Liebe und Schläge Jonny Fischer: «Nach der Lektüre meiner Biografie haben sich Menschen getrennt»

Von Bruno Bötschi

17.1.2022

Jonny Fischer: «Die Reaktionen auf meine Biografie haben mich unheimlich berührt»

Jonny Fischer: «Die Reaktionen auf meine Biografie haben mich unheimlich berührt»

Komiker Jonny Fischer hat mit 42 seine Biografie geschrieben. Der Bestseller hat bei vielen Menschen dazu geführt, dass sie ihr Leben verändert haben – manche haben sich sogar von ihrer Partnerin oder ihrem Partner getrennt.

17.01.2022

Komiker Jonny Fischer hat mit 42 seine Biografie geschrieben. Sie steht seit einem halben Jahr ganz vorne in der Bestsellerliste. Hier erzählt er, warum er Angst hatte, dass wegen des Buchs seine Familie zerbricht – und wie es mit dem Cabaret Divertimento weitergeht.

Von Bruno Bötschi

Jonny Fischer, wie geht es dir?

Mir geht es sehr gut. Ich bin wunderbar ins neue Jahr gestartet.

Im September ist deine Biografie «Ich bin auch Jonathan. Jonny Fischer – Die Geschichte einer Versöhnung» erschienen. Während der vergangenen vier Monate stand sie immer auf Platz eins oder zwei der Schweizer Buch-Hitparade. Woher kommt dieses grosse Interesse an deiner Lebensgeschichte?

Ehrlich gesagt, ich bin selber total überrascht, dass sich das Buch derart gut verkauft. Ich denke, der Erfolg hat weniger mit meiner Person zu tun, als vielmehr mit meiner Lebensgeschichte – also, dass ich über meine Krisen erzähle. Wir alle haben einen Rucksack zu tragen, aber nicht jeder Mensch erzählt darüber so offen, wie ich es getan habe.

Was ist in deinem Leben passiert, seit das Buch erschienen ist?

Sehr viel. Ich dachte ja anfänglich, wenn die Biografie einmal draussen ist, könne ich hinter mein bisheriges Leben einen Haken setzen.

Doch es kam anders.

Es ist unglaublich. Ich habe die Reaktionen nicht gezählt, aber in den letzten vier Monaten habe ich zwischen 5000 und 10'000 Briefe, Karten und E-Mails erhalten.

Was schreiben dir die Menschen?

Es gibt solche, die sich nach der Lektüre des Buches von ihrer Partnerin oder ihrem Partner getrennt haben. Jemand schrieb, er habe wegen meiner Lebensgeschichte seine Firma aufgelöst. Das Buch hat bei vielen Menschen dazu geführt, dass sie ihr Leben total verändert haben. Besonders berührt hat mich die Geschichte eines 72-Jährigen.

Erzähl bitte.

Der Mann hat kürzlich seine Frau verloren. Er weiss aber schon seit 50 Jahren, dass er schwul ist. Nun fragt er sich, ob er sich noch outen soll.



Wirst du wegen des Buches auch auf der Strasse angesprochen?

Das passiert regelmässig. Während dieser Begegnungen erzählen mir die Menschen oft ganz intime Geschichten aus ihrem Leben.

Ist dir diese Nähe zu viel?

Nein, gar nicht. Mein Management und ich haben jedoch schon früh vereinbart, dass ich zwar alle Reaktionen lesen werde, aber nur in Einzelfällen antworte.

Warum habt ihr so entschieden?

Ich bin kein Psychologe, kann also keine professionelle Hilfe anbieten. Ich glaube zudem, viele Leute erwarten gar keine Antwort von mir persönlich. Es tut ihnen allein schon gut, dass sie ihre Lebensgeschichte einmal zu Papier bringen konnten – so wie mir auch.

Warum ist es dir so wichtig, dass die Öffentlichkeit Bescheid weiss über dein privates Leben respektive die Verhältnisse innerhalb der Familie Fischer?

Die Publikation meiner Lebensgeschichte war für mich so etwas wie ein zweites Outing. Wenige Tage vor dem Publikationstermin wurde ich dann allerdings plötzlich extrem nervös.

Warum das?

Ich hatte Angst, dass die Menschen, wenn sie meine Geschichten lesen, mich nicht mehr gerne haben. Und ich fürchtete, meine Biografie könnte als einziger Egotripp rüberkommen und die Leute könnten denken: «‹Gopfertori› Fischer, halt endlich deine Klappe!» Heute weiss ich jedoch, wenn man die Hose nur ein bisschen runterlässt, ist man angreifbar. Lässt man sie aber ganz herunterfallen, hat man nichts mehr zu verlieren und die Menschen gehen danach viel achtsamer mit einem um.

