Schweizer Kapitän Erste Kreuzfahrt nach Lockdown – «Stimmung an Bord war fast euphorisch»

Von Jennifer Furer

7.8.2020

Den Zürcher Thomas Roth zog es bereits früh in den Norden Deutschlands, um seine Seefahrerkarriere voranzutreiben.
Den Zürcher Thomas Roth zog es bereits früh in den Norden Deutschlands, um seine Seefahrerkarriere voranzutreiben.
Tui Cruises

Der Zürcher Kapitän Thomas Roth hat das erste Kreuzfahrtschiff nach dem Lockdown kommandiert. Im Interview sagt er, wie er sich vor einer Ansteckung geschützt hat und warum er ausgewandert ist.

Vier Monate herrschte auf den Ozeanen ein Kreuzfahrtstillstand. Letzte Woche stachen die ersten Schiffe wieder in See – trotz steigender Coronafallzahlen weltweit, dafür mit strengen Auflagen. 

Als erster Kreuzfahrtanbieter wagte Tui Cruises mit der Mein Schiff 2 die Wiederaufnahme des Betriebs. Kapitän des Schiffes war der Zürcher Thomas Roth.

Herr Roth, Sie stachen als erster Kapitän wieder mit einem Kreuzfahrtschiff in See. Wie war das für Sie?

Ich habe mich sehr über diese Aufgabe gefreut, auch wenn natürlich eine gehörige Portion Respekt im Spiel war. Aber ich wusste, dass ich mit einem ausgezeichneten Team starten würde, insofern war ich von vornherein zuversichtlich. Und letztlich muss ich sagen: Ein Seemann gehört an Bord – an Land ‹gestrandet› zu sein, taugt auf die Dauer nichts.

Wo ging die Reise hin? 

Die erste Reise startete in Hamburg und dauerte drei Tage. Wir sind hoch nach Kristiansand, Norwegen, gefahren. Dort haben wir aber nicht angelegt. Wir haben das Schiff im Hafenbecken langsam gedreht, sodass die Gäste die Möglichkeit hatten, diesen wunderschönen Fjord zu bewundern. Anschliessend sind wir wieder Richtung Hamburg gefahren.

Die Mein Schiff 2 ist für 2'894 Passagiere zugelassen. Für die erste Reise der Mein Schiff 2 haben sich rund 1'100 Gäste eingebucht. 
Die Mein Schiff 2 ist für 2'894 Passagiere zugelassen. Für die erste Reise der Mein Schiff 2 haben sich rund 1'100 Gäste eingebucht. 
Keystone

Wie haben Sie Ihre erste Kreuzfahrt nach dem ‹Shutdown› erlebt?

Es galt natürlich, bestens auf jedes denkbare Szenario vorbereitet zu sein und das neue, umfassende Hygienekonzept in jeder Einzelheit zu verwirklichen. Als wir nach der langen Planungsphase das erste Mal mit unseren Gästen aus dem Hamburger Hafen ausgelaufen sind, war das ein sehr erhebendes Gefühl. Ich bin stolz darauf, was mein Team und ich in enger Zusammenarbeit mit unserer Landseite geleistet haben.

Was haben Sie an den Tagen an Bord gemacht? 

Gar nicht so viel anders als sonst. Mit dem Unterschied, dass wir aktuell natürlich sehr darauf achten, dass unsere Gäste und die Besatzung sich strikt an unsere Hygiene- und Abstandsregeln halten. Ich drehe als Kapitän regelmässig meine Runden über das gesamte Schiff. Dabei gehe ich sowohl durch die Gäste- als auch durch die Crewbereiche und schaue, dass alles läuft und es allen gut geht. Das mache ich auch in Coronazeiten – natürlich immer mit Maske und dem ausreichenden Abstand.

Wie war die Stimmung an Bord? 

