«Tatort»-Check Ruppiger Ton und durchgeknallte Reichsbürger im Sonntagskrimi

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20.1.2019

Im Dortmunder «Tatort» drehte sich alles um den Niedergang des Ruhrpotts. Werden ehemalige Zechen auch in Realität zu Freizeitparks? Und verschanzen sich Reichsbürger wirklich mit Waffen?

Diesmal ging es im Dortmunder «Tatort» noch ruppiger zu als sonst. Bergbaukumpels, Reichsbürger, triste Pott-Landschaft und grober Umgangston schufen ein eindrückliches Panorama einer Gegend, die im fundamentalen Wandel begriffen ist.

Worum ging es?

Im Herzen des Ruhrpotts wurde die Leiche des ehemalige Bergmanns Andreas Sobitsch gefunden, der in einer der gleichförmigen Zechensiedlungen hauste. Schnell wurde klar: Der Tote hatte sich unter dem Motto «Schicht im Schacht» für die arbeitslosen Kumpel engagiert. Die Zeche vor Ort war geschlossen worden, bald sollte dort ein Bergwerk-Erlebnispark entstehen. Für das Ermittlerteam um Faber (Jörg Hartmann), Böhnisch (Anna Schudt), Dalay (Aylin Tezel) und den Neuen Pawlak (Rick Okon) standen belastende Ermittlungen zwischen frustrierten Arbeitslosen, betrogenen Eheleuten und wütenden Reichsbürgern an.

Worum ging es wirklich?

Um die triste Realität des Ruhrpotts, mit seinem Bergbau einst Industriezentrum Deutschlands. Seit Jahrzehnten kämpft die Gegend mit den Folgen ihres wirtschaftlichen Niedergangs. Die Zechen schlossen, wurden zu Industriedenkmälern und lagen brach. Übrig blieben die Kumpel – gerade noch Vollstrecker des Wirtschaftswunders, bald schon sozial abgehängt und abgestellt. «Tatort: Zorn» illustriert eindrücklich, welche Wut und Ohnmacht sich in Menschen breitmachen kann, die sich fallengelassen fühlen. Mit überaus aktuellem, traurigem Bezug: Ende 2018 schloss mit der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop die letzte Zeche im Ruhrpott endgültig.

Werden die Zechen wirklich zu Freizeitparks?

Durchaus – wenn auch nicht ganz so wie im «Tatort». Neben Industriedenkmälern wie der bekannten «Zeche Zollverein», die sich als lebendiges Museum der Geschichte und Kunst widmet, entstanden in manchen ehemaligen Zechen auch Erlebnisparks. Bereits 1993 fing man an, den ehemaligen Zechenstandort «Consolidation» in Gelsenkirchen umzubauen, 2003 wurde er als «Consol Park» eröffnet. Immerhin widmet man sich in dem «Themenpark» auch der Geschichte des Bergbaus, so ist unter anderem eine alte Fördermaschine zu bestaunen. Hinzu kommen Skateparks, Basketballfelder, Bühnen und Proberäume. Ähnliches bieten auch die «Zeche Ewald» und der «Maximilianpark» samt Schmetterlingshaus. Eine Achterbahn direkt in einer ehemaligen Zeche gibt es zwar nicht, dafür eine «Zechen-Achterbahn» namens «Baron 1898» im holländischen Freizeitpark «Efteling».

Wie war das Team drauf?

Wunderbar schlecht gelaunt! Teamgeist wird im Dortmunder «Tatort» noch klein geschrieben. Alle gegen alle, einer gegen einen – so schien das Motto der Kommissare zu lauten. «Wenn man so ein Team hat, braucht man keine Feinde», wusste richtigerweise auch Ermittlerin Bönisch, die sich nicht nur mit höllischen Rückenschmerzen herumschlagen musste, sondern auch mit einem wie immer mies gelaunten Faber. Der rülpste seine Kollegin nach einer durchzechten Nacht («Nächte im eigenen Bett werden überbewertet») nicht nur an, sondern kommentierte auch ihre Schmerzen («Besser keine Pillen nehmen, reicht wenn ich das mache»).

Und der Neue?

Rick Okon alias Jan Pawlak wurde bei seinem zweiten Fall als fester Teil des Ermittlerteams erst mal so gar nicht gemocht: Nora Dalay konnte den neuen Kollegen nicht ausstehen: «Seid ihr alle blind oder was? Der Typ kommt und geht, wie er will!» Pawlak verstand sich zu wehren und ging seine Kollegin brutal an. Rick Okon, derzeit für «Das Boot» gefeiert, bringt eine neue Dynamik ins Dortmunder Viererteam – als cooler Polizeistreber, der sich nicht reinreden lässt. So lieferte er auch entscheidende Hinweise darauf, dass der Mord mit dem derzeitigen Lieblingsmilieu der «Tatort»-Autoren zusammenzuhängen schien – den Reichsbürgern, denen sich schon der Münchner «Tatort» mit dem Titel «Freies Land» widmete. In «Tatort: Zorn» erwies sich der Reichsbürger-Guru gelinde gesagt als Irrer, der bis an die Zähne bewaffnet war.

Wie gewaltbereit sind die Reichsbürger wirklich?

Etwa 18'000 Menschen rechnete der deutsche Verfassungsschutz im 2018 der Gruppierung zu. Tendenz: stark steigend. Etwa 1'000 unter ihnen gelten als rechtsextrem und gewaltbereit. 2016 wurde im bayerischen Georgensmünd ein Polizist von einem Reichsbürger erschossen. Zwei weitere Beamte wurden bei der Razzia verletzt. Über 600 Reichsbürger sollen laut Recherchen von NDR und «Süddeutscher Zeitung» in Deutschland legal im Besitz von Waffen wie Gewehren und Pistolen sein. Die Dunkelziffer der illegal Bewaffneten dürfte um einiges höher liegen.

Was wollen die Reichsbürger?

Eine einheitliche Bewegung oder gar Partei der Reichsbürger existiert nicht. Gemein ist der losen Gruppe ihr Weltbild, das sich aus rechtsextremem, rassistischem, aber auch esoterischem Gedankengut speist. Reichsbürger Friedemann Keller (Götz Schubert) lebt im «Tatort» in seinem «Freien Reich Frieden» und sagt Dinge wie: «Ich hasse diesen Pseudostaat» und «Ich werde mein Reich immer verteidigen». Reichsbürger erkennen die Bundesrepublik Deutschland als Staat nicht an. Bisweilen gründen sie – so wie im «Tatort»– eigene «Staaten», die sich gegen Deutschland und seine Justiz abzuschotten versuchen. Basierend auf derzeit wieder ungeheuer populären Verschwörungstheorien und «alternativen Fakten» spricht die «Reichsbürger»-Ideologie den Wunsch nach Gemeinschaft, Solidarität und einem gesellschaftlichen Neustart an.

«Tatort: Zorn» lief am Sonntag, 20. Januar, um 20.05 Uhr auf SRF 1. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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