Lagebild Ukraine Die Russen brechen durch, aber auch ein

Von Philipp Dahm

10.2.2023

Russland startet wieder massive Luftangriffe

Russland startet wieder massive Luftangriffe

Russland hat in der Nacht zu Freitag erneut massive Angriffe auf die kritische Infrastruktur in der Ukraine gestartet. Allein in der südöstlichen Stadt Saporischschja seien innerhalb einer Stunde mindestens 17 Raketen eingeschlagen, wie die Behörden mitteilten. Es sei der schwerste Luftangriff auf Saporischschja seit Beginn der russischen Invasion vor knapp einem Jahr gewesen.

10.02.2023

Der russische Grossangriff ist im Gange: Während Putins Armee im Norden bei Bachmut die ukrainische Verteidigung durchbricht, läuft sie im Süden bei Wuhledar gegen eine Wand. Die Verluste sind hoch.

Von Philipp Dahm

Die erwartete russische Grossoffensive hat begonnen. Auf ganzer Front macht Wladimir Putins Armee Druck: Ziel ist es, die Verteidiger so zu schwächen, dass diese ihre taktischen Reserven aus dem Hinterland an die betreffenden Frontabschnitte schicken müssen.

Anschliessend muss die Verteidigungslinie irgendwo durchbrochen werden. Das hat auch bereits geklappt. Die ukrainische Armee muss dagegen den Angreifern möglichst viel Schaden bei möglichst wenig eigenen Verlusten zufügen. Auch das hat funktioniert.

Um den Donbass noch in diesem Februar ganz einzunehmen, hat der Kreml einiges aufgefahren: «Foreign Policy» berichtet von 1800 Panzern, 3950 gepanzerten Fahrzeugen, 2700 Artillerie-Systemen, 810 Raketenwerfern, 400 Kampfjets, 300 Helikoptern und knapp 200'000 Soldaten, die an der Offensive teilnehmen. Kiew geht von 300'000 Gegnern aus, die sich im Land befinden.

Der Kreis schliesst sich: Durchbruch nördlich von Bachmut

Auch die Logistik der Truppen ist verbessert. Sie sei zwar «schon immer ein Schwachpunkt gewesen», schätzt Bundeswehr-Oberst Andreas Schreiber die Lage ein. «Allerdings haben die Russen gelernt, viele ihrer ursprünglichen Probleme mittlerweile so weit in den Griff zu bekommen, dass die Versorgung halbwegs sichergestellt ist.»

Front in der Nord-Ukraine: Kupjansk und der Oskil als russische Ziellnie. Die Karte ist vom 8. Februar.
Front in der Nord-Ukraine: Kupjansk und der Oskil als russische Ziellnie. Die Karte ist vom 8. Februar.
Karte: Militaryland

Und so rücken nun russische Truppen überall vor: Im Norden auf die Schlüsselstadt Kupjansk, nach Süden bei Swatowe drücken sie westlich gegen den Fluss Oskil – und von Kreminna her stossen sie auf die wichtige Stadt Lyman und südlich in den Wald vor.

Auch diese Karte ist vom 8. Februar und veranschaulicht, wie Bachmut bereits vor zwei Tagen unter enormen Druck stand.
Auch diese Karte ist vom 8. Februar und veranschaulicht, wie Bachmut bereits vor zwei Tagen unter enormen Druck stand.
Militaryland

Dort versperren nur noch ukrainische Infanterie in den Wäldern und der Ort Bilohoriwka den Weg nach Siwersk, dem nächsten Versorgungszentrum. Wieder weiter südlich in der Schnittstelle zwischen Siwersk und Bachmut kann die russische Offensive dann auch den ersten Durchbruch vermelden.

Ob die russischen Kräfte die neu gewonnene Stellung halten können oder nicht: Der Kreis um Bachmut herum schliesst sich weiter, weil die russische Armee im Süden langsam aber sicher Gelände gewinnt.

Verheerende russische Niederlage bei Wuhledar

Angeblich sind nur noch rund 10'000 ukrainische Soldaten in Bachmut, während die restlichen Truppen sich nach Tschassiw Jar zurückziehen, solange die Verbindung noch offen ist. Weiter südlich an der Front bleibt Awdiwka weiterhin ebenso in Moskaus Fokus wie Wuhledar.

Dort jedoch hat Putin einen herben Verlust zu beklagen – wie schon am 3. Februar. Schon damals haben sich die Angreifer an der Verteidigung die Zähne ausgebissen – siehe obige Bildergalerie.

Nun haben sie es erneut versucht. Obwohl der russischen Seite klar gewesen sein muss, dass die Felder westlich der Stadt vermint sind, werden erneut Panzer geschickt. Ein weiterer Einsatz von Himars-Artillerie endet in einem extrem verlustreichen Einsatz, bei dem die russische Seite mindestens 50 Mann und 30 Fahrzeuge verloren hat – 13 davon Panzer.

Trotz der Verluste ist die nächste russische Offensive nur eine Frage der Zeit: Wuhledar liegt erhöht und bedroht die einzige von Russland gehaltene Eisenbahnlinie zwischen der Krim und dem Donbass, die nur 20 Kilometer südlich der Kleinstadt liegt. Ausserdem liegt Wuhledar an der Verbindungsstrasse Richtung Nordosten nach Donezk.

Waffen-Update

Kein taktischer, doch zumindest ein weiterer Propaganda-Erfolg für Kiew ist der Abschuss eines T-14-Armata alias Terminator: Die ukrainische Luftwaffe hat das Video eines zerstörten Exemplars veröffentlicht. Der Kampfpanzer galt einst als einer der gefährlichsten seiner Art, doch der Ruf des T-14 hat zuletzt grossen Schaden genommen – was der aktuelle Abschuss noch bestärken dürfte.

Die Ukraine dagegen verhandelt mit Rheinmetall über die Lieferung eines Panzers, von dem es bisher nur einen Prototyp gibt. Es geht um die erste Neuentwicklung eines westlichen Kampfpanzers seit Jahrzehnten: «Wir reden mit Kiew über den Export des Panthers», sagte Vorstandschef Armin Papperger dem «Handelsblatt». Die Lieferzeit würde allerdings 15 bis 18 Monate betragen.

Russland treibt derweil Pläne voran, eine Fabrik für iranische Drohnen in Jelabuga 600 Kilometer östlich von Moskau zu bauen, berichtet das «Wall Street Journal». Teheran sollen ausserdem erbeutete Waffen aus der Ukraine übergeben werden, um diese nachzubauen.

Die militärische Zusammenarbeit dürfte mit ein Grund dafür sein, dass Israel erwägt, der Ukraine das Luftabwehr-System Iron Dome zu liefern. Moskau reagiert: Diese würden zu «legitimen Zielen», warnt Aussenamts-Sprecherin Marija Sacharowa. Das würde «zu einer Eskalation der Krise» führen, meldet die «Times of Israel».

Tönt bekannt, oder?

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