Feriengrüsse Liebe Grüsse aus ... – die Postkarte im digitalen Zeitalter 

Jule Zentek

13.6.2020

Seit mehr als 150 Jahren erfreut die Postkarte ihre Empfänger. Seitdem hat sie sich gewandelt – ihre Wirkung aber nie verloren.

Ein Foto der Kathedrale von Palma de Mallorca auf der Vorderseite, eine persönliche, handschriftliche Nachricht auf der Rückseite: So kennen wir sie, die Postkarte.

Es kann dauern, bis sie aus fernen Ländern beim Empfänger eintrifft, umso grösser sind dann die Freude und Überraschung über den Fund im Briefkasten.

Besonders in den Ferien, aber auch zum Geburtstag oder an Weihnachten greift so mancher noch zur Postkarte. Doch wo kommt sie eigentlich her? Eingeführt hat sie der österreichische Nationalökonom Emanuel Herrmann 1869. Er schlug die «Korrespondenzkarte» als kurze und praktische Alternative zum Brief vor.



Ihren ersten grossen Einsatz fand die Postkarte ein Jahr später im Deutsch-Französischen Krieg (1870–1871). «Sie war der Lebensgruss von Soldaten in die Heimat und wurde vom Staat bereitgestellt», erläutert der Kulturwissenschaftler Wolfgang Kaschuba.

Die Welt im DIN A6-Format

Die erste Generation unterschied sich deutlich von den heutigen Karten: Sie war unbedruckt und bestand aus dickem Papier oder Karton. Erst mit neu erfundenen Drucktechniken rund zehn Jahre später kam man auf die Idee, die eine Seite bunt zu bedrucken.

Zusammen mit der längst erfundenen Fotografie wurde sie so zum Guckloch für all die Reiseziele, die viele selbst nie besuchten. Neben Landschaften ferner Länder brachte sie auch bekannte Architektur und Kunstwerke im Miniformat nach Hause.

Werbung und Propaganda

Zu Stift und Karte griff ebenfalls, wer nicht reiste. Denn die Postkarte war aufgrund ihrer Kürze nicht nur bequemer und schneller geschrieben. «Mit fünf Pfennig war die Postkarte deutlich günstiger als ein Brief», erzählt Kaschuba. Hotels und Gastwirtschaften entdeckten sie als Werbemittel – und noch heute verschicken viele Unternehmen beispielsweise Weihnachtskarten an die Kunden.

Auch im Ersten und Zweiten Weltkrieg war die Postkarte als Kommunikationsmittel wichtig – und blieb dabei nicht immer neutral. «Die Nationalsozialisten verbreiteten mit Postkarten ihre Propaganda», sagt Kaschuba. Mit dem Reisefieber der 60er- und 70er-Jahre wurde sie schliesslich zu einem der beliebtesten Massenkommunikationsmittel der Welt.

Mit WhatsApp & Co. kam die Konkurrenz

Doch das war einmal. «Whatsapp, Facebook & Co. sorgen leider für einen kontinuierlichen Rückgang der Postkarten», sagt Post-Sprecher Alexander Edenhofer. Die Grundidee blieb bestehen: «Die Kürze von drei Sätzen und die sprachliche Einfachheit finden sich in E-Mails wieder». 

Doch die digitale Revolution gibt es bereits. Postkarten lassen sich mit eigenen Fotos oder Designvorlagen auf dem Smartphone per App gestalten und versenden. «Individuell gestaltete Karten mit eigenen Fotos lösen immer mehr die klassische Postkarte ab», ist Mypostcard-Gründer Oliver Kray überzeugt. Waren es im Jahr 2014 874‘000 Postkarten, die in der Schweiz per App verschickt wurden, sind es im Jahr 2018 bereits 7,3 Millionen Stück, wie es bei der Schweizer Post heisst.

Seit März mache sich übrigens Corona thematisch bemerkbar. Über 80 Prozent der versendeten Postkarten seien Karten der Solidarität, der Ermutigung und des Zuspruchs gewesen.



Sammeln, sich erinnern und träumen

Wer eine Postkarte bekommt, schmeisst sie nach dem Lesen selten in den Abfall. Man sammelt sie oder pinnt sie an den Kühlschrank. Besonders schöne Exemplare werden auch mal gerahmt. Das gilt für die Feriengrüsse der Freunde genauso wie für die lustigen Spruchkarten aus dem Kartenständer in der Kneipe.

Eine Ferienreise braucht es zum Schreiben von Postkarten übrigens nicht: Anhänger des Postcrossing schreiben sich regelmässig von zu Hause aus, und das vom einen Ende der Erde zum anderen. Empfänger und Absender kennen sich nicht, das macht den Reiz aus.

Gerade in diesen schwierigen Zeiten einer Pandemie mit Kontaktbeschränkungen freuen sich sicherlich auch Grosseltern und Freunde über eine Überraschung in der Post.

Das Schreiben hilft vielleicht auch gegen das eigene Fernweh. Wolfgang Kaschuba empfiehlt: «Espresso trinken, Postkarten schreiben und in die Ferien träumen.»

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