Endgültiger Abzug Bis zum 11. September wollen die USA raus aus Afghanistan

Von Lukas Meyer

14.4.2021

20 Jahre nach 9/11 soll der letzte Soldat Afghanistan verlassen. Die Entscheidung von Präsident Joe Biden stösst im eigenen Lager auf Zustimmung und bei den Republikanern auf Kritik.

Von Lukas Meyer

Es ist der längste Krieg, den die USA je geführt haben: Vor 20 Jahren griffen die USA unter George W. Bush Afghanistan an und konnten die regierenden Taliban schnell vertreiben. 2,3 Billionen US-Dollar setzten die USA ein, fast 2400 ihrer Soldaten verloren ihr Leben. Stabil war die Lage aber nie, und in den letzten Jahren gewannen die radikalislamischen Taliban wieder an Macht.

Jeder Präsident seit Bush wollte den Krieg beenden. Donald Trump hatte mit den Taliban vereinbart, bis 1. Mai alle internationalen Truppen abzuziehen. Nun hat Joe Biden angekündigt, dass der Abzug bald beginnen soll und bis spätestens 11. September alle US-Truppen aus Afghanisten raus sind. Heute will er sich dazu äussern.

Der Abzug ist an keine Bedingungen geknüpft. Durch die Verschiebung des Abzugs soll sichergestellt werden, dass die internationalen Truppen nicht gefährdet werden. Momentan sind rund 3000 Soldaten aus den USA sowie 7000 Soldaten aus anderen Nato-Ländern und Partnernationen in Afghanistan, um die demokratisch gewählte Regierung durch die Ausbildung und Beratung von Sicherheitskräften zu unterstützen.

Friedensgespräche bisher erfolglos

Die Lage in Afghanistan ist fragil. Als Horrorszenario gilt, dass die Taliban nach einem Abzug mit Waffengewalt die Macht in Afghanistan übernehmen und erneut einen Gottesstaat errichten. Zudem dürfte es dann zu Rückschritten bei Frauenrechten und Meinungs- und Medienfreiheit kommen. Die afghanischen Sicherheitskräfte sind zwar stärker als auch schon, sie sind nach Ansicht von Experten aber allerhöchstens in der Lage, ihre Positionen zu halten. Die USA wollen sich in Zukunft mit der internationalen Gemeinschaft durch «diplomatische, humanitäre und wirtschaftliche Massnahmen» den Frieden schützen.

Seit September laufen Friedensgespräche zwischen der Regierung  und den Taliban. Die USA versuchen, den Prozess zu beschleunigen, unter anderem mit der Afghanistan-Konferenz in Istanbul, die am 24. April beginnen soll. Als Reaktion auf die neuen Pläne der USA schlossen die Taliban am Dienstag ihre Teilnahme an der Konferenz aber aus. Sie erklärten, an solchen Treffen erst nach einem vollständigen Abzug der internationalen Truppen teilzunehmen.



Die Reaktionen in den USA sind gemischt. Die Demokraten begrüssen den Entscheid von Joe Biden mehrheitlich. Senator Tim Kaine sagte in einem Statement, die Angreifer von 9/11 seien besiegt worden: «Es ist an der Zeit, unsere Truppen nach Hause zu bringen.» Man müsse auf sich den neuen Herausforderungen für die nationale Sicherheit der USA stellen.

Bei den Republikanern stösst der Entscheid mehrheitlich auf Kritik. Der einflussreiche Anführer der Partei im Senat, Mitch McConnell spricht von einem «schweren Fehler». Er warnt vor einem überstürzten Abzug und vor Bildern wie bei der Flucht der USA aus Saigon zum Ende des Vietnam-Krieges. Der Feind sei noch nicht besiegt.

Auch Senator Jim Inhofe bezeichnete den Entscheid als «gefährlich» und «unverantwortlich». Ein Rückzug müsse auf jeden Fall an Bedingungen geknüpft werden. Die Republikaner hatten auch die Abzugspläne von Donald Trump scharf kritisiert.

Neue Prioritäten in Aussenpolitik

Experten warnen, dass Afghanistan bei einem verfrühten Abzug wieder in einen Bürgerkrieg abgleiten könnte. Doch Biden setzt neue Prioritäten in der Aussenpolitik: Er will die Beziehung zu Europa stärken und geht auf Konfrontation mit Russland und China. Die US-Regierung argumentiert, das Ziel, dass Afghanistan Terroristen nicht mehr als Zufluchtsort diene, sei erreicht worden. Die gefühlte Bedrohungslage habe sich für die Amerikaner entspannt, und islamistische Terroristen werden in anderen Gegenden bekämpft, meint der «Spiegel».

Und das Datum? Die Anschläge in New York am 11. September 2001 waren der Auslöser für den Krieg. George W. Bush griff im Oktober mit Unterstützung der Nato Afghanistan an, wo die Urheber der Anschläge sassen. Biden habe das Datum gewählt, um die Zäsur in der US-Aussenpolitik deutlich zu machen, meint der «Spiegel».

EIn US-Marine bei einem Kommando-Einsatz im Juli 2009 in Afghanistan. (Archiv)
EIn US-Marine bei einem Kommando-Einsatz im Juli 2009 in Afghanistan. (Archiv)
Bild: Getty Images