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Bötschi fragt Philipp Plein: «Während des Corona-Lockdowns lebte ich bei meinen Eltern»
Von Bruno Bötschi, Lugano
10.7.2020
Er gilt als König der Bling-Bling-Mode. Philipp Plein macht sich Gedanken über Gott und die Corona-Pandemie, sagt, was er von Heidi Klum und Anna Wintour hält – und erzählt, warum er früher im Bordell übernachtete.
Das Büro von Modedesigner Philipp Plein in Lugano: Glas, Metall und Ledersofas, ein Langhaarteppich, ein Bildschirm, ein grosses Plein-Porträt. Als er reinkommt, ist sofort alles ganz Plein, gross, ziemlich breitschultrig, strahlend: ‹Hallo! Schön, dass Sie da sind. Geht es gut?›
Wäre er nicht bekannt und hätte man nicht schon viel gelesen, würde man jetzt denken: ein ganz schön dufter Mann. Philipp Plein, raspelkurze braune Haare, weisse Jogginghose, schwarzes T-Shirt über der trainierten Brust, glitzernde Uhr, breites Lächeln, hat in sein Büro eingeladen, weil er über seine neuesten Kreationen reden will – zwei Parfums.
Die Philipp Plein International Group ist in einem Bürogebäude unweit vom Luganersee untergebracht. Es ist ein Haus, das, anders als die Mode, die hier verkauft wird, einigermassen zurückhaltend aussieht: vier Etagen, Sichtbeton, Glas.
Herr Plein, wir machen ein Frage-Antwort-Spiel: Ich stelle Ihnen in den nächsten 30 Minuten möglichst viele Fragen – und Sie antworten möglichst schnell und spontan. Passt Ihnen eine Frage nicht, sagen Sie einfach ‹weiter›.
Kein Problem.
Thierry Mugler oder Jean-Paul Gaultier?
Ich bin ein grosser Fan von Thierry Mugler. Denke ich an die Mode von Mugler, denke ich an Architektur. Und das gefällt mir.
Claudia Schiffer oder Heidi Klum?
Ich bin sehr gut mit Heidi Klum befreundet, aber Claudia Schiffer gefällt mir besser.
Das müssen Sie erklären.
Heidi Klum ist toll. Wenn ich mir jedoch die Karriere von Claudia Schiffer angucke, ist diese beeindruckender. Allerdings muss man dazu sagen, dass Heidi und Claudia total unterschiedlich Karriere gemacht haben. Man kann sie eigentlich gar nicht vergleichen miteinander. Claudia war ein Topmodel, Heidi nicht. Kommerziell gesehen hat sich aber Heidi Klum super vermarktet und hat viel mehr rausgeholt, als viele andere das je gekonnt hätten.
Zum Autor: Bruno Bötschi
«Bluewin»-Redaktor Bruno Bötschi spricht für das Frage-Antwort-Spiel «Bötschi fragt» regelmässig mit bekannten Persönlichkeiten. Bötschi hat viel Erfahrung mit Interviews. Für die Zeitschrift «Schweizer Familie» betreute er jahrelang die Serie «Traumfänger». Über 200 Persönlichkeiten stellte er dafür die Frage: Als Kind hat man viele Träume – erinnern Sie sich? Das Buch zur Serie «Traumfänger» ist im Applaus-Verlag, Zürich, erschienen. Es ist im Buchhandel erhältlich.
Im Bett: Pyjama, T-Shirt oder lieber nichts?
Nichts.
Haben Sie im Bett schon etwas erfunden?
Im Bett habe ich schon vieles erfahren und entdeckt, aber ich weiss nicht, ob ich der Erste war (lacht schallend).
Kaffee, kalte Dusche oder irgendwelche anderen Tipps, um morgens schnell wach zu werden?
Kalte Dusche.
Immer wieder ein gutes Gefühl in den Spiegel zu gucken?
Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der Schönste im ganzen Land?
Wie viel Zeit brauchen Sie am Morgen im Bad?
Seit ich meine Haare ganz kurz trage höchstens sieben bis acht Minuten – inklusive duschen.
