LungenkrankheitCoronavirus lässt weltweiten Tourismus einbrechen – weitere Tote in China
Dee-Ann Durbin, AP/Agenturen
7.2.2020
Stornierungen, Ausfälle, Milliardenverluste: Das Coronavirus stürzt die globale Reisebranche in eine Krise. In China steigt die Zahl der Toten auf über 600. Die Art Basel in Hongkong wird abgesagt.
Eigentlich sollte es ein gutes Jahr werden für den weltweiten Tourismus. Handelskonflikte lösen sich langsam, bestimmte Volkswirtschaften wachsen, und Grossereignisse wie die Olympischen Sommerspiele in Tokio locken. Doch der Ausbruch des Coronavirus' in China hat die Reiseindustrie ins Chaos gestürzt. Der Branche drohen milliardenschwere Verluste, da Millionen Urlauber lieber zuhause bleiben.
Eine von ihnen ist die Amerikanerin Gabrielle Autry, die in China lebt. Sie wollte eigentlich in dieser Woche nach Hongkong reisen, um sich mit ihrem chinesischen Freund zu verloben. Doch die Pläne liegen auf Eis, und das Paar sitzt in seiner Wohnung in Hangzhou fest, acht Stunden mit dem Auto entfernt von Zentrum des Ausbruchs in Wuhan.
«Wir sind dankbar, dass wir gesund und hier zusammen sind», sagt Autry. Wann sie und ihr Freund die Reise nach Hongkong nachholen können, weiss sie noch nicht.
Die Volksrepublik hat Zehntausende Fälle von Coronavirus-Infektionen gemeldet, die Zahl der Toten stieg bis Donnerstag auf 636. Die Gesamtzahl der Fälle erreichte am Freitag landesweit 31'161. Zusätzlich sind weiter mehr als 26'000 Verdachtsfälle registriert. Ausserhalb Festland-Chinas wurden in mehr als zwei Dutzend Ländern mehr als 270 Infektionen und zwei Todesfälle bestätigt. In Deutschland wurde am Vortag ein 13. Fall nachgewiesen.
Leere Hotelzimmer in China
Insgesamt 30 Fluggesellschaften haben ihre Verbindungen nach China eingestellt. Allein in dieser Woche wurden 25 000 Flüge abgesagt. Die meisten Hotelzimmer in China stehen leer, die Auslastung brach nach Branchenangaben in den letzten zwei Wochen des Januars um 75 Prozent ein. Auf zwei Kreuzfahrtschiffen in Japan und Hongkong hängen mehr als 7000 Passagiere fest.
An Bord des unter Quarantäne gestellten Kreuzfahrtschiffes Princess Diamond in Japan sind weitere 41 Fälle des neuen Coronavirus festgestellt worden. Das gab das japanische Gesundheitsministerium am Freitag bekannt. Damit erhöht sich die Zahl der Infizierten an Bord des Schiffes auf 61. Die Betroffenen würden in Krankenhäuser gebracht, berichteten örtliche Medien weiter. Die übrigen der insgesamt 2666 Passagiere, etwa die Hälfte davon Japaner, sowie 1045 Crew-Mitglieder sollen vorerst bis zum 19. Februar an Bord bleiben, da die Untersuchungen auf den Erreger weitergehen.
Am Donnerstag wurde die Art Basel Hong Kong, eine der renommiertesten Kunstmessen Asiens, abgesagt. Verschiedene Faktoren, die «alle eine Folge der Verbreitung des Coronavirus» seien, hätten zu dieser Entscheidung geführt, teilte der Veranstalter MCH Group mit. Darunter seien die Sorge um die Gesundheit und Sicherheit der an der Messe Beschäftigten und der Besucherinnen und Besucher und die «grossen logistischen Herausforderungen» beim Transport der Kunstwerke und beim Aufbau der Messe. Die Kunstmesse sollte vom 19. bis 21. März 2020 stattfinden.
Keine Alternative für Art Basel Hong Kong
«Der Entscheid, die Art Basel Hong Kong abzusagen, war für uns sehr schwierig», sagte Bernd Stadlwieser, CEO der MCH Group, laut Mitteilung. «Wir haben alle möglichen Optionen geprüft – einschliesslich einer Verschiebung der Messe – sowie Ratschläge und Perspektiven von vielen Galeristen, Partnern und externen Experten eingeholt. Wir haben heute jedoch keine andere Möglichkeit als die Messe abzusagen.» Die nächste Ausgabe der Art Basel in Hongkong soll vom 25. bis 27. März 2021 stattfinden.
