Lagebild Ukraine Russen trainieren für Panzer-Schlachten gegen Leopards

Von Philipp Dahm

21.3.2023

Bachmut: Wagner-Chef bittet um Hilfe des russischen Militärs

Bachmut: Wagner-Chef bittet um Hilfe des russischen Militärs

Im Kampf um die strategisch wichtige ukrainische Stadt Bachmut im östlichen Gebiet Donezk hat die russische Privatarmee Wagner das Verteidigungsministerium in Moskau zu Hilfe gerufen. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin veröffentlichte einen Brief an Verteidigungsminister Sergej Schoigu, in dem er um Verstärkung bittet. Prigoschin teilte mit, dass die ukrainischen Streitkräfte nach seinen Informationen Ende März, Anfang April eine grossflächige Offensive planten. Ziel sei es, die Wagner-Truppen von den russischen Streitkräften abzuschneiden. Schoigu solle dringend die nötigen Schritte einleiten, um das zu verhindern.

21.03.2023

Bachmut taumelt, aber die Festung hält dem russischen Druck noch stand. Und 50 Kilometer weiter südlich schickt sich Awdijwka an, wie Bachmut gegen die Umkreisung anzukämpfen. Aber: Wuhledar macht Hoffnung.

Von Philipp Dahm

Der Winter ist vorbei: Die Temperaturen in der Ukraine sinken nachts nicht mehr unter den Gefrierpunkt. Das erschwert beiden Parteien das Vorankommen.

Ein Video, das den letzten noch offenen Weg nach Bachmut zeigt, belegt nicht nur, wie schlammig der Boden ist, sondern anhand von Autowracks auch, wie gefährlich die Versorgung der eingeschlossenen Stadt mittlerweile geworden ist.

Apropos: Was ist denn nun mit Bachmut? Theoretisch sieht die Lage schlecht aus für die Verteidiger: Im Norden haben russische Truppen die Siedlung Khromove gleich vor den Toren der Stadt erreicht, melden ukrainische Quellen. Auch innerhalb des Wohngebiets im Norden wird inzwischen gekämpft, wie ein Video beweisen soll.

Bachmut: «Nur ein bisschen länger durchhalten»

Gleichzeitig rücken russische Soldaten im Süden in Wohngebiete vor: Ukrainische Streitkräfte liefern sich mit dem Gegner Artillerie-Duelle und Häuserkämpfe, zeigt zum Beispiel dieses Video auf Telegram. An den beiden Enden dieser Zange sind die Angreifer weniger als fünf Kilometer voneinander entfernt.

Die Brennpunkte in der Schlacht um Bachmut im Norden und Süden der Stadt.
Die Brennpunkte in der Schlacht um Bachmut im Norden und Süden der Stadt.
Karte: Militaryland

Doch trotz des militärischen Drucks des Kreml halten die Verteidiger weiter stand. «Jede Minute hier ist – ohne zu übertreiben – schwierig und hart», räumt der Ukrainer Vladislav Schevchuk in einem aktuellen Video von der Front ein, «aber wir werden uns nicht ergeben. Wir halten unsere Stadt. Es gibt keinen Grund für die Verteidigungskräfte, sich zurückzuziehen und die ukrainische Festung aufzugeben.»

Man dürfe der russischen Propaganda nicht glauben, beschwört Schevchuk. «Der Sieg wird unser sein, wir müssen nur ein bisschen länger durchhalten.» Dazu passt, dass russische Militärblogger vor einer Gegenoffensive im Raum Bachmut warnen: Angeblich sammeln sich ukrainische Kräfte dort für eine Attacke.

Awdijwka, das zweite Bachmut?

Seit dem 20. März ist die Gefahr sogar offiziell bekannt gemacht – weil der Boss der Gruppe Wagner dem Verteidigungsminister das schriftlich mitgeteilt und das Dokument auch gleich veröffentlicht hat: Jewgeni Prigoschin warnt Sergej Schoigu darin, dass seine Wagner-Söldner durch einen ukrainischen Gegenangriff eingekreist werden könnten.