Modedesigner Tom Ford behauptet, er verzichte auf Deodorant, verwende dafür Parfum und bade dreimal am Tag, um zu entspannen. Was ist Ihr Tick in Sachen Schönheit?
Ich bade auch gerne, aber die Zeit, es dreimal am Tag zu tun, habe ich nicht. Viele denken möglicherweise, ich sei ein Maximalist. In Sachen Pflege und Schönheit bin ich jedoch der totale Minimalist. Pflegeprodukte sagen mir wenig.
Warum?
Ich hatte mit 16 schlimme Akne im Gesicht. Darunter litt ich sehr, bis ich eines Tages keine Cremes mehr benutzen wollte. Ich habe eine Phobie dagegen entwickelt. Seit dieser Zeit hasse ich es, wenn jemand mein Gesicht berührt oder irgendwelche Produkte auf meine Haut schmieren will.
Hat Ihnen die Schule wirklich Relevantes vermittelt?
Wir lernen in der Schule schreiben und rechnen, aber wir lernen zu wenig über das Leben.
Sie waren auf dem Internat.
Ein Internat ist einer geschützten Werkstatt sehr ähnlich. Ich lebte in einer heilen Welt. Das war toll, aber die Regeln, die im Internat galten, sind ausserhalb kaum zu gebrauchen. Manch ein Schulkollege ist daran später zerbrochen – im Internat gehörten sie zu den besten Schülern, waren allseits beliebt. Doch später als Erwachsene brachten sie nichts auf die Reihe.
‹King of Bling› schrieb die ‹New York Times›, ‹deutscher Versace› die ‹FAZ›: Wie würden Sie sich in zwei, maximal drei Worten beschreiben?
Pailletten-Pope.
Ernsthaft?
Quatsch, das war ein Spass. Ich bin ein Maximalist und ein Träumer. Aber ganz wichtig: Ich bin ein Träumer, der an seine Träume glaubt, bis sie wahr werden.
Ein Traumfänger also.
Genau. Ich bin überzeugt, dass unser Erfolg auch damit zu tun hat, weil ich meine Marke lebe. Die Kunden wissen das zu schätzen. Viele Modemarken sind heute nicht mehr authentisch. Das liegt daran, weil viele Unternehmen nicht mehr so wie früher geführt werden.
Wie meinen Sie das?
Früher war der Designer die Seele des Unternehmens. Heute gibt es kaum Modemarken, bei denen der Gründer noch an Bord ist, respektive das Ruder in der Hand hält. Heute werden die meisten Modeunternehmen geführt wie normale Geschäftsbereiche. Das sieht man auch daran, wie schnell die Designer ausgewechselt werden. Es geht zu und her wie auf dem Fussball-Transfermarkt. Ein Designer kommt ins Spiel, arbeitet drei, vier Saisons. Stimmen danach die Zahlen, wird der Vertrag verlängert, ansonsten wird er ausgetauscht. Für mich ist das eine Art von Prostitution, kreative Prostitution.
Das müssen Sie erklären.
Man kauft einen Menschen ein, presst die Kreativität aus ihm raus und irgendwann, wenn die Zitrone keinen Saft mehr hat, wird die nächste engagiert.
Wir treffen uns heute, weil Sie das Männerparfum ‹No Limit› lanciert haben. Welches war Ihr Lieblingsduft, als Sie 20 Jahre alt waren?
‹Acqua di Gio› von Giorgio Armani. Es war das Parfum meiner Mutter. Und wissen Sie was, Alberto Morillas hat ‹Acqua di Gio› kreiert …
… also der gleiche Mann, der auch Ihr neues Parfum «No Limit$» gemixt hat?
Ein wunderbarer Zufall, nicht?
Durchaus – welches war Ihr Lieblingsduft mit 30?
‹Gucci Nobilis›. Den Duft gibt es leider nicht mehr. Ich bin ein sehr treuer Kunde und war entsprechend traurig, als die Produktion eingestellt wurde. Cool fand ich zudem ‹Joop› von Wolfgang Joop und ‹Cool Water› von Davidoff.
