Late Night USA«Corona wird irgendwann verschwinden, und dann habe ich recht»
Von Philipp Dahm
21.7.2020
Donald Trump hat – mal wieder – ein denkwürdiges Interview gegeben. Obwohl es bei seinem Lieblingssender stattfindet, bekommt der Präsident viel Gegenwind. Das regt den 74-Jährigen «irgendwann» mächtig auf.
«Donald Trump hat ein Interview geführt mit Chris Wallace», führt Trevor Noah in seiner «The Daily Show» ins Thema ein, «dem einzigen Journalisten bei ‹Fox News›, der nicht versucht, der nächste Pressesprecher [von Donald Trump] zu werden.»
Heisst: «Fox» ist zwar der Haus- und Hofsender des US-Präsidenten, doch Chris Wallace ist nicht nur der Sohn der amerikanischen TV-News-Legende Mike Wallace, sondern selbst bereits seit 56 Jahren im Nachrichtenbusiness und ein Vollprofi, der zeigt, «wie man Trump nicht davonkommen lässt mit seinem üblichen Scheiss.»
Zu sehen bekommen wir das direkt nach 27 Sekunden. «Ich glaube, wir haben eine der niedrigsten Todesraten … » Wallace unterbricht: «Das stimmt nicht, Sir! Wir hatten in dieser Woche 900 Tote an einem Tag.» Trump wendet sich an einen Handlanger, verlangt «die Todesrate» und wiederholt dann nochmal, die USA könnten «eine der niedrigsten, vielleicht sogar die niedrigste Todesrate irgendwo auf der Welt» präsentieren.
Kampf der Statistiker
Eine Frau gibt dem 74-Jährigen einen Zettel. «Nummer eins bei niedrigen Todesraten», triumphiert Trump und schickt hinterher: «Ich hoffe, Ihr sendet das, denn es zeigt, worum es bei Fake News geht.» Doch Wallace ist ein Journalist, der seine Hausaufgaben macht. Nach dieser Szene erklärt der 72-Jährige im Off, er habe sich auf Zahlen der Johns-Hopkins-University berufen.
Dort liegen die USA auf dem siebtletzten Platz: Grossbritannien, Mexiko und der Iran weisen bei Coronapatienten demnach eine höhere Sterblichkeit auf, doch Länder wie Brasilien, Indien oder Russland liegen vor den Vereinigten Staaten. Das Team Trump habe dagegen eine Grafik der europäischen Gesundheitsbehörde präsentiert, auf der zwar Spanien und Italien schlechter abschneiden, aber auch hier ist Brasilien oder etwa Südkorea eingezeichnet, die es besser machen – und andere wie Russland fehlen dort komplett.
Trevor Noah wirft ein: «Für mich ist das Witzigste daran, dass Trump nicht nur versucht hat, mit einer Schrott-Grafik zu belegen, dass die USA die beste Sterblichkeitsrate haben, sondern, dass es sogar auf dieser Schrott-Grafik nicht zutrifft.»
Bei Minute 2:11 kommt Trump auf seinen demokratischen Herausforderer zu sprechen. «[Joe] Biden will der Polizei das Geld entziehen», behauptet Trump. «Sir, das tut er nicht», widerspricht Wallace. «Schauen Sie, er hat eine Charta mit Bernie Sanders ausgearbeitet – ich werde eine besorgen, ich hatte auch recht bei der Sterblichkeitsrate. Haben Sie sie gelesen?» Wallace: «Dort steht nichts [derartiges].» Trump: «Biden sagt: ‹Kürzt der Polizei die Mittel.› Sie reden davon, die Polizei abzuschaffen. Sie reden davon, illegale Immigranten fliessen … »
Wer hat Angst vor Joe Biden?
Das Interview wird kurz ausgeblendet, und Wallace erzählt, das Weisse Haus habe keine Beweise nachgereicht, die belegen würden, dass in der Biden-Sanders-Charta derartige Forderungen erhoben werden. Der «Fox»-Moderator endet klar mit: «Denn es gibt keine.» «Oh Mann», kommentiert Noah, egal wie oft ich es gucke: Es ist unbezahlbar, zu sehen, wie Trump wild mit den Armen rudert und versucht Fakten für Dinge zu finden, die er gerade erfunden hat.»
