Kolumne Hochnebel – mitten im Grau lässt sich nach den Sternen greifen

Von Caroline Fink

7.12.2020

Wer über den Hochnebel jammert, hat vielleicht bloss zu wenig Fantasie. Denn Tatsache ist: Auch mitten im grauen Deckel lässt sich nach den Sternen greifen.

Nebel nervt. In diese zwei Worte lässt sich die Meinung vieler Bewohner des Schweizer Mittellandes fassen. Ich selbst indes bin recht immun gegen das Jammern über Nebel. Insbesondere über Hochnebel.

Einerseits, weil ich mich oft in den Bergen bewege und auf das Nebelmeer unter mir blicke. Anderseits, weil ich am Jurasüdfuss aufgewachsen bin, wo man erst von «Nebel» spricht, wenn man des Nachbars Haus nicht mehr sieht. Was dort im Herbst während mehrerer Wochen der Fall sein kann. Hochnebel, glauben Sie mir, ist ein Klacks dagegen.

Zur Autorin: Caroline Fink
Bild: Gaudenz Danuser

Caroline Fink ist Fotografin, Autorin und Filmemacherin. Selbst Bergsteigerin mit einem Flair für Reisen abseits üblicher Pfade greift sie in ihren Arbeiten Themen auf, die ihr während Streifzügen in den Alpen, den Bergen der Welt und auf Reisen begegnen. Denn von einem ist sie überzeugt: Nur was einen selbst bewegt, hat die Kraft, andere zu inspirieren.

In den vergangenen Novembertagen aber wurde selbst mir der graue Deckel über Zürich zu viel. Nur noch spärlich sickerte das Tageslicht in die Stadt und mit einer Luftfeuchtigkeit von über 70 Prozent bei 2 Grad Celsius kroch die Kälte unter Jacken und Mützen, als wären diese aus Seidenpapier.

Wie absurd die Zürcher Wetterlage war, wurde mir spätestens bewusst, als ich auf dem Planetenweg am Uetliberg – notabene in Gegenwart eines Bündners – sagte, die gelbe Kugel auf dem Podest am Wegrand sei «die Sonne». Worauf er entgegnete, die sehe «im Bündnerland aber anders aus».

Etwa zeitgleich fiel mir ein englisches Sprichwort ein. «Gibt das Leben dir Zitronen», besagt dieses, «mach draus Limonade!» Gedacht, getan, begann ich mich dem Phänomen des Hochnebels anzunehmen, anstatt mich über diesen zu ärgern.

Allem voran versuchte ich, sein Entstehen zu verstehen. Lernte, dass kalte Luft im riesigen Trog des Mittellandes liegen bleibt und sich nicht mehr mit wärmeren Luftschichten darüber vermischt – weil kalte Luft sinkt, während warme Luft steigt. Woraus eine ziemlich stabile Inversionswetterlage entsteht. Sprich, eine verkehrte Welt, bei der es unten kälter ist als oben.

Abrakadabra – Wolken entstehen!

Dort wiederum, wo die kalten und warmen Luftschichten aufeinandertreffen, entsteht Gewölk. Denn warme Luft vermag mehr Feuchtigkeit zu tragen als Kaltluft. Gelangt hingegen Feuchtigkeit in kalte Luft, kondensiert sie. Denken Sie ans Badezimmerfenster, das Sie im Winter nach dem Duschen öffnen.

Was passiert?

Abrakadabra – Wolken entstehen! Oder eben Hochnebel, der sich hierzulande auf einer Höhe von durchschnittlich 800 Metern festsetzt. Kommt die Bise dazu, drückt diese die Hochnebeldecke aus Nordosten gegen die Alpen und lässt sie bis auf 1500 Meter steigen. Was dann im Fall von Zürich heisst: dass selbst der Gipfel des Hausbergs – der 870 Meter hohe Uetliberg – im grauen Deckel steckt.

Ein letzter Schneefall zuckert die Krete des Albis: Blick vom Aussichtsturm Hochwacht gegen Westen bei Sonnenuntergang.
Ein letzter Schneefall zuckert die Krete des Albis: Blick vom Aussichtsturm Hochwacht gegen Westen bei Sonnenuntergang.
Bild: Keystone

Zitronen und Limonade im Sinn, entschied ich also, das Beste aus dem Wetterphänomen zu machen. Zog mich warm an und stieg auf dem Uetliberg stracks in die Nebeldecke. Ohne Zitronenpresse zwar, dafür mit Stativ, Lampe und Kamera.

Das Resultat?

Bilder (siehe Bildergalerie) wie aus dem tiefen Kosmos! Was ja auch logisch ist. War die Sonne doch nur rund 300 Meter von meinem Standort entfernt.

«Die Kolumne»: Ihre Meinung ist gefragt

In der Rubrik «Kolumne» schreiben Redaktorinnen und Redaktoren, freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von «blue News» regelmässig über Themen, die sie bewegen. Leserinnen und Leser, die Inputs haben oder Themenvorschläge einreichen möchten, schreiben bitte eine E-Mail an: redaktion2@swisscom.com.

Zurück zur Startseite