Welches war Ihr Lieblingsduft, kurz bevor Sie im vergangenen Jahr Ihren ersten eigenen Duft namens ‹The Skull› lancierten?
Meine Schwester schenkte mir vor einigen Jahren zu Weihnachten einen Steller mit Tom-Ford-Parfums. Ich glaube, den gibt es im normalen Handel gar nicht zu kaufen. Ich mixte diese Düfte dann öfters zusammen – was bei meinen Mitmenschen gut ankam.
Der Totenkopf ist das Markenzeichen Ihres Modeunternehmens. Wie kam das?
Das ist eine lange, aber profane Geschichte. Wollen Sie sie wirklich hören?
Gerne, also wenn Sie die lange Geschichte in aller Kürze erzählen können.
Meine ersten Versuche als Unternehmer machte ich im Möbelbusiness. Als ich an der Maison&Objet-Messe in Paris ausstellte, kam der Vertreter von Swarovski zu mir. Er wollte mir seine ‹Home Elements›-Kristalle verkaufen, aber ich hatte damit nichts am Hut. Später besuchte er mich in München. So ein typischer Vertreter halt, der unangemeldet vorbeikommt. Ich zeigte erst wieder kein Interesse, dann entschloss ich mich, es doch einmal zu versuchen und eine Kissenkollektion mit Swarovski-Steinen zu lancieren. Dekorative Kissen hat damals noch keiner gemacht. Das beste verkaufte Kissen war eines mit einem drauf gestickten Swarovski-Totenkopf.
Wie ging es weiter?
Später designte ich einen minimalistischen Kleiderständer, der komplett aus Edelstahl gefertigt war. Meine Schwester, sie war 10 oder 11 Jahre alt, trug damals gerne Vintage-Militärjacken. Irgendwann hatte ich die Idee, während einer Messe einige solcher Jacken an den Ständer zu hängen, damit es nicht so leer aussieht. Damit die auch richtig auffallen, stickte ich einen Swarovski-Totenkopf auf die Rückseite. Nach dem Motto: Was glitzert, zieht die Leute an.
Und kamen die Leute?
Ich lüge nicht, wenn ich sage, dass fast jede Messebesucherin und fast jeder -besucher nach diesen Jacken gefragt hat. Egal, ob alt oder jung, egal, ob Frau oder Mann, egal, ob hetero oder schwul. Alle fanden die Jacken toll. Dabei hatte ich gar nicht vor, sie zu verkaufen. Am zweiten Tag fing ich doch damit an.
Sie sollen die Jacken für 700 Euro verkauft haben.
Das stimmt.
Es heisst, damals hätten Sie begriffen, dass Sie mit Kleidern noch viel mehr Geld verdienen können als mit Möbeln.
Danach ging alles ganz schnell – mit der Totenkopf-Jacke setzte ich innerhalb eines Jahres zwei Millionen Euro um, eine Menge Geld für einen Jungunternehmer. Gleichzeitig kristallisierte sich damals der Totenkopf als Markenzeichen für meine Firma heraus.
Ab und zu den Kopf anschlagen: Tut das jedem Menschen gut?
Es gehört zum Leben dazu, hin und wieder den Kopf anzuschlagen, hinzufallen, aber auch einmal die Ellbogen einzusetzen. Wer sich nie den Kopf anschlägt, lernt nicht, was richtig oder falsch ist.
Wann bekamen Sie zuletzt eins ‹auf den Deckel›?
Das geschieht regelmässig. Das heisst ja auch, dass man versucht Grenzen auszuloten – die eigenen, aber auch die der anderen. Wer das tut, eckt automatisch an. Wer sitzen bleibt, der läuft nicht Gefahr anzuecken. Aber das war nie mein Weg.
Was haben Sie nur gegen ‹einfach mal nichts tun›?
Nichts. Während der letzten Wochen musste ich notgedrungen öfters sitzen bleiben und warten.
Wegen der Corona-Pandemie.
Genau. Die vergangenen Monate lehrten mich, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Wenn man jahrelang immer das Gleiche tut und immer mit den gleichen Leuten zusammenarbeitet, bekommt man notgedrungen irgendwann einen Tunnelblick. Man realisiert nicht mehr, was links und rechts von einem auch noch geschieht. Vielleicht tönt das jetzt klischeemässig, aber ich habe in letzter Zeit oft über den Sinn des Lebens nachgedacht.
