Coronavirus — Brasilien Bolsonaro wird zur Bedrohung für Brasiliens Nachbarländer

dpa/tpfi

1.5.2020

Der Umgang mit Coronavirus durch Brasiliens Präsident Bolsonaro bereitet Nachbarländern zunehmend Sorge.
Der Umgang mit Coronavirus durch Brasiliens Präsident Bolsonaro bereitet Nachbarländern zunehmend Sorge.
Keystone

Während viele Länder in Südamerika teils drastische Massnahmen im Kampf gegen das Coronavirus verhängt haben, gibt sich der brasilianische Präsident Bolsonaro betont gelassen. Die Nachbarländer werden dadurch umso nervöser.

Ungeachtet der Ausbreitung des Coronavirus in seinem Land spöttelt der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro weiter über die Ernsthaftigkeit der Bedrohung durch Covid-19. Es gibt praktisch keine Quarantäne oder Ausgangsbeschränkungen, die Grenzen zu den Nachbarländern bleiben offen. Dort wächst deswegen die Sorge, dass Bauarbeiter, Lastwagenfahrer oder Touristen aus Brasilien die Krankheit verbreiten. Damit würden sie die Bemühungen der örtlichen Behörden zur Eindämmung des Virus zunichtemachen.

Brasilien ist mit 211 Millionen Einwohnern die bevölkerungsreichste und grösste Nation Südamerikas und hat mit nahezu jedem anderen Land auf dem Kontinent gemeinsame Grenzen. Bislang wurden laut Johns Hopkins Universität rund 80'000 Fälle in Brasilien erfasst, mehr als 5'000 Todesfälle werden in Zusammenhang mit Covid-19 gebracht. Damit liegt Brasilien weit über den Zahlen seiner Nachbarn. Und das tatsächliche Ausmass ist wahrscheinlich noch grösser, weil nur begrenzt getestet wird.

Zahlt der Toten steigt dramatisch

Diese Woche überholte Brasilien mit der Zahl der Toten China, wo das Virus seinen Anfang genommen hatte. «Na und?», fragte der rechtspopulistische Bolsonaro, als er mit dieser Tatsache von Journalisten konfrontiert wurde. «Tut mir leid, aber was wollt Ihr, dass ich unternehme?»

In Paraguay haben Soldaten als Massnahme gegen das Virus einen knapp 250 Meter langen Graben entlang der Hauptstrasse gegraben, die von der brasilianischen Stadt Punta Porá nach Pedro Juan Caballero führt. Damit soll verhindert werden, dass Menschen aus Brasilien einfach von der Strasse in die Stadt gelangen.

Nachbarländer schotten sich ab

Bereits am 24. März hatte das Land seine Grenzen geschlossen und vor allem an der Grenze zu Brasilien die Kontrollen verstärkt. Bislang wurde in Paraguay bei rund 250 Menschen das Virus nachgewiesen.

In Argentinien bereitet vor allem der Lastwagen-Verkehr mit Brasilien Kopfzerbrechen, schliesslich ist das der wichtigste Handelspartner. In den Grenzprovinzen werden gerade sichere Korridore für die brasilianischen Lkw-Fahrer errichtet, in denen sie Zugang zu Waschräumen haben, Lebensmittel erhalten und ihre Ware abliefern können, ohne in Kontakt mit Argentiniern zu kommen.

«Ein grosser Teil des Verkehrs kommt aus São Paulo, wo die Infektionsrate extrem hoch ist», sagte der argentinische Präsident Alberto Fernández kürzlich. «Es sieht nicht so aus, als würde die brasilianische Regierung das mit der gebotenen Ernsthaftigkeit behandeln. Das beunruhigt mich ziemlich, sowohl für das brasilianische Volk, aber auch weil das (Virus) dann nach Argentinien getragen werden kann.»

Einer von bislang acht bekannten Fällen im argentinischen Staat Misiones war der eines 61 Jahre alten Lkw-Fahrers, der sich mit dem Virus offensichtlich in São Paulo infiziert hatte. Bevor er in Argentinien starb, hatte er noch seine Frau angesteckt. In dem Land sind bislang rund 4'000 Fälle bekannt, dazu mehr als 200 Tote im Zusammenhang mit Covid-19, wie die Johns Hopkins Universität berechnet hat.

Auch die Behörden in Kolumbien sind beunruhigt, wie Epidemiologe Julián Fernandez Niño von der Nationalen Universität in der Hauptstadt Bogotá berichtet. «In einer globalisierten Welt kann die Antwort auf eine Pandemie nicht geschlossene Grenzen heissen», sagt er. «Brasilien hat grosse wissenschaftliche und wirtschaftliche Möglichkeiten. Aber offensichtlich verfolgt die Führung dort eine unwissenschaftliche Haltung, wenn es um den Kampf gegen das Coronavirus geht.»

Der Präsident von Uruguay, Luis Lacalle Pou, spricht davon, dass die Ausbreitung des Virus in Brasilien die Warnlichter in seiner Regierung habe aufleuchten lassen und die Behörden in mehreren Grenzstädten die Kontrollen verschärft hätten.

Kürzlich waren 30 Bauarbeiter aus Brasilien in die uruguayische Stadt Rio Branco gekommen, um bei der Errichtung eines Zementwerks zu helfen. Vier von ihnen wurden positiv auf das Virus getestet. Daraufhin nahmen die Behörden die gesamte Gruppe in Quarantäne. In einigen Grenzstädten erwägen die Behörden «humanitäre Korridore», über die Brasilianer Uruguay sicher verlassen könnten.

Selbst im sozialistischen Venezuela, wo das Gesundheitssystem seit Jahren verfällt, ist man besorgt über die Vorgänge im Nachbarland Brasilien. «Ich habe die Verstärkung der Grenze mit Brasilien angeordnet, um eine epidemiologische und militärische Sperre zu garantieren», erklärte Präsident Nicolás Maduro in einer Fernsehansprache vergangene Woche.

Bedeckt hält man sich in Bolivien mit Kommentaren über das Vorgehen des Nachbarlandes beim Kampf gegen das Virus. Schliesslich ist die rechtsgerichtete Regierung ein enger verbündeter Bolsonaros. Doch Verteidigungsminister Fernando López kündigte kürzlich ebenfalls an, die Schliessung der Grenze voranzutreiben. «Wenn wir an der Grenze weiter flexibel bleiben, sind unsere nationalen Quarantänemassnahmen nutzlos», sagte er zur Begründung.

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