Wie achtsam gehst du mit dir selber um?

Deutlich achtsamer als noch vor einigen Jahren. Über die Festtage war ich mit Michi, meinem Mann, in Thailand. Während unserer Ferien achtete ich ganz gezielt darauf, vor allem Dinge zu tun, die mir gefallen und guttun. Das fängt schon im Kleinen an: Hatte Michi Hunger und wollte essen gehen, ich aber noch nicht, drehte ich mich stattdessen nochmals auf dem Liegenstuhl.

«Ich fürchtete, meine Biografie könnte als einziger Egotripp rüberkommen»: Jonny Fischer
«Ich fürchtete, meine Biografie könnte als einziger Egotripp rüberkommen»: Jonny Fischer
Bild: Geri Born

Deine Eltern kommen in deiner Biografie nicht gut weg: Du bist in einer Freikirche aufgewachsen. Dein Vater, er ist 2016 gestorben, hat dich geschlagen. Wie reagierte deine Mutter auf das Buch?

Kurz nach Erscheinen des Buches wurde unser Verhältnis noch komplizierter als eh schon war. Die Schlagzeilen über unsere Familie waren nicht nett. Sie taten meiner Mutter weh, verständlicherweise. Das war auch schwierig für mich, denn es war nicht mein Ziel. Wochen später realisierte meine Mutter aber, wie viel Positives das Buch bei vielen Menschen auslöst. Sie las das Buch dann nochmals – in der Folge haben wir uns wieder gefunden.

Und wir konnten über Dinge reden, die noch nie Thema waren zwischen uns. Sie hat mir auch Sachen erzählt, von denen ich bisher noch gar nichts gewusst habe. Ja, durch das Buch hat sich die Beziehung zu meiner Mutter erfreulich entwickelt. Und das ist gut so.

Gabe es auch unschöne Reaktionen auf das Buch?

Im Vorfeld hatte ich die Befürchtung, es könnte Kritik aus dem christlichen Lager geben.

Und?

Ich bekam viele Reaktionen aus kirchlichen Kreisen, aber durchwegs positive. Viele Pfarrer*innen schrieben mir, dass sie das Buch toll finden. In manchen Pfarreien soll es sogar zur Pflichtlektüre gehören.

Und wie geht es dir persönlich heute mit deiner Lebensgeschichte?

Zwei Wochen nach Erscheinen des Buches legte ich einen Stopp ein. Ich nahm mich ganz gezielt zurück. Heute rede ich mit dir – nach fast vier Monaten Pause – zum ersten Mal wieder öffentlich über meine Biografie.



Hast du es in den vergangenen Monaten je einmal bereut, dass du die Biografie publiziert hast?

Nein. Kaum war das Buch erschienen, spürte ich: Es ist der richtige Weg. Ich habe mich in den letzten Wochen mehrmals mit Angela Lembo-Achtnich, der Autorin meiner Biografie, getroffen und mit ihr angestossen. Wir dachten beide nicht, dass unser Buch so lange so weit vorne in der Buch-Hitparade stehen würde – nicht zuletzt auch deshalb, weil in letzter Zeit noch von anderen berühmten Schweizern Bücher erschienen sind.

Ab dieser Woche bist du mit deiner Biografie auf Lesetour.

Darauf freue ich mich sehr. Aber danach ist die Geschichte dann wirklich abgehakt für mich …

… und du konzentrierst dich wieder voll auf das «Cabaret Divertimento».

So ist es. Manu Burkart und ich sind total happy, dass wir nach der coronabedingten Pause wieder auf der Bühne stehen dürfen.

Ende April geht eure aktuelle Tournee zu Ende. Was kommt danach?

So viel kann ich verraten: Es wird ein neues Programm geben. Wann und wo wir Premiere feiern werden, steht aber noch nicht fest. Und unter uns gesagt: Die Corona-Pandemie war für Manu und mich so etwas wie ein Rettungsanker.

Wie meinst du das?

Während der Zwangspause haben wir beide zu neuer Spielfreude gefunden. Ich würde sogar behaupten, unsere Beziehung ist besser als sie je war – und das macht mich total glücklich.


Bibliografie: «Ich bin auch Jonathan. Jonny Fischer – Die Geschichte einer Versöhnung», Angela Lembo-Achtnich, Wörterseh Verlag, 235 Seiten, 36.90 Fr.

Lesetour: Vom 19. bis 29. Januar ist Jonny Fischer mit seiner Biografie auf Tournee. Eintrittskarten dafür können unter diesem Link reserviert werden.


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