Krankmachende BlutsaugerMediziner: «Zeckensprays sind unzuverlässig»
Runa Reinecke
8.4.2019
Endlich Frühling. Aber nun lauern auch die Zecken wieder auf ihre Blutmahlzeit. Ein Experte verrät, was die Spinnentierchen so gefährlich macht und wie man sich vor einem Stich der kleinen Schmarotzer schützt.
Was ist zu tun, wenn man eine Zecke auf frischer, blutsaugender Tat erwischt? Warten, bis man zuhause ist oder sofort entfernen? Und wie macht man das überhaupt richtig? Wir haben mit Norbert Satz gesprochen. Der Arzt hat sich auf Krankheiten spezialisiert, die von Zecken auf den Menschen übertragen werden.
Herr Satz, lauern die Zecken schon jetzt auf ihre Opfer?
Ja, denn jetzt ist das Wetter schön, und man bewegt sich wieder mehr im Freien.
Ab wann beginnt die Zeckensaison?
Bei Temperaturen ab sieben bis zehn Grad werden sie aktiv.
Bei uns heimische Zeckenarten wie Holzbock oder Auwaldzecke bekommen Konkurrenz: Offenbar wurde die tropische Hyalomma-Zecke auch schon in unseren Breiten gesichtet …
Ich habe hier noch keines dieser Exemplare gesehen. Da muss man erst einmal abwarten. Es wäre nicht die erste Zeckenart, die aufgetaucht und wieder verschwunden ist.
«Unsere» Zecken haben es aber auch in sich …
Die Zecke selbst ist nicht gefährlich. Anders die von ihr übertragenen Krankheiten wie Lyme-Borreliose, Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) oder die Tularämie (Hasenpest). Letztere ist seltener.
Wo muss man besonders aufpassen?
In freier Natur. Ganz besonders dann, wenn man durch das Unterholz des Waldes geht oder über eine Wiese. Zecken halten sich an der Erdoberfläche auf, überall dort, wo es feucht ist, weshalb sie im Wald besonders zahlreich sind. In welchen Höhenlagen sie vorkommen, darüber ist sich die Fachwelt nicht ganz einig. Bis 1'000 bzw. 1'200 Meter über dem Meeresspiegel besteht eine reelle Gefahr, von einer Zecken gestochen zu werden.
Was ist zu tun, wenn man eine Zecke auf frischer Tat ertappt?
Am wichtigsten ist der Faktor Zeit: Sobald sie entdeckt wird, sollte sie so schnell wie möglich entfernt werden. Also nicht warten, bis man zuhause ist, denn: Je länger die Zecke Blut saugt, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie Erreger überträgt.
Wie muss man das Spinnentierchen entfernen?
Mit der Pinzette, einer Zeckenkarte oder mit den Fingernagel wegkratzen.
Und wenn der Stechapparat beim Wegkratzen der Zecke in der Haut verbleibt?
Der löst sich meistens von selbst auf, oder es entsteht später ein kleines Eiterpickelchen. Das ist aber völlig unproblematisch.
Muss ich den Übeltäter in einem Behältnis mitnehmen, damit später im Labor untersucht werden kann, ob er mit gesundheitsgefährdenden Erregern infiziert ist?
Nein, denn das bringt nichts. Die Information, ob die Zecke Träger eines Erregers ist, hat keinen Nutzen, denn man kann nicht – im Voraus – auf Borreliose mit Antibiotika behandeln. Selbst wenn in der Zecke keine Erreger gefunden werden, ist nicht hundertprozentig sicher, dass sie nicht doch infiziert ist.
Wie häufig kommt die Borreliose – im Vergleich zur FSME – vor?
In der Schweiz sind stellenweise bis zu 50 Prozent aller Zecken mit Borrelien infiziert. Man geht davon aus, dass hierzulande jedes Jahr etwa 10’000 Personen an Borreliose erkranken. Im Vergleich dazu tritt die FSME 500 Mal seltener auf. Andere Erkrankungen beschränken sich auf Einzelfälle.
