allem um die sogenannten Kollateralschäden. Das Wort, das ungewollte Opfer und Begleiterscheinungen eines Kampfes beschreibt, rückte erst 1999 durch den Kosovokrieg wirklich ins öffentliche Bewusstsein.

Statistiken unter Verschluss

In den Vereinigten Staaten regt sich mittlerweile Widerstand gegen diese Politik des Schweigens: «Die USA verschweigen nicht nur, wen sie töten und warum», kritisiert Daphne Eviatar von Amnesty International in «Th­e Hill». «Wir wissen auch nicht, ob [sie] Berichten über tote Zivilisten ernsthaft nachgehen. Und im Ergebnis wissen wir auch nicht, ob [sie] lernen, wie man Zivilisten beim nächsten US-Angriff besser schützt.»

Die Vorteile der Drohnen liegen auf der Hand: Bei einem Abschuss kommt kein Mensch zu Schaden. In der Folge muss somit auch nicht für viel Geld ein neuer Pilot trainiert werden. Überhaupt ist der der Personalbedarf geringer, und die Einsatzzeiten können fast beliebig ausgeweitet werden.

Eine «Predator»-Drohne im Einsatz.

Vor allem können die Drohnen-Piloten nach einer Mission in häufig Tausenden Kilometern Entfernung zuhause mit der Familie statt mit den Kameraden im Krisengebiet zu Tisch sitzen. Den Krieg von der Heimat aus zu führen, hat jedoch auch Nachteile. 

Schon 2013 hielt eine Studie fest, dass Drohnenführer ähnlich oft am Posttraumatischem Stresssyndrom leiden wie die Kameraden von der Army oder Navy. Sie bilden sogar eine besondere Form aus, die «Sniper Syndrom» oder «Gulf War Syndrom» heisst.

Moralschaden – das Sniper Syndrom 

Das Scharfschützen-Syndrom beschreibt die «moralische Verletzung» durch die Tötung eines Menschen, der wegen der Entfernung keine unmittelbare Gefahr für den Schützen darstellt. Für Drohnenpiloten trifft das noch mehr zu, weil sie oft besonders nahe am Opfer dran sind. Vor allem wenn sie das Ziel zuvor tagelang beobachten, können sie eine Beziehung zu der Person aufbauen, in deren Alltag sie eintauchen, konstatiert der US-Sender «ABC».

Moderne europäische Waffen am Fête de la Fédération 2019

Dann kommt auch beim «Jackpot» keine Freude auf, wie man eine erfolgreiche Tötung eines Ziels in deren Kreisen nennt.

Oft genug gibt es auch einen «Touchdown«. Das bedeutet, dass das Handy der Zielperson, das beim Abfeuern anvisiert wurde, ausgeschaltet worden ist. Verfehlt die Munition ihr Ziel, tötet aber andere, sprechen die Drohnen-Piloten vom EKIA – enemy killed in action.

Letzeres kommt nicht gerade selten vor: «The Intercept» schätzt, dass neun von zehn Drohnenopfern gar nicht Ziel des Angriffs waren. Von Kollateralschäden kann man dann allerdings nicht mehr sprechen.

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