Kolumne am MittagKönig der Fischer – darum kann Urs Bundesliga
Von Bruno Bötschi
28.7.2020
Wie kann ein Bundesliga-Trainer abschalten? Urs Fischer, der Schweizer Trainer von Union Berlin, macht seinem Namen alle Ehre: Er geht fischen.
Stress, Druck, Angst vor dem Versagen: Trainerposten im Spitzenfussball sind Verschleissjobs. Der Zürcher Urs Fischer kann ein Lied davon singen, er ist seit 36 Jahren im Geschäft.
Bei Union Berlin feierte Fischer im Juli sein zweijähriges Dienstjubiläum. Unter seiner Regie spielt der Verein aus dem Ortsteil Köpenick äusserst erfolgreich. Nach dem Aufstieg in die erste Bundesliga schaffte er in dieser Saison den Ligaerhalt und bleibt eine weitere Spielzeit erstklassig.
Fischer coachte sein Team klug durch die allererste Bundesliga-Saison der Vereinsgeschichte. Er liess sich auch durch schlechtere Resultate nach dem Re-Start nicht beunruhigen.
Warum Fischer am Spielfeldrand so ausgeglichen ist? Möglicherweise hat es mit seinem Hobby zu tun. Er ist passionierter Fliegenfischer. Sucht der 54-Jährige Entspannung, greift er zur Angel.
Die Geheimnisse des Fliegenfischens
Die Freude am Fischen ist für Urs Fischer zuerst einmal die Freude an der Natur. «Mich entspannt ans Wasser zu setzen, zu beobachten, was sich an der Oberfläche so tut. Dann die faszinierende Technik des Werfens. Der Fang steht für mich nicht im Vordergrund, sondern der Ausgleich zum Fussball. Ich kann beim Fischen bestens herunterfahren, nur noch ans Fischen denken und mich so erholen,» erzählte er dem Schweizer Fischermagazin «Petri-Heil».
Kürzlich weilte Fischer einige Tage in Österreich in den Ferien, in Bad Goisern ganz genau. Er hat sich extra einen Guide gebucht, um ihm die letzten Geheimnisse des Fliegenfischens zu entlocken.
Fliegenfischen gilt als die schönste Art, einen Fisch zu fangen. Es ist eine Kombination aus Angeln und Jagen. Wer ein erfolgreicher Fliegenfischer werden will, muss das Wasser lesen können: Wie tief ist der Fluss? Wie gut ist die Sicht? Welche Taktik wende ich an? Und wo steigt der Fisch?
Wer ein erfolgreicher Fussballtrainer werden will, muss das Spiel lesen können. Fischer tut dies mit Ruhe und Besonnenheit. Neben seinem Führungsstil überzeugt er zudem als Fussballlehrer.
Das kommt an in der deutschen Hauptstadt. Nachdem der Klassenerhalt geschafft war, notierte die Berliner Tageszeitung «TaZ»: «Der Schweizer ist ein Glücksfall für den Verein, weil er nicht nur ein guter Fachmann ist, sondern auch zum Klub passt. Besonnen, keine Nervosität ausstrahlend, aber konsequent auf sein Ziel ausgerichtet.»
Kann er Bundesliga?
Als Urs Fischer im Juli 2018 zu Union Berlin wechselte, war von dieser Freude wenig zu spüren. Kritiker stellten schon bald die Frage: Kann er Bundesliga? Er konnte Zürich, Thun und Basel, aber im Ausland hatte er bis dahin noch nie gearbeitet.
Fischer lässt als Trainer eher resultatorientiert spielen. Wenn er zwischen Sicherheit und Mut wählen kann, sagen Experten, entscheide er sich für die Sicherheit. Typisch Schweizerisch halt – aber erfolgreich.
Kann er Bundesliga? Vielleicht sollte man die Frage umformulieren: Warum denn nicht?
Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «Bluewin» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.