Schweizer*innen in L.A. (10) «Wenn Nicole Kidman vor dir steht, musst du cool bleiben»

Von Marlène von Arx, Los Angeles

8.11.2020

Popstars und Schauspielerinnen, Anwälte und Politiker: Die Bündnerin Désirée Morton-Stuhler fliegt als Flugbegleiterin mit VIPs im Privatjet um die Welt.

Wenn sich jemand Jetsetterin nennen kann, dann Désirée Morton-Stuhler. In den letzten 15 Tagen ist die Davoserin per Privatjet sechsmal quer durch die USA geflogen: Los Angeles–Fort Lauderdale–Oakland–Albany–San Francisco–New York–Los Angeles. Allerdings nicht die Beine hochlagernd mit einem Cüpli in der Hand, sondern in Uniform und den Champagner servierend.

Die 39-Jährige ist Flugbegleiterin auf Privatflugzeugen und hebt ausschliesslich mit VIPs ab – von Schauspielerinnen über Popstars bis zu Präsidentschaftskandidaten. Ihre Destinationen: Filmsets, Konzerte, nach Hause oder in die Familien-Ferien in die Karibik oder nach Aspen. «Es war schon krass, als plötzlich Nicole Kidman vor mir stand», erinnert sich Morton-Stuhler. «‹Big Little Lies› ist meine Lieblingsserie. Aber auch dann muss man cool bleiben».

Für einen Burger rennt sie schon mal quer durch Berlin

Diskretion ist oberstes Gebot (deshalb will sie die Namen ihrer sonstigen Fluggäste nicht verraten), und cool zu bleiben, gilt es auch bei den Sonderwünschen: «Für einen Popstar bin ich einmal durch ganz Berlin gerannt, um den perfekten Burger zu finden, denn er wollte auf dem Heimflug ausschliesslich amerikanisches Essen.»

Für das, was im Gulfstream konsumiert wird, ist nämlich auch Désirée Morton-Schuler zuständig. Nach den Wünschen der Gäste kauft sie ein und rechnet die Spesen danach mit dem Flugunternehmen ab. Sie muss Cocktails wie ein Bartender mixen können, das perfekte Cappuccino-Schäumchen hinbekommen und die vegane, die glutenfreie und die koschere Küche beherrschen. Und am Schluss muss sie auch alles selber wieder aufräumen und putzen.

Die Bündnerin serviert auf all ihren Flügen Schweizer Schoggi: «Das kommt gut an. Die meisten sind von der Schweiz begeistert und haben wegen des WEF auch schon von Davos gehört. Einem Filmstar habe ich auch schon Reisetipps für die Schweiz gegeben.»
Die Bündnerin serviert auf all ihren Flügen Schweizer Schoggi: «Das kommt gut an. Die meisten sind von der Schweiz begeistert und haben wegen des WEF auch schon von Davos gehört. Einem Filmstar habe ich auch schon Reisetipps für die Schweiz gegeben.»
zVg

Seit Beginn der Pandemie nimmt das noch mehr Zeit in Anspruch. Ein coronabedingtes Grounding gab es für sie nur im April und Mai. Danach flog sie fast noch mehr als zuvor: «Wir haben neue Kunden gewonnen, die vorher 1. Klasse flogen, aber sich das wegen Corona nicht mehr trauen und nun auf Privatjet umsatteln.»

In weiser Voraussicht organisierte sich die Bündnerin auch ein Visum für China. Und prompt: Im Juni gab es mehrere Aufträge in den Fernen Osten. Familien taten sich zusammen und buchten Privatjets, weil sie anders nicht mehr nach China zurückreisen konnten. Im Juli und August boomte dann der Luxus-Flugverkehr in die Ferien.

Für 50'000 Dollar von L.A. nach New York

Los geht es jeweils nicht vom internationalen Flughafen LAX, sondern vom weniger mondänen Van Nuys Airport im Nordwesten der Stadt. Nach Teterboro ausserhalb New York ist das der zweitgrösste Flughafen für Privatjets in den USA. Désirée Morton-Stuhler fliegt für acht verschiedene Unternehmen. Mit ihr in einem Gulfstream von L.A. nach New York zu fliegen kostet rund 50’000 Dollar. Dafür kann man mit Limousine oder Helikopter gleich vor der Maschine parkieren, und mit Sicherheitskontrollen muss man sich auch nicht abmühen.