Geht es etwas konkreter, bitte?
Als ich zum ersten Mal in Manhattan, New York, war, stand ich zwar in der Mitte von allem, aber gleichzeitig fühlte ich mich innerhalb der Häuserschluchten irgendwie verloren. Später bin ich mit dem Helikopter über Manhattan geflogen bin und habe die Häuser und Strassen von oben gesehen. Damals realisierte ich: Von aussen hast du einen viel besseren Überblick.
Die Corona-Pandemie hat Ihre Sichtweise auf das Leben verändert?
Ja. Ich realisierte, dass ich die Jahre davor oft in einer Art Hamsterrad verbrachte habe – ich stand am Morgen auf und strampelte los. Ich hatte wenig Zeit, um mich auch einmal mit anderen Dingen als mit meinem Unternehmen zu beschäftigen.
Sie leben seit über 15 Jahren im Tessin, wo sich auch der Hauptsitz Ihrer Firma befindet. Wo waren Sie während des Lockdowns?
Im Tessin habe ich keine Familie, deshalb verbrachte ich viel Zeit in Deutschland. Zusammen mit meiner Freundin, meiner Schwester und ihrem Mann lebte ich längere Zeit bei unseren Eltern. Meine Eltern sind vor acht Jahren aufs Land gezogen. Und wissen Sie was? Ich habe sie in dieser Zeit nie daheim besucht. Sie waren oft bei mir, aber ich nie bei ihnen.
Was würde der 15-jährige Philipp Plein über den heute 42-jährigen Philipp Plein denken?
Ich glaube, ich habe alles so gemacht, wie ich es mir mit 15 vorgestellt habe. Als Teenager hatte ich viele Träume. Viele dieser Ziele habe ich in den letzten Jahren erreicht. Ein Mensch, der keine Träume hat, dem fehlt die Motivation am Morgen aufzustehen und den Tag zu meistern. Träume sind ein wichtiges Lebenselixier. So wie alles im Leben haben Träume natürlich auch ihre Schattenseiten.
Wie meinen Sie das?
Ein Mann träumt davon, den Mount Everest zu besteigen. Er bereitet sich jahrelang akribisch auf die Expedition vor, bis irgendwann der Tag kommt, an dem er auf dem Gipfel steht. Kurz darauf wird der Mann feststellen, dass er seinen Traum zerstört hat. Träume, die wahr werden, sind keine Träume mehr. Oft findet man in einer solchen Situation auch heraus, dass der Traum viel schöner war als die Realität. In der Fantasie ist alles immer viel besser, viel verrückter, viel glamouröser. Oder anders gesagt: Der Weg ist das bessere Ziel.
War das bei Ihren Parfums auch so?
Ich muss ehrlich sagen, und das ist jetzt kein Blabla und kein Bullshit: Meine beiden Parfums sind besser rausgekommen, als ich es mir je vorgestellt habe. Ich liebe Parfums, aber ich bin kein Spezialist. Ich hatte ein wunderbares Team um mich, das mir bei der Realisation meines Traums half. An erster Stelle möchte ich Parfümeur Alberto Morillas erwähnen. Ich kannte ihn davor nicht, wusste nicht, dass er der Kreateur von ‹Acqua di Gio›, meinem ehemaligen Lieblingsparfum, ist. Ich wusste auch nicht, dass er mit ‹CK One› das erste Unisex-Parfum überhaupt lanciert hat. Ich nehme an, Sie kennen ‹CK One› auch, oder?
Ja.
Ich finde es echt geil und es macht mich stolz, was Alberto Morillas aus dem Parfum ‹The Skull› gemacht hat und wie er es interpretiert hat. Genau so stelle ich mir die Marke Philipp Plein vor – elegant und zeitlos. Und egal, wie man den Flakon ansieht, der dreidimensionale Totenkopf ist von allen Seiten sichtbar. Ich habe ja schon erwähnt, dass ich ein grosser Architektur-Fan bin.
