Kolumne Heilendes Atmen – oder wie ich das absolute Glück erlebte

Von Michelle de Oliveira

26.10.2020

Richtige Atmung soll heilen können – die Kolumnistin wollte es testen und besuchte einen Workshop. (Symbolbild)
Richtige Atmung soll heilen können – die Kolumnistin wollte es testen und besuchte einen Workshop. (Symbolbild)
Bild: Getty Images

Die Arbeit mit der Atmung, sogenannte Breathwork, verspricht Heilung, Einsicht und transformierende Erfahrungen. Die Kolumnistin hat es ausprobiert. Und wurde nicht enttäuscht.

Die Schnauferei ist anstrengend und macht mich hässig. Ich will aufhören, nach Hause gehen und Wein trinken. Aber wegen des Atmens bin ich nun mal hier und so bleibe ich auf dem Rücken liegen und hyperventiliere weiter.

Ich nehme an diesem Freitagabend an einer Breathwork-Session teil, in einem Yogastudio in Zürich, zusammen mit vier anderen Frauen und zwei Männern. Astrid Meier leitet den Workshop an. Sie erklärt, dass Breathwork das Potenzial hat, Blockaden zu lösen, Ängste loszulassen und Stress zu reduzieren.

Nach einer Weile fällt mir das Atmen leichter, dafür verkrampfen sich meine Hände und Finger extrem. Ich weiss jetzt, was Astrid meinte, als sie von T-Rex-Händen gesprochen hatte. Ich schwitze und strample die Decke von mir. Das Trommeln wird lauter, vermischt mit der Musik höre ich Astrids Stimme: «Bleibt dran, atmet weiter.»

Zur Autorin: Michelle de Oliveira
Bild: zVg

Michelle de Oliveira ist Journalistin, Yogalehrerin und Mutter und immer auf der Suche nach Balance – nicht nur auf der Yogamatte. Ausserdem hat sie ein Faible für alles Spirituelle und Esoterische. Ihn ihrer Kolumne berichtet über ihre Erfahrungen mit dem Unfassbaren. Sie lebt mit ihrer Familie in Zürich.

Meine Hände tun mir weh, der Kiefer ist verkrampft, die Brustmuskulatur kribbelt und ich will schon wieder aufhören. Ausser Unwohlsein bringt mir das gar nichts, denke ich.

Und dann passiert es: Ein Glücksgefühl durchströmt mich. Mein Kopf ist erfüllt mit nur einem einzigen Gedanken: «Es ist alles so schön.» Eine Weile schwebe ich in diesem Zustand und bin völlig verblüfft. Eine Dimension des Empfindens, die mir bisher fremd war. Es fühlt sich so an, wie ich es aus Erzählungen von LSD-Experimenten kenne.

Tatsächlich wurde das Holotrope Atmen, eine der verschiedenen Arten von Breathwork, vom Psychotherapeuten Stanislav Grof erfunden. Er experimentierte in den 1970er-Jahren mit LSD als psychotherapeutisches Instrument. Als dies verboten wurde, suchte er nach einer Alternative und entdeckte, dass gewisse Atemtechniken einen ähnlichen Effekt erzielen können.

Wenn es nur nicht so anstrengend wäre

Plötzlich weine ich heftig und laut. Nicht weil ich traurig bin, sondern weil etwas raus muss. Nach einer Weile beruhige ich mich, kehre zurück zu meinen schmerzenden, deformierten Händen. Ich bin schweissnass, doch jetzt friere ich. Es gelingt mir nicht, mit meinen starren Händen die Decke zu fassen. Ich gebe Astrid ein Zeichen, sie deckt mich zu. Ich döse weg, fix und fertig wie ich bin.

Irgendwann wird die Musik leiser, Astrids Stimme holt mich aus meiner Versenkung, sie bringt uns Tee. Meine Hände fühlen sich noch immer taub an und zittern, ich kann die Tasse kaum festhalten und muss sie mit beiden Händen zum Mund führen. Aber innerlich bin ich ruhig und auf eine sehr entspannte Art glücklich.

Auch nach einigen Wochen denke ich noch oft an dieses unbeschreibliche Gefühl und möchte es wieder erleben. Wenn es nur nicht so anstrengend wäre. Vielleicht probiere ich es beim nächsten Mal doch einfach mal mit LSD.

Die nächste Breathwork Ceremony mit Astrid Meier findet am 30. Oktober 2020 statt.

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In der Rubrik «Die Kolumne» schreiben Redaktorinnen und Redaktoren von «blue News» regelmässig über Themen, die sie bewegen. Leserinnen und Leser, die Inputs haben oder Themenvorschläge einreichen möchten, schreiben bitte eine E-Mail an: redaktion.news@blue.ch.

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