Permafrost und keine Post Das ist über das Nawalny-Gefängnis «Polarwolf» bekannt

gbi, AFP

26.12.2023

Kremlgegner Alexej Nawalny ist in ein Gefängnis in der Polarregion verlegt worden. (Archivbild)
Kremlgegner Alexej Nawalny ist in ein Gefängnis in der Polarregion verlegt worden. (Archivbild)
Bild: Alexander Zemlianichenko/AP/dpa

Der russische Kreml-Kritiker Alexej Nawalny lebt noch – nach rund 20-tägiger Funkstille meldet er sich aus einem der härtesten Gefängnisse Russlands zu Wort. Was erwartet ihn im hohen Norden?

gbi, AFP

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  • Der russische Oppositionsführer und Kreml-Kritiker Alexej Nawalny wurde in ein Gefängnis in der Polarregion verlegt. Das meldeten seine Mitarbeiter am Montag.
  • Die «Polarwolf» genannte Haftanstalt gilt als eine der härtesten in ganz Russland.
  • Nawalny selbst meldete sich am Dienstag erstmals wieder zu Wort. Es gehe ihm gut, versicherte der 47-Jährige.

Über Wochen fehlte von Alexej Nawalny jede Spur. Jetzt konnten die Angestellten den russischen Oppositionspolitiker ausfindig machen – in einem Gefängnis in der Siedlung Kharp weit im Norden Russlands, wie Nawalnys Sprecherin Kira Yarmysh auf der Plattform X bekannt gab. 

Was ist das für ein Gefängnis?

Die berüchtigte Strafkolonie Nummer drei liegt im hohen Norden von Russland, genauer: in der 5000-Seelen-Ortschaft Charp im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen, mehr als 2000 Kilometer von Moskau entfernt.

Weil das Gefängnis rund 60 Kilometer nördlich des arktischen Polarkreises liegt, ist es auch als «Polarwolf» bekannt.

Gegründet wurde die Haftanstalt in den 1960er-Jahren als Teil der Gulag-Strafanlagen des Sowjetregimes, meldet die Nachrichtenagentur Reuters

Die «Polarwolf»-Anstalt gilt eines der härtesten Gefängnisse Russlands. Die meisten Insassen seien wegen schwerer Verbrechen weggesperrt worden, heisst es im Reuters-Bericht. Die Winter sind streng, die Temperaturen sollen in den kommenden Wochen auf bis zu minus 28 Grad abfallen. 

«Die Bedingungen dort sind brutal», sagte Iwan Schdanow, ein Mitarbeiter von Nawalny. In der Region herrsche Dauerfrost und es sei sehr schwer, dorthin zu gelangen. Zudem würden keine Briefe in das Lager zugestellt.

Gemäss dem im Sommer gegen ihn ergangenen Urteil muss Nawalny seine Strafe in einer Kolonie mit schärferen Haftbedingungen verbringen. Diese sind üblicherweise nur für lebenslänglich Verurteilte und besonders gefährliche Gefangene vorgesehen.

Wie geht es Nawalny?

Alexej Nawalny meldete sich am Dienstag auch wieder persönlich zu Wort. Der Oppositionsführer versichert, dass es ihm «gut» gehe. «Machen Sie sich keine Sorgen um mich. Mir geht es gut. Ich bin total erleichtert, dass ich es endlich geschafft habe», schrieb Nawalny auf dem Onlinedienst X.

Die 20 Tage dauernde Verlegung zu seinem neuen Haftort sei «ziemlich anstrengend» gewesen. Er sei aber «immer noch gut gelaunt, wie es sich für einen Weihnachtsmann gehört», erklärte Nawalny mit Blick auf sein «neues Zuhause» oberhalb des Polarkreises. Während der langen Reise sei ihm ausserdem ein Bart gewachsen. Ein Bild von ihm gab es zunächst nicht.

Ausser einer schneebedeckten und als Hof genutzten Nachbarzelle und einem Zaun vor seinem Fenster habe er bislang wenig von seiner Umgebung gesehen. «Leider gibt es keine Rentiere, aber es gibt riesige, flauschige und sehr schöne Schäferhunde», schrieb er.

Nawalny gab an, dass er am Samstagabend in der neuen Strafkolonie angekommen sei. Die Reiseroute sei «so seltsam» gewesen, dass er nicht damit gerechnet habe, von seinen Angehörigen vor Mitte Januar gefunden zu werden. «Deshalb war ich überrascht, als sich gestern die Zellentür öffnete und man mir sagte: ‹Ein Anwalt ist für dich da›», schrieb er. Für die ihm entgegengebrachte Unterstützung sei er sehr dankbar.

Was sagen die russischen Behörden?

Vom Strafvollzug oder anderen russischen Behörden gab es zunächst keinen Kommentar zu den Berichten über den Aufenthaltsort von Nawalny. Der Kreml-Kritiker sitzt eine 19-jährige Haftstrafe wegen angeblich extremistischer Tätigkeiten ab. Zuletzt war er im Straflager IK-6 nahe von Moskau inhaftiert gewesen. Seit Anfang Dezember war der 47-Jährige verschollen, weshalb sein Team davon ausging, dass er verlegt wurde. 

Wieso wurde Nawalny in die Polarregion gebracht?

Nawalnys Team als auch unabhängige Beobachter*innen gehen davon aus, dass der Kreml-Kritiker isoliert werden soll.

Es sei von Anfang an klar gewesen, dass Moskaus Machtapparat den Gegner von Präsident Wladimir Putin vor der Präsidentenwahl am 17. März isolieren wolle, kritisierte etwa Nawalnys Mitarbeiter Iwan Schdanow.

Eine Ansicht, die auch der Russland-Korrespondent der NZZ, Markus Ackeret, teilt: Einerseits solle der Kreml-Kritiker durch das harte Regime gebrochen werden, andererseits von der Aussenwelt abgeschnitten. «Das war eines der Hauptziele seiner Verurteilung 2021. Das ist aus Sicht der Behörden nicht so ganz gelungen», sagte der Russland-Kenner zu SRF.

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