Laut Pressemitteilung lädt ‹No Limit$› Ihr neuer Duft, dazu ein, ‹ein exzessives, hedonistisches, unbegrenztes und aufregendes Leben mitzufeiern›. Etwas unpassend, weil unbegrenztes Feiern zurzeit wegen der Corona-Pandemie nicht möglich sind.
Da haben Sie natürlich recht. Aber wie schon gesagt: Ich bin fest überzeugt davon, dass die Corona-Pandemie eine Chance ist, unser Leben zu überdenken. Leider musste ich in den vergangenen Tagen aber feststellen, dass viele Menschen zu schnell vergessen, wie ernst die Situation nach wie vor ist.
Sie meinen, die Gesellschaft geht zu sorglos mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie um?
Es ist erschreckend, wie fahrlässig sich manche Leute benehmen. Das Virus ist nach wie vor da. Das Einzige, was sich verändert hat, ist, dass wir jetzt wieder arbeiten gehen können. Weil unsere Regierungen glauben, dass der Schaden sonst noch grösser würde, als wenn wir weiterhin zu Hause bleiben täten. In den letzten Wochen und Monaten mussten wir Erfahrungen machen, die wir bis dahin höchstens aus Hollywood-Filmen kannten. Aber dass es einmal Wirklichkeit werden könnte, überstieg unser aller Vorstellungsvermögen. Nun ist das Unglaubliche eingetreten und ich dachte, die Menschheit würde etwas mehr Respekt davor zeigen.
Was tun Sie konkret im Kampf gegen das Virus?
Wenn ich im Supermarkt einkaufen gehe und es hat viele Menschen, ziehe ich eine Maske an. Ich versuche zudem, meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so gut es geht vor dem Virus zu schützen. Wir haben Sicherheitsmassnahmen eingeführt – unter anderem arbeiten immer die Hälfte der Belegschaft im Homeoffice. Ich war übrigens kein Fan des Lockdowns. Ich denke, mit etwas mehr Fingerspitzengefühl hätten wir die Situation besser managen können. Auf der anderen Seite verstehe ich nicht, warum nun sofort wieder alles geöffnet worden ist. Mir kommt es so vor, als würden wir von einem Extrem ins andere wechseln.
Themenwechsel: Haben Sie als junger Modemacher nicht auch einmal davon geträumt, wie Karl Lagerfeld zu werden?
Karl Lagerfeld ist eines meiner wenigen Vorbilder. Ich bin fasziniert davon, wie er sich in der Modebranche etabliert und später zur internationalen Marke gemacht hat. Es gibt nur sehr wenige, die das geschafft haben, ohne dass sie ihre eigene Modemarke lanciert haben. Das alles fand ich sehr erstrebenswert. Trotzdem wählte ich selber eine andere Herangehensweise. Es fing damit an, dass ich gar nicht Modedesigner werden wollte.
Was wollten Sie als junger Mann werden?
Ich wollte Geschäftsmann werden und als Unternehmer Erfolg haben. Aber was ich genau machen wollte, also in welchem Bereich, wusste ich damals nicht.
Welches war Ihr zweites Kleidungsstück nach der Militärjacke mit dem Swarovski-Totenkopf?
Eine Ledertasche (lacht). Wissen Sie, ich lebe nach dem Motto ‹learning by doing›. Es ist mit einer der Gründe, warum ich bis heute in der Modebranche als Aussenseiter gelte. Ich ging nicht den klassischen Karriereweg. In der Modebranche kennen sich alle – die Designer kennen sich untereinander, die Models und die Journalistinnen ebenfalls. Ich dagegen bin einfach reingestolpert, ohne dass mich jemand eingeladen hätte. Aber ich habe auch nicht darum gebettelt, dass ich eingeladen werde. Diese Situation kenne ich schon aus meiner Kindheit. Ich bin mit meinen Eltern mindestens sechsmal umgezogen, war also immer ‹der Neue› in der Schule.
Hat Sie das immun gemacht gegen Kritik?
