Ukraine Die Schweiz soll diskret den Dialog der Kriegsparteien fördern

sda

20.8.2023 - 01:26

Der Schweizer Diplomat Thomas Greminger verfügt über Kontakte zu beiden Kriegsparteien. (Archivbild)
Der Schweizer Diplomat Thomas Greminger verfügt über Kontakte zu beiden Kriegsparteien. (Archivbild)
Keystone

Die Schweiz kann laut Spitzendiplomat Thomas Greminger diskret den Dialog zwischen Russland und der Ukraine fördern. Stabilität in Europa gibt es nur mit und nicht gegen Russland, wie er im Interview mit der «NZZ am Sonntag» sagte.

Die Schweiz könne viel hinter den Kulissen machen, sagte Greminger im am Sonntag publizierten Interview. Er leitet das hauptsächlich vom Bund finanzierte Zentrum für Sicherheitspolitik in Genf. Als offizielle Vermittlerin sieht er die Schweiz nicht. Die Konfliktparteien würden «keine Vermittler klassischen Zuschnitts wollen».

Das Zentrum habe etwa an der Frage gearbeitet, welchen Status und welche Sicherheitsgarantien die Ukraine künftig haben soll. «Und wir haben dafür gesorgt, dass beide Kriegsparteien von diesen Vorschlägen erfahren», sagte er. Zu politisch relevanten Resultaten seien sie bisher nicht gekommen.

Für die internationale Gemeinschaft und für die Schweiz sei es von Vorteil, wenn die Schweiz neutral bleibe. Auch russische Gesprächspartner würden den Standort Genf schätzen. Sie seien deutlich pragmatischer, als die offizielle Position erahnen lasse, sagte Greminger.

Im humanitären Bereich und beim Wiederaufbau sollte die Schweiz nach seiner Auffassung noch mehr tun. Auch bei der Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen soll sie sich grosszügig zeigen.

Temporäre Abtretung von Gebiet

Ein Ende des Krieges zeichnet sich nach seinen Aussagen nicht ab. «Das wahrscheinlichste Szenario ist das Andauern eines langen, intensiv geführten Kriegs, wie wir ihn gegenwärtig sehen», sagte er. Irgendwann könnten die Kosten dafür zu hoch werden. Dann brauche es einen Plan B.

Greminger sprach von «theoretischen Kompromissmöglichkeiten». Denkbar wäre die vorübergehende Abtretung von besetzten Gebieten an Russland. Sobald eine neue russische Regierung an der Macht wäre, könnte über die Rückgabe verhandelt werden. Am Ende wird es laut ihm auf die Frage hinauslaufen: «Will man lieber einen sehr langen, sehr teuren Krieg – oder ein Ende des Konflikts, selbst wenn dieses unbefriedigend sein mag?

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