Die kreisrunde Rötung der Haut, auch als Wanderröte oder Erythema migrans geläufig, gilt als klares Anzeichen dafür, dass man von einer Zecke gestochen und mit Borrelien infiziert wurde. Trotzdem bleibt der Stich selbst oft unbemerkt. Wie kann das sein?
Das trifft auf 90 Prozent aller Fälle zu. Nymphen sind Zecken im mittleren Entwicklungsstadium. Haben sie sich mit Blut vollgesogen, sind sie nur einen Millimeter gross und mit blossem Auge kaum erkennbar. Das macht sie so gefährlich.
Kommt hinzu, dass sich die Wanderröte nicht bei jedem Erkrankten zeigt …
Nur bei zehn Prozent aller Infizierten macht sich die Borreliose durch ein Erythema migrans bemerkbar.
Da ist es nicht verwunderlich, dass sich Eltern Sorgen machen, wenn das Kind von einer Zecke gestochen wurde …
Bei Kindern verlaufen die durch Zecken übertragenen Krankheiten in der Regel problemlos. Stellt man bei Kindern eine Wanderröte fest, sind Antibiotika das Mittel der Wahl. Eine FSME verläuft bei Kleinkindern meistens ohne Symptome.
Und bei Erwachsenen?
Man muss nicht sofort zum Arzt, nur weil man von einer Zecke gestochen wurde. Wichtig ist, sich in den Wochen und Monaten nach dem Stich selbst zu beobachten: Erst wenn man Symptome wahrnimmt, eine kreisförmige Rötung der Haut etwa, starke Kopfschmerzen oder grippeähnliche Symptome wie Fieber, sollte man einen Mediziner aufsuchen.
Wie kann man sich gegen Borreliose und FSME schützen?
Gegen die durch ein Virus verursachte FSME sollte sich jeder impfen lassen! Bei Kindern wird das ab einem Alter von sechs Jahren empfohlen. Anders die Borreliose: Gegen Sie gibt es keine Impfung. Sie kann aber – wie schon erwähnt – mit Antibiotika behandelt werden.
Warum gibt es gegen Borreliose (noch) keine Impfung?
In Europa besteht eine unglaubliche Vielfalt von Untergruppen dieses Bakteriums. Bis jetzt wurde noch kein gemeinsamer Faktor gefunden, der es ermöglicht, einen wirkungsvollen und zugleich verträglichen Impfstoff herzustellen.
Inwiefern unterscheiden sich die Symptome der beiden geläufigsten «Zecken-Krankheiten»?
Die FSME betrifft ausschliesslich das zentrale Nervensystem, also das Gehirn, die Hirnhaut und das Rückenmark. Das Virus kann dort Entzündungen provozieren. Unter Umständen ist dadurch eine dauerhafte Schädigung des Gehirns möglich, die nur äusserst selten zum Tode, aber häufig zur Invalidität führt. Weil sich eine FSME-Infektion nicht ursächlich behandeln lässt, ist es wichtig, sich impfen zu lassen. Bei einer Borreliose ist das etwas anders: Sie kann grundsätzlich alle Organsysteme beeinträchtigen. Bevorzugt sind Gelenke, Haut, das Nervensystem und das Herz betroffen. Die Beschwerden können auch erst Monate nach der Infektion auftreten.
Ist es möglich, sich sowohl mit Borrelien als auch mit dem FSME-Erreger zu infizieren?
Das ist tatsächlich möglich, auch wenn das äusserst selten vorkommt. Ich selbst habe während meiner langjährigen Tätigkeit in meiner Praxis nur sehr wenige solcher Patienten gesehen.
Vorbeugen ist bekanntlich besser als heilen. Wie schätzen Sie den Nutzen von Zeckensprays ein?
Die können nicht empfohlen werden! Solche Mittel sind zu unzuverlässig, weshalb es sich nicht lohnt, ein solches anzuwenden.