Ach, ich ziehe einfach mein Ding durch und habe keine Ambitionen, dazu gehören zu wollen. Möglicherweise hat das auch negative Auswirkungen. Aber ich will mich nicht mit den anderen arrangieren, wie das die meisten in der Modebranche tun. Ich habe auch schon oft Dinge gesagt und getan, die nicht allen gefallen.
Was stellt Erfolg in der Modewelt mit einem an?
Mich hat der Erfolg nicht verändert. Ich muss dazu sagen, ich komme aus einem gut situierten Elternhaus. Mein Vater war Arzt. Meine Eltern haben mich am Anfang meiner beruflichen Karriere jedoch nicht unterstützt.
Warum nicht?
Sie hätten es lieber gesehen, wenn ich fertig studiert hätte, bevor ich ans Geldverdienen dachte. Heute verstehe ich ihren Einwand. Damals hatte ich jedoch andere Ziele. In der Folge brach ich mein Jura-Studium ab und fing an, Möbel und Hundebetten zu designen und an Messen zu verkaufen. Meine Eltern fanden das nicht gut, aber sie liessen mich machen. Sie dachten wohl, dass ich mich nach den ersten Misserfolgen zurückbesinnen und wieder daheim anklopfen würde.
Und klopften Sie an?
Obwohl ich geschäftlich nicht von Anfang reüssiert habe, war ich zu stolz, um bei meinen Eltern anzuklopfen. Stattdessen habe ich mich durchgekämpft und bei meiner damaligen Freundin Geld ausgeliehen. Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir einmal während der Mailänder Möbelmesse mehrere Tage in einem Bordell übernachten mussten. Ich hatte nicht genügend Geld für ein normales Hotelzimmer. Wir mussten jeden Morgen ausziehen, weil die Zimmer durch den Tag stundenweise vermietet wurden.
Was denken Ihre Eltern heute über Ihre Karriere?
Ich glaube, sie sind stolz darauf, was ich erreicht habe.
Finden Sie Influencer spannend?
Ich finde Influencer spannend, die einzigartig sind, also ein Talent haben, das andere nicht haben.
Welche Influencer, welche Modeblogs empfehlen Sie – und warum?
Ich bin mehr der Faktenmensch, lese lieber die ‹FAZ›.
Was hat ‹Vogue›-Chefin Anna Wintour, was andere nicht haben?
Anna Wintour ist ‹completely overrated›. Ich war einer der ersten und bin sicher nicht der letzte, der das so beurteilt: Diese Ära ist bald vorbei. Wintour und Co. sind mit Dinosauriern vergleichbar – und die sind ja schon vor längerem ausgestorben. Aber sie haben einen grossen Fussabdruck hinterlassen. Anna Wintour wurde einst auf den Thron gehoben und sitzt jetzt dort und bleibt Königin bis an ihr Lebensende. Ich bin jedoch überzeugt, dass danach die Monarchie nicht mehr weiterleben, sondern es eine Demokratie geben wird.
Trägt der Teufel Prada oder Plein?
Im Film trägt er Prada, in Realität trägt er Plein.
Und was trägt Gott?
Wahrscheinlich ein himmlisches Gewand.
Wer sollte Ihre Mode bloss nicht tragen?
Ich bin da sehr liberal eingestellt – meine Kleider kann tragen, wer will.
Tragen Sie ausschliesslich eigene Mode oder auch Modelle von anderen Designerinnen und Designern?
Mittlerweile trage ich nur noch Philipp Plein. Ich mache halt genau die Mode, die mir persönlich am besten gefällt.
Welches Kleidungsstück sollte jede Frau im Schrank haben?
Eine Lederjacke ist viel cooler als ein Kleid. Bei einem Kleid muss man zudem immer aufpassen, dass es genau zum Anlass passt. Oft ist es ja auch so, dass die Frauen ein Kleid nur einmal tragen wollen. Eine Lederjacke ist multifunktionaler einsetzbar.
Welches Kleidungsstück sollte jeder Mann in seinem Schrank haben?
Eine Lederjacke.
Was ist das hässlichste Kleidungsstück in Ihrem Schrank?
Da hängt kein hässliches Kleidungsstück.
Das schönste Kompliment, das man Ihnen, Ihre Tattoos betreffend, je gemacht hat?