Die Stimmung an Bord war ausgezeichnet, sogar ein wenig euphorisch. Wir hatten auf der ersten Reise fast ausschliesslich Stammgäste, die sich wahnsinnig gefreut haben, wieder an Bord zu sein. Und auch die Besatzung war glücklich, dass unser Schiff endlich wieder voller Leben war. Während der Seetage konnten die Gäste unser Schiff in vollen Zügen geniessen.

Gab es ein Freizeitangebot?

Wir haben ein umfangreiches Bordprogramm angeboten – natürlich angepasst auf die derzeitige Situation. Aber viele Gäste haben sich auch einfach gefreut, einmal in Ruhe wieder aufs Meer schauen zu können und die frische Seeluft zu spüren.

Die Reederei Tui Cruises hat mittlerweile bereits vier Kurzreisen absolviert: An Bord waren immer zwischen 1'100 und 1'550 Gäste.
Die Reederei Tui Cruises hat mittlerweile bereits vier Kurzreisen absolviert: An Bord waren immer zwischen 1'100 und 1'550 Gäste.
Keystone

Man liest derzeit viel von Schutzkonzepten auf den Kreuzfahrtschiffen. Wie war das auf Ihrem Schiff?

Wir haben an Bord eine ganze Reihe von Prozessen implementiert, die neu hinzugekommen sind. Die hygienischen Vorschriften sind auf einem Kreuzfahrtschiff ohnehin sehr streng und werden regelmässig überprüft und angepasst. In der aktuellen – und noch nie dagewesenen – Situation haben wir ein fast 100-seitiges Dokument zusammengestellt, das alle zusätzlichen Massnahmen zum Schutz unserer Gäste und der Besatzung enthält.

Die Hurtigruten hat nach Ansteckungen an Bord ihren Betrieb wieder eingestellt.

Natürlich muss gewährleistet werden, dass diese neuen Regeln peinlichst genau eingehalten werden. Der gebotene Abstand und der Mund-Nasen-Schutz sind da nur einige der sichtbaren Massnahmen. Wir sind gut auf nahezu jedes Szenario vorbereitet.

Wie haben Sie sich vor einer möglichen Ansteckung geschützt?

Anfang Juli habe ich dann die Mein Schiff 2 als Kapitän übernommen. Bevor ich an Bord ging, musste ich einen negativen Covid-19-Test vorlegen und bin dann für 14 Tage in Isolation an Bord gegangen. Erst danach habe ich dann meinen Kollegen abgelöst und das Kommando übernommen.

Was haben Sie während Ihrer viermonatigen Zwangspause getrieben?

Während des Lockdowns hatte ich gerade Urlaub und war bei meiner Familie. Wir haben uns natürlich wie alle an die Regeln und Vorgaben gehalten, waren für uns und sehr viel in der freien Natur. Ich fahre viel Fahrrad und insbesondere während des Lockdowns war ich oft in den Weinbergen unterwegs.

Es sind turbulente Zeiten für die Kreuzfahrtbranche. Fürchten Sie um Ihren Job?

Ich bin von unserem Konzept überzeugt und hoffe, dass wir mit unseren ersten Reisen auch eine Art Initialzündung für die gesamte Branche sein können. Wir wollen zeigen, dass es möglich ist, wieder auf Kreuzfahrt zu gehen, und wie das Ganze funktionieren kann. Ich freue mich auf diese Herausforderung und blicke optimistisch in die Zukunft.

Sie sind Zürcher, arbeiten jetzt aber für eine Hamburger Reederei. Was trieb Sie dazu und wo leben Sie nun?

Eine Seefahrerkarriere in der Schweiz anzustreben, ist ja geografisch eher schwierig, daher zog es mich bereits früh in den Norden Deutschlands. Dort heuerte ich das erste Mal auf grösseren Segelschiffen an. Mittlerweile lebe ich mit Frau und Kind in Berlin/Stuttgart.

Dieses Interview wurde auf Wunsch der Tui Cruises schriftlich geführt.



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