In Unterfranken starb ein Mädchen mutmasslich an den Folgen von Unterernährung. Vor Gericht stehen nun die Eltern.
Nach dem Tod ihres unterernährten Kindes stehen die Eltern vor Gericht. (Archivbild)
Die Angeklagte Mutter im Gerichtssaal des Landgerichts Schweinfurt: «Ich bin sehr traurig und fühle mich Pauline gegenüber sehr schuldig.»
Abgemagertes Mädchen stirbt – Eltern äussern Schuldgefühle - Gallery
In Unterfranken starb ein Mädchen mutmasslich an den Folgen von Unterernährung. Vor Gericht stehen nun die Eltern.
Nach dem Tod ihres unterernährten Kindes stehen die Eltern vor Gericht. (Archivbild)
Die Angeklagte Mutter im Gerichtssaal des Landgerichts Schweinfurt: «Ich bin sehr traurig und fühle mich Pauline gegenüber sehr schuldig.»
In der Corona-Pandamie zieht sich eine fünfköpfige Familie aus Unterfranken immer mehr zurück. Eine Tochter magert bis auf die Knochen ab – mit fatalen Folgen. Die Eltern stehen nun vor Gericht.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Vor dem Landgericht Schweinfurt stehen die Eltern einer 16-Jährigen, die 2022 an den Folgen einer Essstörung starb.
- Ihnen wird vorgeworfen, ihre Tochter trotz Erkrankung nicht zu einem Arzt gebracht zu haben.
- Die Eltern räumten ein, ihre Tochter nicht ins Spital gebracht zu haben, beteuerten jedoch, die Gefahr nicht erkannt zu haben.
Vor etwa zwei Jahren stirbt eine 16-Jährige, die an einer Essstörung litt, im deutschen Unterfranken, stark abgemagert, vermutlich an den Folgen der Unterernährung. Vor dem Landgericht Schweinfurt stehen nun die Eltern.
Zum Prozessauftakt übernimmt das Paar die Verantwortung für das Geschehen. Die Staatsanwaltschaft wirft Mutter und Vater vor, keine ärztliche Hilfe geholt haben, obwohl beide annehmen konnten, dass ihre Tochter in Lebensgefahr war.
«Wir haben uns bis zuletzt nicht vorstellen können, dass Pauline stirbt», sagte der Anwalt des Vaters im Auftrag seines Mandanten. «Ich hatte bis zuletzt gedacht, dass alles wieder gut wird. Ich hätte dafür sorgen müssen, dass Pauline auch gegen ihren Willen in einem Krankenhaus behandelt wird.»
Auch die Mutter der 16-Jährigen liess von ihrem Verteidiger zu Prozessauftakt vor dem Landgericht Schweinfurt eine Erklärung verlesen. Sie habe die Gefährlichkeit der Situation nicht wahrgenommen. «Natürlich bewerte ich mein Verhalten im Nachhinein völlig anders. Ich bin sehr traurig und fühle mich Pauline gegenüber sehr schuldig.»
Trotz Erkrankung alarmierten Eltern keinen Arzt
Nach den Worten von Oberstaatsanwalt Markus Küstner litt die Jugendliche an einer Essstörung und war mangelernährt, hatte sich kurz vor ihrem Tod im Dezember 2022 mit dem Coronavirus infiziert und litt an einer Magen-Darm-Infektion. Der 51 Jahre alte Vater und seine 48 Jahre alte Frau sollen trotzdem keinen Arzt verständigt haben. Das psychisch labile Mädchen starb im elterlichen Bett vermutlich an den Folgen der Unterernährung.
Salzstangen zum Essen
Die Mutter wies am ersten Verhandlungstag allerdings zurück, den Tod ihrer Tochter billigend in Kauf genommen zu haben. «Sie hat selbstständig getrunken und auch immer wieder Salzstängchen gegessen», sagte der Verteidiger der Frau.
Die Familie, zu der noch zwei Kinder gehören, habe in der Corona-Pandemie sehr zurückgezogen gelebt. Die modebewusste 16-Jährige sei damals viel in sozialen Netzwerken unterwegs gewesen und habe ihre Häkelarbeiten präsentiert. Ansonsten habe das Mädchen eine Angststörung gehabt und sich deswegen gegen einen Spitalaufenthalt gewehrt, sagte der Anwalt der Mutter.
Hast du oder hat jemand, den du kennst, eine psychische Erkrankung? Hier findest du Hilfe:
- Pro Mente Sana, Telefon 0848 800 858
- Kinderseele Schweiz, Beratung für psychisch belastete Eltern und ihre Angehörigen
- Verein Postpartale Depression, Telefon 044 720 25 55
- Angehörige.ch, Beratung und Anlaufstellen
- VASK, regionale Vereine für Angehörige
- Stiftung Selbsthilfe Schweiz, Koordinations- und Dienstleistungsstelle der regionalen Selbsthilfezentren
- Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Telefon 147
- Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Telefon 143
- Angst- und Panikhilfe Schweiz, Telefon 0848 801 109
Psychische Erkrankungen in Pandemie vor allem bei Mädchen gestiegen
Wissenschaftlern zufolge ist die Zahl der Jugendlichen mit Essstörungen wie Magersucht oder Bulimie bundesweit gestiegen – besonders in der Corona-Pandemie. Vor allem bei 12- bis 17-jährigen Mädchen und Frauen gab es einer Studie der KKH Kaufmännische Krankenkasse zufolge zwischen 2020 und 2021 einen massiven Anstieg um mehr als 30 Prozent. Einer der Gründe – neben der Pandemie: Sogenannte Fake-Ideale und die Flut von Bildern vermeintlich makelloser Menschen auf Social-Media-Plattformen.
dpa