Oha – es gibt im Handel wirklich kein einziges Präparat, das die Spinnentierchen zuverlässig fernhält?
Der Nutzen solcher Präparate beruht auf Resultaten, die bei Tests im Labor gemacht werden. Dort zeigen sie eine beschränkt abschreckende Wirkung. Im Alltag ist diese – im Vergleich zum Labor – aber viel geringer.
Was empfehlen Sie alternativ?
Wenn man sich in der Natur bewegt, sollte man das nur mit langen Socken und langen Hosen tun. Zuhause die Kleidung sofort ausziehen und den ganzen Körper mit einem Frottee-Tuch kräftig abreiben. Sollte man sich eine der winzigen, mit blossem Auge nicht oder kaum sichtbaren Zecken eingefangen haben, entfernt man sie auf diese Weise zuverlässig. Zecken sind äusserst robust. Sie überleben selbst Waschgänge bei höheren Temperaturen. Wenn man ganz sicher sein will, dass keine Zecke in der Hose oder dem T-Shirt auf eine Blutmahlzeit lauert – ab damit in den Tumbler!
Bibliografie: Zecken-Krankheiten, Nobert Satz, Hospitalis Verlag, ISBN 978-3-9520640-0-9, ca. 26 Fr.
Die Zecke: klein und brandgefährlich. Sie kann beim Menschen eine Hirnentzündung, die FSME, auslösen, die mit schwerwiegenden Komplikationen verbunden ist.
Bild: Keystone/EPA DPA/Stephan Jansen
Zecken sind nicht nur im Hochsommer aktiv: Waldbesucher sollten sich auch im Frühling und im Herbst mit körperbedeckender Kleidung und geschlossenen Schuhen gut vor ihnen schützen.
Bild: Keystone
Im Anschluss an einem Aufenthalt in der freien Natur sollte man Kleidung und den Körper nach Zecken absuchen. Vor allem in Achselhöhlen, Kniekehlen, am Hals oder Kopf saugen sie sich gern fest. Wer eine Zecke zügig nach einem Stich aus seinem Körper entfernt, läuft kaum Gefahr, an Lyme-Borreliose zu erkranken. Die Krankheitserreger befinden sich in Magen und Darm der Spinnentiere und geraten erst 12 bis 24 Stunden nach dem ersten Saugen in die Wunde.
Bild: Getty Images
Wichtig beim Entfernen: Die Zecke muss so nah wie möglich an der Haut gefasst, gelockert und langsam nach oben herausgezogen werden. Am besten gelingt das mit einer Zeckenkarte oder -pinzette.
Bild: Getty Images
Gegen FSME hilft das rasche Entfernen aber nichts. Die Erreger sitzen in den Speicheldrüsen der Spinnentiere und gelangen bei einem Stich sofort in den menschlichen Körper. Bei FSME handelt es sich um eine Gehirn- und Hirnhautentzündung, die sich zu Beginn durch grippeähnliche Anzeichen bemerkbar macht. Dagegen gibt es aber eine Impfung …
Bild: Keystone
… gegen die oft an einer Wanderröte rund um den Biss erkennbare Borreliose nicht.
Bild: Getty Images
Eine Zecke bohrt sich in die Haut: Nicht jedes dieser Spinnentiere trägt gefährliche Krankheitserreger in sich. Trotzdem sollte man sich vor ihren Stichen schützen.
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In Teilen Bayerns spitzt sich die Hochwasserlage zu: In mehreren Orten sind Menschen aufgefordert worden, sich in Sicherheit zu bringen.
Ein 42 Jahre alter Feuerwehrmann ist laut Landratsamt bei einem Einsatz in Oberbayern in Pfaffenhofen an der Ilm verunglückt.
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Und der Deutsche Wetterdienst erwartet weiteren Regen. Die Unwetter der vergangenen Tage haben mancherorts binnen 24 Stunden mehr Regen fallen lassen, als im Durchschnitt in einem Monat erwartet wird.
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