Matthias Hofbauer analysiert nach Platz 5 der Schweizer Unihockey-Nationalmannschaft an der WM in Malmö den ernüchternden Ist-Zustand
Er sagt, wo die Hebel angesetzt werden müssen, um den Anschluss an die Top 3 wieder zu schaffen.
Vorab die nackten Fakten: Der 5. Schlussrang der Schweizer Nationalmannschaft an der 15. Unihockey-WM in Malmö ist ein Tiefpunkt. Einzig 1996 hatten es die Schweizer Männer – an der ersten WM – als Fünfte ebenfalls nicht unter die ersten vier geschafft. Einmal Silber und siebenmal Bronze war die Ausbeute seither. Dazu kommen fünfmal Platz 4.
Auf das ungenügende Abschneiden folgt die Ursachenforschung. Wobei das Grounding in Schweden für Matthias Hofbauer, den Schweizer Unihockey-Rekordnationalspieler und heutigen Leiter der Männer-Nationalteams bei Swiss Unihockey, «mit Ansage» kam. Der 5. Rang sei «keine Momentaufnahme, sondern eine Tendenz», so der 2020 als langjährige Lokomotive des Schweizer Unihockeysports zurückgetretene Rekordspieler. Seine Hoffnung: Der Fall aus den Top 4 wirkt wie ein Weckruf.
Die Plätze 4 in den Jahren 2021 und 2022, die häufiger aufgetretenen Schwierigkeiten gegen Mannschaften wie Norwegen und Lettland sowie die strukturellen Defizite im Schweizer Klubwesen hatten den Trend schon vor dieser WM angedeutet. Während der Rivale Tschechien zuletzt grosse Fortschritte erzielt hat, ist die Schweiz seit dem Rücktritt des 194-fachen Schweizer Rekord-Internationalen und Rekord-Torschützen (139 Tore) stagniert. In Schweden fehlte es dem Schweizer Team nicht nur an Erfahrung, sondern auch an Qualität, mentaler Stärke, spielerischen Lösungen unter Druck und Kaltschnäuzigkeit im Abschluss.
Viele Mängel
Auch im Wissen, dass sich die Nationalmannschaft in einem grossen Umbruch befindet, dass das mit zwölf WM-Debütanten verjüngte Team noch relativ unerfahren ist und der nach der Heim-WM 2022 komplett ausgetauschte Trainerstaff Anlaufzeit braucht, ist die Mängelliste lang. Man habe «grosse Schwierigkeiten in der Offensive, grosse Mühe mit dem Toreschiessen» gehabt, sei in «gewissen Situationen verkrampft» und habe «unter Druck keine Lösungen gefunden», räumte auch Nationalcoach Johan Schönbeck in seiner WM-Rückschau nach dem mühevollen 6:3-Sieg gegen die Slowakei zum Abschluss ein.
Wobei die offensiven Defizite bereits bekannt waren. Seit längerem ist das Schweizer Unihockey defensiv geprägt. Häufig wird der Ball beim Spielaufbau quer gespielt, es fehlen kreative Intuition und Spielwitz. Ausnahmekönner von internationalem Topformat, Unterschiedsspieler wie seinerzeit Matthias Hofbauer, gibt es in der Schweizer Meisterschaft aktuell nur noch mit ausländischem Pass. Hinzu kommt, dass sich der Fokus auf die Top-Gegner und eine solide Defensive, um gegen diese zu bestehen, als fatal entpuppte. Die guten Resultate in den Testspielen der letzten Monate gegen die oft nicht in Topbesetzung angetretenen Teams vermittelte hierbei ein trügerisches Bild.
Eine Frage der Qualität? «Letztendlich ja», meint Hofbauer. Vor allem beim Schweizer Fördersystem sieht er Verbesserungspotenzial. Nach wie vor sei es für die Klubs schwierig, dem Nachwuchs schon in jungem Alter professionelle Strukturen zu ermöglichen. «Wir haben eine willige junge Generation, es gibt viele, die voll auf den Sport setzen wollen. Aber für die Vereine ist es eine riesige Herausforderung, diesen Ansprüchen gerecht zu werden.»
Als Kritik an den Vereinen und den dort tätigen Personen sind Hofbauers Worte – mit Ausnahme des Unverständnisses über das kurzfristige Denken in Bezug auf die Ausgaben für ausländische Spieler statt die Infrastruktur – nicht zu verstehen. Nach wie vor sind die meisten Akteure in den Klubs hierzulande ehrenamtlich oder mit einem kleinen Pensum tätig.
Tschechien als Blaupause
Man arbeite daran, dass die Fördergelder besser gebündelt werden, sagt Hofbauer. Angestrebt wird etwa, dass die Talente früher als bislang mit gezieltem Krafttraining beginnen können und man in den Nachwuchs-Nationalteams «ein Level höher starten» kann. Aktuell könne man mit den 18-, 19-Jährigen keine schweren Gewichte laden, vielmehr gehe man erst dann überhaupt mit ihnen in den Kraftraum, erklärt Hofbauer. «Hier sind wir gefordert, hier haben wohl etwas verschlafen. Es fängt bei der Grundausbildung an.»
Als Referenz verweist er auf die Entwicklung in Tschechien. Ein «cleveres System» bei der Einsetzung der staatlichen Fördergelder ermögliche 100-Prozent-Stellen in den Klubs und einen 24-Stunden-Zugang zur Infrastruktur fürs Krafttraining. Diese Grundlagen bilden für Hofbauer das Fundament für die seit einigen Jahren sichtbare positive Entwicklung der tschechischen Nationalteams auf allen Stufen – nebst einer «riesigen Bereitschaft» bei einigen Zugpferden.
Der hochstehende Final zwischen Finnland und Schweden (5:4 n.V.) verdeutlichte noch einmal, dass die Schweiz den Anschluss nach ganz vorne, an dem sie sich seit jeher orientierte, wieder verloren hat. Zudem ist Tschechien mit ähnlichen Voraussetzungen an der Schweiz vorbeigezogen. Hofbauer mahnt an die Geduld, die ein Umbruch wie der jetzige erfordert. Neue Ausnahmekönner kündigen sich für die nächsten Jahre indes primär in der Defensive an. Ein neuer Matthias Hofbauer ist noch nicht in Sicht.