Das Bild ähnelt sich: Nachdem Krasnohorwika im Norden von Awdijwka gefallen ist, geht es mit der russischen Zangenbewegung um die Stadt voran.
Das Bild ähnelt sich: Nachdem Krasnohorwika im Norden von Awdijwka gefallen ist, geht es mit der russischen Zangenbewegung um die Stadt voran.
Karte: Militaryland

Sprich: Die Front bei Bachmut bleibt offenbar verhärtet. Mehr Erfolg haben Moskaus Männer dagegen in der Schlacht um Awdijwka 50 Kilometer südlich von Bachmut. Ein Blick auf die oben stehende Karte genügt, um die Ähnlichkeit festzustellen: Die russische Armee versucht, die Festung im Süden und Norden, wo zuletzt ein Durchbruch gelang, einzukreisen.

Auf diesem Erfolg bauen die Angreifer auf: Zum einen attackieren sie im Norden die Bahnlinie, doch dabei werden sie auch unter Artilleriefeuer genommen und von Kampfjets und -helikoptern angegriffen: Die russische Luftabwehr hat Mühe, den Bereich abzudecken.

Beispiel Wuhledar als Fingerzeig für Awdijwka 

Im Süden ist ein gross angelegter russischer Angriff mit mechanisierten Einheiten und Panzern auf das Dorf Sieverne fehlgeschlagen: Auf Telegram ist ein Drohnenvideo zu sehen, das mehrere brennende Fahrzeuge zeigt. Panzer werden angeblich aber auch im Norden eingesetzt, wo die Ukrainer offenbar mit schwerem Gerät nachziehen.

Russland hat seine Einheiten bei Awdijwka verstärkt und setzt viele Panzer ein, um die Stadt zu umschliessen.
Russland hat seine Einheiten bei Awdijwka verstärkt und setzt viele Panzer ein, um die Stadt zu umschliessen.

Das Vorgehen der russischen Kräfte erinnert an den Kampf um Wuhledar: Auch bei der Bergarbeiterstadt setzte der Kreml auf schweres Gerät  – und fuhr horrende Verluste ein. Dort sind übrigens auch die jüngsten russischen Offensiven – wie Anfang Februar, als unten stehende Bildergalerie entstand – im Sande verlaufen.

Der Grund dafür dürfte im Boden und auch der Lösungsansatz in Awdijwka liegen: Die ukrainische Armee vermint nicht nur das Gelände zwischen sich und den Angreifern, sondern wirft auch Minen nach, nachdem das Gebiet geräumt wurde – oder platziert die Minen sogar hinter den russischen Kräften, um sie beim Rückzug zu erwischen. Möglich machen das Artilleriegranaten, die mit jeweils neun Minen bestückt sind.

Waffen-Update

Sowohl Russland als auch der Westen bereiten sich nun auf eine ukrainische Frühlingsoffensive vor. «Wir müssen unsere versprochenen Verpflichtungen schnell und vollständig erfüllen», mahnt der amerikanische Verteidigungsminister Llyod Austin. «Das beinhaltet die Lieferung gepanzerter Kapazitäten auf das Schlachtfeld. Die Ukraine hat keine Zeit zu verlieren.»

Ukrainische Artillerie am 10. März im Einsatz bei Bachmut.
Ukrainische Artillerie am 10. März im Einsatz bei Bachmut.
Bild: Keystone

Russland reagiert auf derlei Aussagen mit einem besonderen Training: Angeblich werden die Besatzungen der modernen T-90M-Panzer gerade geschult, um europäische und amerikanische Panzer besser bekämpfen zu können, berichtet die Fach-Website «Army Recognition».

Und das hat seine Gründe: Die ersten ukrainischen Crews haben in Deutschland das Training für den Leopard 2 gemeistert. Gleichzeitig zeigt ein Video aus der Bundesrepublik, wie Marder-Schützenpanzer per Zug transportiert werden. Acht Leopard 2 aus Norwegen sind zudem bereits in der Ukraine eingetroffen: Es sieht so aus, als könnte es bald zur ersten Panzerschlacht mit westlichen und russischen Panzern kommen.