Die Schweizerin ist immer die einzige Flight Attendant an Board. Die Ausbildung einer Solo-Flugbegleiterin ist nicht gleich wie bei einer kommerziellen Airline: «Es gibt ein relativ kostenintensives, fünftägiges Trainingsprogramm, das sich vor allem auf die Sicherheit konzentriert. Dazu kommt jedes Jahr ein Wiederholungskurs», erklärt sie. «Ansonsten ist es gut, wenn man Erfahrung im Event-Management oder Ähnlichem hat.»

Gastgeberin in einem fliegenden Wohnzimmer

«Meine Berufskolleginnen haben ihr Handwerk eher auf einer Luxus-Yacht als bei einer Airline gelernt.» Sie selbst hat ein Bed & Breakfast in Hawaii geführt und schon in der Schweiz gern die Mitarbeiter-Anlässe organisiert und Leute zu sich nach Hause eingeladen. Nun ist sie Gastgeberin in einem Wohnzimmer in der Luft.

Der Job ist sehr begehrt und Networking enorm wichtig. Den Einstieg vermittelte ihr Ehemann Simon Morton: Die beiden Schweizer lernten sich vor 16 Jahren beim Studium an der HSG in St. Gallen kennen. 2015 schlug der Schauspieler und Hobby-Pilot vor, doch noch gemeinsam dem amerikanischen Traum nachzujagen. Désirée, die einen Master-Abschluss in Business und Marketing hat, war sowieso gerade im Reisefieber: Die Start-up-Firma, bei der sie arbeitete, war verkauft worden und ihr Job weg. So packten die beiden ihre Koffer.

Désirée Morton-Stuhler und ihr Mann Simon Morton, hier vor einem Gulfstream G550, verbindet die Liebe zur Fliegerei. Ihre bisher grösste Aufregung als Flugbegleiterin in einem Privatjet? «Einmal hatten wir Wake-Turbulenz, das heisst, wir kamen in die Zone hinter einem grossen Flugzeug, weshalb unser Flieger eine Rollenbewegung machte. Das war sehr unangenehm.»
Désirée Morton-Stuhler und ihr Mann Simon Morton, hier vor einem Gulfstream G550, verbindet die Liebe zur Fliegerei. Ihre bisher grösste Aufregung als Flugbegleiterin in einem Privatjet? «Einmal hatten wir Wake-Turbulenz, das heisst, wir kamen in die Zone hinter einem grossen Flugzeug, weshalb unser Flieger eine Rollenbewegung machte. Das war sehr unangenehm.»
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Los Angeles war nicht unbedingt ihre Traumdestination, aber es machte Sinn für die Schauspiel-Ambitionen ihres Mannes: «Im Gegensatz zu Simon kam ich eher etwas planlos nach Los Angeles und absolvierte verschiedene Ausbildungen und Trainings in verschiedenen Bereichen. Ich wusste, dass ich keinen Bürojob wollte und dass ich mehr Ferien brauchte als die zwei Wochen, die Amerikaner normalerweise haben.»

Als Kind wollte sie Kapitänin werden

Und so besann sich Désirée Morton-Stuhler, die als Kind Schifffahrts-Kapitänin werden wollte, auf ihre Reise-Leidenschaft. Durch Simon, der nebst seinen Filmaktivitäten inzwischen auch noch zum Charter-Pilot promovierte, entdeckte sie die Privat-Fliegerei. Und damit vor drei Jahren ihren Traumjob. Das einzige, was man für sie verbessern könnte: «Ich würde gern fix für eine Familie, die selber ein Flugzeug besitzt, fliegen. Denn so kann man etwas besser planen, wann man unterwegs ist.»

Manchmal endet ihr Einsatz nicht in Los Angeles. Dann nimmt sie wie die Normalsterblichen einen Linienflug nach Hause. «Das erinnert mich dann jeweils daran, dass ich kein VIP bin», sagt die Vielfliegerin lachend. Trotz Coronavirus fühlt sie sich aber auch dort sicher: «Es tragen alle Masken und wenn es möglich ist, werden die Passagiere auseinandergesetzt. Ich glaube, das Risiko einer Ansteckung liegt eher in der Familie, wo man sich sicher wähnt.»

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