TV-Experte Braucht es den (österreichischen) Mann noch?

von Gion Mathias Cavelty

7.6.2018

TV-Experte Gion Mathias Cavelty hat sich die brandneue Doku «Wer braucht die Männer?» angeschaut und ist zuversichtlich, was die Zukunft des (österreichischen) Mannes betrifft.

«Wer braucht die Männer?», stellt eine neue TV-Dokumentation eine gar nicht so unwichtige Frage. Da es sich dabei um eine österreichische Produktion handelt, liegt der Fokus natürlich auf dem österreichischen Mann – ein Thema für sich.

Beim spontanen Brainstorming kommen mir folgende Österreicher in den Sinn, die für mich eine grosse Bedeutung gehabt haben:

  • Der urgemütliche Herbert «Happi» Prikopa (Moderator der ORF-Kindersendung «Auch Spass muss sein – Fernsehen zum gern sehen»)
  • Petzi und sein Grossvater aus dem «Betthupferl» des ORF
  • Franz Klammer (1976 Olympiasieger in der Abfahrt; über ihn habe ich aus purer Bewunderung sogar ein Buch geschrieben, «Der Tag, an dem es 449 Franz Klammers regnete» – so, Schleichwerbung vorbei)
  • die schrägen Typen von der Ersten Allgemeinen Verunsicherung

Ja – diese Österreicher habe ich geliebt. Wo sind sie heute? Und warum kommt mir kein aktuelles Exemplar in den Sinn? Gibt es überhaupt noch Österreicher?

Bier und Bagger für alle – also für alle Männer!

Gespannt schaue ich mir also «Wer braucht die Männer?» an (Mittwoch, 6. Juni, 20.15 Uhr, ORF 1).

Erste Erkenntnis: Es gibt noch lebende Österreicher! Beweis: Ein österreichischer Fernsehreporter namens Hanno Settele erscheint auf dem Bildschirm.

«Sind wir Männer zu Dinosauriern geworden? Vom Aussterben bedroht? Verunsichert und überfordert?», leitet er die Doku ein und gibt schon die Antwort: «Wir waren überrascht, wie gross die Verunsicherung unter den Männern ist.»

In der Folge wird ein vermeintlich männerrelevanter Ort nach dem anderen abgegrast; erste Station ist ein Baggerpark in Simmering/Wien (Off-Kommentar: «Der Baggerpark weckt urzeitliche Instinkte»; «Der Bagger – ein Objekt der männlichen Begierde»).

«Wer haut nicht gerne etwas zusammen?», fragt Baggerpark-Betreiber Paul Hofer rhetorisch in die Kamera. «Irgendetwas zusammenzuhauen, das gefällt jedem!»

Danach gibt es Bier für alle.

«Früher lautete unsere Aufgabe: Raus aus der Höhle, Säbelzahntiger heimbringen. Das war toll! Heute ist es viel komplexer», bedauert ein Weekend-Baggerfahrer.

«Wenn es um richtig wichtige Sachen geht, nehme ich das Ruder in der Hand», äussert sich ein Kollege zu seiner ehelichen Situation.

«Beim Dativ und Akkusativ ist meine Frau stärker», meint ein anderer.

Der österreichische Mann scheint alles andere als verunsichert zu sein, will mir scheinen.

Soll der Österreicher in dieser Doku lächerlich gemacht werden?

Dieser Eindruck verstärkt sich im Lauf der Sendung; ein österreichischer Mineur («Österreichs härtester Job») meint zur Tatsache, dass sein Boss unter Berg eine Frau ist: «Es ist ja ein schöner Anblick!»

Weiter gehts nach Dornbirn/Vorarlberg zu Grill-Vizeweltmeister Tom Heinzle: «Wenn Männer zusammensitzen, kommt man auf die dümmsten Ideen. Schon in der Steinzeit hat man miteinander gerauft und geschaut, wer der Stärkere ist. Ich glaube, das ist in den Genen des Mannes, dass man sich immer messen muss.»

Ob im Fitnessstudio (Off-Kommentar: «Man kann sie hier gut riechen, die Männlichkeit, in ihrer schweisstreibenden Form»), im Barber-Shop (Inhaber Angelo Palladino: «Ein Mann ist eine Mensch, der muss sein eine Latin-Lover. Eine Gewinner») oder im Fettabsaug-Operationssaal: Man wird den Verdacht nicht los, der Österreicher solle in dieser Doku lächerlich gemacht werden. (Besonders verräterische Szene: Einem Patienten – seines Zeichens Besitzer eines Pasta-Lokals – wird von einem plastischen Chirurgen Fett aus seinem Hinterteil gepumpt, dass es nur so kracht).

Ein Dorf ohne Frauen – wie in Schlumpfhausen

Für mich der Höhepunkt der Dokumentation: Der Abstecher nach Grossmürbisch/Südburgenland, «ein Dorf ohne Frauen» (das ist ja wie im gesegneten Schlumpfhausen!). Diese sind nämlich praktisch alle in Grossstädte gezogen («Und die, die noch da sind, werden in zehn Jahren auch weg sein», orakelt ein Bewohner). Die Übungen der lokalen Feuerwehr waren den Frauen als gesellschaftliche Events einfach nicht prickelnd genug. Reporter Hanno Settele hilft ein paar Grossmürbischern, einen Maibaum zu fällen und aufzurichten. Mächtig ragt das Phallussymbol am Schluss der Aktion in den Himmel.

Was reimt sich auf «Himmel»? Eben!

Mein Fazit: Gottseidank, dem österreichischen Mann geht es prächtig! Wie steht es aber mit dem Schweizer? Darüber braucht sich erst recht niemand Gedanken zu machen: Im Werbeblock, der vor der Doku lief, tauchte nämlich unvermittelt Roger Federer auf, wie er mit unerschütterlicher Gelassenheit ein Glas mit Pesto alla Genovese auffing, öffnete und gedankenverloren daran roch. Von so einem Mannsbild können die Ösis nur träumen.

Die Doku «Wer braucht die Männer?» lief am Mittwoch, 6. Juni, um 20.15 Uhr auf ORF 1. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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