Sein Gehirn vermische einfach das, was er gelesen habe. «Er hat sicher mitbekommen, dass Biden die Internierung von Einwanderern abschaffen will, und er hat auch gelesen, dass Biden eine Polizeireform will.» Daraus mache der Präsident dann «Biden will die Polizei abschaffen.» Und Wallace sei ein grossartiger Journalist, müsse aber ein anstrengender Vater sein, überlegt der Late-Night-Host.
Wetten, Sie wären zu doof?
Das Highlight des Interviews ist jedoch der Teil ab Minute 4:22, in dem Trump über seine angeblich so herausragenden Ergebnisse bei einem Test seiner kognitiven Fähigkeiten reden will. «Lassen Sie uns jetzt gleich einen Test machen, gibt Trump sich angriffslustig. «Joe und ich machen einen Test, lassen Sie ihn denselben Test machen, den ich gemacht habe.»
Wallace kontert: «Ich habe den Test auch gemacht, als ich gehört habe, dass Sie ihn bestanden haben. Es ist nicht der schwerste Test. Da gibt es ein Bild von einem Elefanten und die Frage ‹Was ist das?›» Trump wehrt sich: «Das ist alles eine falsche Darstellung.» Wallace: «Nun, das ist das, was im Internet ist.» Trump: «Das ist alles eine falsche Darstellung. Ja, die ersten paar Fragen sind einfach, aber ich wette, die letzten fünf Fragen könnten Sie gar nicht beantworten. Ich wette, Sie könnten es nicht, die letzten Fragen sind sehr schwer.»
Wallace lässt sich nicht einschüchtern: «Nun ja, eine Frage war, von 100 immer wieder sieben zu subtrahieren.» Trump wird es zu bunt. «Lassen Sie mich Ihnen sagen: Sie könnten viele der Fragen nicht beantworten. Und ich garantiere Ihnen, dass Joe Biden die Fragen nicht beantworten könnte. Und ich habe alle 35 Fragen richtig beantwortet.»
«Wunderschöne Weltkriege»
Eine Szene, die Mitleid erregt, findet Trevor Noah: «Trump versucht so sehr, sich als Genie darzustellen, weil er den Test bestanden hat, bei dem man einen Elefanten identifizieren musste.» Schwer wäre es für ihn gewesen, seine zweite Tochter auf einem Foto wiederzuerkennen.
Ab Minute 6:36 geht es um Kasernen, die nach Konförderierten-Generälen benannt sind. «Wir haben zwei Weltkriege gewonnen, wunderschöne Weltkriege. Jetzt wollen sie diese Namen einfach über Bord werfen. Wonach sollen wir [die Kasernen] benennen? Sollen wir sie nach Priester Al Sharpton benennen?»
Der 65-jährige Geistliche setzt sich als schwarzer Aktivist für Bürgerrechte ein: «Es gibt einen weiten Spielraum zwischen Konförderierten-Namen und dem von Al Sharpton», ärgert sich Noah. Was ihn ausserdem wütend macht: Es sei zwar schön, den Präsidenten einmal in der Mangel eines Journalisten zu sehen, aber «irgendwann» wird der Republikaner ja eh wieder recht haben.
«Und ich werde recht haben irgendwann»
Ab Minute 8:40 wird klar, was gemeint ist: Trump redet über den Immunologen Anthony Fauci, der gesagt habe, die Pandemie würde vorbeigehen. «Er lag daneben», sagt er grimmig – und lässt dabei übrigens dezent unter den Tisch fallen, dass zu Beginn der Coronakrise Fauci vor dem Virus gewarnt und Trump die Gefahr runtergespielt hat.» Wallace entgegnet: «Aber Sie haben auch Fehler gemacht.»
Late Night USA – Amerika verstehen
50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.
Er spielt einen Clip vom 1. Juli ein, in dem der Republikaner sagt: «Ich denke, wir werden sehr gut mit dem Coronavirus umgehen und es wird der Punkt kommen, an dem er einfach verschwindet, hoffe ich.» Und wie reagiert der Präsident, als er auf seine alte Aussage angesprochen wird?
Nonchalant: «Und ich werde recht haben irgendwann. Wie ich sagte, und ich sage es nochmal: Es wird verschwinden und dann habe ich recht.» Es sei für den Mann aus dem Weissen Haus eben wichtiger, sagen zu können, dass er recht hat als wirklich recht zu haben, schliesst Noah den Monolog der «Daily Show».