Brisante Miniserie Die Geschichte einer Vergewaltigung

tsch

8.3.2018

Die britische Serie «Nachdem ich ihm begegnet bin» liest sich wie ein Beitrag zur MeToo-Debatte - auch wenn sie schon vor einem Jahr in Grossbritannien Premiere feierte.

Wenn derzeit im Zuge der MeToo-Debatte viel zu lesen ist über Harvey Weinstein, Woody Allen oder Dieter Wedel, wird eines gerne übersehen: dass sexueller Missbrauch vor allem abseits der grossen Namen ein Problem ist. Insofern zeigt Arte die britische Miniserie «Nachdem ich ihm begegnet bin», die bei der BBC schon im Januar letzten Jahres lief, also noch bevor Frauen weltweit ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung und mit Missbrauch teilten, nun zur rechten Zeit. Denn die vierteilige Produktion (bei Arte an einem Abend zu sehen) liest sich wie ein Kommentar zur Debatte.

Vom Kollegen überfallen und missbraucht

«Nachdem ich ihm begegnet bin» erzählt, basierend auf einem Roman von Louise Doughty, die Geschichte einer Vergewaltigung und all dem, was danach kommt. Es ist die Geschichte von Yvonne Carmichael (grossartig: Emily Watson, «Breaking the Waves»), einer promovierten Biologin, die nach einer Feier von einem Kollegen überfallen und missbraucht wird. Das traumatische Erlebnis kommt nicht nur für Yvonne völlig überraschend, auch der Zuschauer wird zunächst auf eine Fährte gelockt, die sich erst im Nachgang als gar nicht so falsch herausstellt.

Denn zunächst ist «Nachdem ich ihm begegnet bin» vor allem die Geschichte eines Seitensprungs. Yvonne - glücklich verheiratet, Mutter zweier Kinder, gepflegtes Reihenhaus in London - begegnet nach einem Vortrag im britischen Unterhaus dem gutaussehenden Mark (Ben Chaplin) und vergnügt sich, zu ihrem eigenen Erstaunen, mit ihm in der Besenkammer im Keller des Parlaments. «Das waghalsigste, das ich je getan habe», kommentiert sie in einem Tagebuch später den plötzlichen Ausbruch von Leidenschaft. Ein andermal sagt sie: «Sex mag ein animalisches Vergnügen sein, aber der Ehebruch ist, wie ich feststelle, ein menschliches.» Kurzum: Yvonne ist eine Frau, die selbst nicht ganz begreift, was sie da tut.

Es bleibt dann nicht beim einmaligen Seitensprung; aus dem Sex in der Besenkammer wird eine Affäre. Auch Mark ist verheiratet, also trifft man sich heimlich, auch wenn Mark immer wieder Sex an ausgefallenen Orten sucht, im Freien etwa. Eine Zeitlang wird munter herumgevögelt, irgendwann auch in einem Hauseingang im Apple Tree Yard, jener Strasse, die der Serie ihren englischen Originaltitel gab. Das Ganze ist überraschend leidenschaftslos umgesetzt, ein «Fifty Shades of Grey» für Prüde. Als dann aber, gegen Ende der ersten Folge, in schmerzhaften Bildern Yvonnes Vergewaltigung gezeigt wird, versteht man, was dieser überlange Prolog bezwecken sollte.

Yvonne geht nicht zur Polizei und auch nicht zum Arzt, wie ihr Liebhaber es ihr rät und wie man es als Zuschauer von ihr erwartet. Kurz vor der Vergewaltigung hatte sie nämlich noch mit Mark geschlafen und fürchtet nun, die Affäre könnte auffliegen. Dass sie aber etwas unternehmen wird, weiss man. Denn gleich zu Beginn der Serie sah man Yvonne, die in einem Gefängnistransporter durch die Strassen von London gefahren wurde.

Nicht nur Opfer, sondern auch Täterin

Das ist dann auch die Stärke der etwas zu gemächlich erzählten Serie: dass Yvonne, die ihren Mann betrügt, auch Täterin ist und nicht nur Opfer. Das macht es schwerer, sich mit ihr zu identifizieren und mit ihr zu fühlen, auch wenn sie das natürlich ebenso verdient hat wie die Opfer von Weinstein und Co.

Die britische Miniserie «Nachdem ich ihm begegnet bin» läuft am Donnerstag, 8. März, um 20.15 Uhr zum ersten Mal in deutschsprachiger Austrahlung auf Arte. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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