Ich bekam ein wunderschönes Kompliment für den Namen meines Sohnes, den ich auf meinem Rücken tätowiert habe.
Sie haben Ihren eigenen Namen auf den linken Unterarm tätowiert …
… vor 20 Jahren habe ich das getan.
Warum?
Ich wollte jahrelang ein Tattoo stechen lassen, mein Vater erlaubte es mir jedoch nicht. Als Jungunternehmer weilte ich einmal an einer Messe in den USA. Kurz davor hatte ich mich entschlossen, mit dem Jura-Studium aufzuhören. Als Zeichen für den Neuanfang tätowierte ich mir damals meinen Vor- und Nachnamen auf den rechten Unterarm.
Ziemlich arrogant, nicht?
Ich wollte damit zeigen: Ich habe mich entschieden, alles für meine Marke zu tun. Philipp Plein war damals noch keine Marke. Philipp Plein kannten damals nur ein paar wenige Menschen. Das Tattoo erinnert mich seither jeden Tag daran, für was ich mich entschieden habe. Es ist sozusagen mein Mahnmal. Egal, was kommt, ich muss da durch.
Glauben Sie an das Schicksal?
Nein. Ich glaube, dass wir Menschen für alles, was um uns passiert, selber verantwortlich sind. Natürlich gibt es Situationen, die wir nicht beeinflussen können – etwa unsere Gesundheit. Es hat also nichts mit Schicksal zu tun, wenn jemand krank wird. In den meisten Fällen kann ein Mensch nichts dafür, wenn er krank wird.
Glauben Sie an Gott?
Ja. Ich bete jeden Tag. Als Jugendlicher war ich Ministrant. Während der Schulzeit bin ich jede Woche zweimal morgens um 6 Uhr in die Kirche gegangen, um zu ministrieren. Ich war ein sehr aktiver Ministrant und bin relativ religiös aufgewachsen.
Gehen Sie im Tessin in die Kirche?
Leider spreche ich kein Italienisch, deshalb gehe ich nicht in den Gottesdienst. Mir macht es keinen Spass, in die Kirche zu gehen und nicht zu verstehen, was der Pfarrer predigt. Aber ich gehe regelmässig zum Beten in die Kirche – das mache ich übrigens auch in Los Angeles, wo ich ebenfalls ein Haus besitze. Ich finde Religionen toll. Meine Schwester ist vor Ihrer Hochzeit zum Judentum konvertiert. Es war wunderbar zu sehen, mit wie viel Enthusiasmus sie sich darauf vorbereitet hat.
Haben Sie Angst vor dem Tod?
Ich weiss nicht, ob ich Angst vor dem Tod habe. Auf jeden Fall möchte ich heute noch nicht sterben.
Möchten Sie unsterblich sein?
Das weiss ich nicht. Aber ich würde gerne länger auf der Welt bleiben, weil ich noch so viel Pläne habe, noch so viele Dinge realisieren möchte. Früher war es ja so, man ist in einer Stadt geboren und stirbt meistens auch dort. Heute leben wir in einer globalen Welt. In einigen Stunden bin ich mit dem Flieger bereits auf der anderen Seite der Erde. Gleichzeitig rennt einem die Zeit manchmal fast davon, weil wir so beschäftigt sind. Manchmal wache ich auf und denke: Wupps, jetzt bin ich schon 42, dabei bin ich im Kopf doch immer noch 16 oder 17.
Sie scheinen sich noch nicht daran gewöhnt zu haben, älter zu werden.
Wahrscheinlich. Als mich neulich jemand fragte, wie alt ich sei, musste ich erst einen Moment nachdenken (lacht).
Könnten Sie sich vorstellen, mit Sterbehilfe zu gehen?
Sagen wir es so: Sterbehilfe kann Sinn machen, aber es ist wichtig, dass der Schritt wirklich gut überlegt ist. Ich für mich kann es mir heute nicht vorstellen. Aber wer weiss, wie ich darüber denke, wenn ich alt bin.
Noch mehr «Bötschi fragt»-Gespräche finden Sie unter diesem Link.
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