Vor dem Ausbruch hatte die Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen für den globalen Fremdenverkehr 2020 noch ein Wachstum von drei bis vier Prozent vorhergesagt. Im vergangenen Jahr waren weltweit 1,5 Milliarden Ankünfte von Touristen gezählt worden. Vorteile wie wirtschaftliche Aufschwünge im Nahen Osten und in Lateinamerika überwogen mögliche Nachteile wie die Unsicherheit wegen des Brexits und wegen möglicher anhaltender Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China.
Eine wichtige Grundlage der Prognose war die Aussicht auf eine zunehmende Zahl von Reisenden aus China, deren rapide steigende Einkommen zu einem weltweiten Tourismusboom geführt haben. Im Jahr 2018 unternahmen chinesische Urlauber fast 150 Millionen Reisen ins Ausland und gaben dabei 277 Milliarden Dollar (250 Milliarden Euro) aus. Im Jahr 2002 hatte die Zahl noch bei lediglich 15,4 Milliarden Dollar gelegen.
Am deutlichsten ist der Verlust von Touristen in Asien zu spüren. Die Zeit um das chinesische Neujahrsfest, das in diesem Jahr auf den 25. Januar fiel, ist eine besonders wichtige Reisesaison in China. Der Disney-Konzern rechnet mit möglichen Verlusten bis zu 175 Millionen Dollar, falls seine Parks in Hongkong und Shanghai für zwei Monate geschlossen bleiben müssen.
Thailand erwartet nach Angaben des Tourismusministeriums ein Minus von 9,7 Milliarden chinesischen Urlaubern bis Juni. Arisara Chamsue, die in der Nähe des Grossen Palastes in Bangkok einen Laden betreibt, sagt: «An dem Tag, als wir die Nachricht (von dem Virus) bekommen haben, sind die Touristen weggeblieben. Ich mache nur ein Zehntel oder ein Zwanzigstel meines normalen Umsatzes.»
Auch Besucher aus anderen Teilen der Welt halten sich aus Asien fern. Brian Gyuer aus Bozeman im US-Staat Montana wollte eigentlich in der kommenden Woche zu einem Skiurlaub in Japan aufbrechen. Er und sein Partner sagten die Reise aber ab, weil sie einen 14-stündigen Zwischenstopp in Peking gehabt hätten. Beide waren sich nicht sicher, ob sie danach nach Japan oder wieder in die USA hätten einreisen dürfen.
Andere warten erst einmal ab, darunter der Konzertpianist Julio Elizalde und der Violinist Ray Chen. Beide sind im Mai für eine Konzerttour durch sechs chinesische Städte gebucht. Sie wollen zunächst die weiteren Entwicklungen beobachten, wie Elizalde erzählt. Wenn sich die Lage in den kommenden ein bis zwei Monaten bessere, wollen sie wie geplant auf Tour gehen.
Für die Fluggesellschaften fallen die Stornierungen in jedem Fall stark ins Gewicht. US-Airlines werden wegen der Ausfälle bei Verbindungen von und nach China nach Schätzung von Branchenexperten in diesem Jahr 1,6 Milliarden Dollar verlieren.
Auch Kreuzfahrtgesellschaften bekommen die Krise zu spüren. Etliche Fahrten wurden abgesagt, und viele Anbieter lassen keine Passagiere mehr an Bord, die in den 14 Tagen vor der Abfahrt in China oder Hongkong waren. Das betrifft Tausende Reisende.
Selbst in weiter vom Epidemiegebiet entfernten Zielen macht sich das Fernbleiben chinesischer Touristen bemerkbar. Das ohnehin von den Buschbränden geplagte Australien verhängte gerade ein Einreiseverbot für Besucher aus Festlandchina. Im vergangenen Jahr waren Chinesen die grösste Gruppe ausländischer Touristen in Australien: 1,4 Millionen Urlauber brachten insgesamt 13,4 Milliarden Dollar ins Land.
Der italienischen Tourismusindustrie könnten nach Berechnungen des Umfrageinstituts Demoskopika in diesem Jahr Verluste in Höhe von fünf Milliarden Dollar drohen. In den USA wird bei der Zahl chinesischer Gäste ein Rückgang um 28 Prozent auf etwa zwei Millionen erwartet. Das entspricht einem Ausfall von etwa sechs Milliarden Dollar.
Früher oder später wird sich der Tourismus erholen, so wie es auch bei Epidemien in der Vergangenheit wie der Infektionskrankheit SARS im Jahr 2003 der Fall war. Die Erwartungen der Analysten über die Dauer gehen allerdings weit auseinander: Während Experten vom Fachmagazin «Tourism Economics» davon ausgehen, dass die vorherigen Reisezahlen in vier Jahren wieder erreicht sein werden, rechnet der Interessenverband World Travel and Tourism Council mit lediglich 19 Monaten.
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