Kolumne am Mittag Anya Taylor-Joy setzt alle Männer schachmatt

Von Bruno Bötschi

20.11.2020

Auch Beth Harmon (Anya Taylor-Joy) hat immer alles im Blick, wenn sie vor dem Schachbrett sitzt.
Auch Beth Harmon (Anya Taylor-Joy) hat immer alles im Blick, wenn sie vor dem Schachbrett sitzt.
Bild: Phil Bray/Netflix

In der Netflix-Serie «The Queen’s Gambit» zeigt Beth Harmon, gespielt von Anya Taylor-Joy, wie man Schach zelebriert. Sie macht das derart gut, dass sogar der Kolumnist seinen Angstgegner kürzlich schachmatt setzte.

Ein Brett. 64 Felder. Schwarz oder Weiss, es gibt keine Alternative. Beim Schach heisst es: Verstehen oder gehen. Ich gehe meist als Verlierer vom Tisch.

Ich erwartete also kein Wunder, als ich die Netflix-Serie «The Queen’s Gambit» schaute. Aber insgeheim, das gebe ich zu, hoffte ich darauf, etwas profitieren zu können und danach mit feinerer Klinge auf dem Brett zu kämpfen.

Die siebenteilige Serie «The Queen's Gambit» spielt zu Zeiten des Kalten Krieges. Beth Harmon wächst als Waise unter komplizierten Bedingungen auf, irgendwann entdeckt sie ihr Schachtalent. Im Kampf gegen sich selbst und gegen die besten russischen Schach-Grossmeister versucht sie, sich an die Weltspitze zu kämpfen.

Beth (grossartig gespielt von Schauspielerin Anya Taylor-Joy) kann alles, was ich nicht kann – während sie sich ein ganzes Spiel vorstellen kann, bringt mein Hirn kaum die nächsten vier, fünf Züge zusammen. Einer der Gründe, warum mich die Serie derart fasziniert und ich sie fast in einem Zug durchgeschaut habe.

Die Weltklasse ist nach wie vor ein Herrenclub

«The Queen's Gambit» ist eine Geschichte von Schriftsteller Walter Tevis. Das Buch erschien 1983, ein Jahr vor dem Tod des US-amerikanischen Schriftstellers. Es ist ein Roman, also keine wahre Geschichte. Unter den besten hundert Schachspielern in der Geschichte gab es bislang nur eine einzige Frau – Judit Polgár aus Ungarn. Sie gilt als spielstärkste Frau der Schachgeschichte und ist die bisher Einzige, die es sogar unter die Top Ten der Weltrangliste schaffte.

Frauen fehle es an Ausdauer und Willensstärke, darum kämen sie nicht an die Spitze im Schach, wurde einst behauptet. Heute spricht zwar niemand mehr den Frauen die Fähigkeit ab, Schach spielen zu können, aber die Weltklasse ist nach wie vor ein Herrenclub.

Als ich Beth in «The Queen’s Gambit» spielen sah, war mein erster Gedanke: Judit Polgár. Mit elf sass die ungarische Schachspielerin bei Turnieren mit einem Teddybären am Brett und zermahlte erfahrene Spieler. «Nach jedem Zug warf sie ihrem Gegner einen Killerblick zu. ‹I kraaahed them›, stelle sie nach solchen Spielen fest,» schrieb die «Zeit» einmal.

Auch Beth hat immer alles im Blick, wenn sie vor dem Schachbrett sitzt – also meistens, aber: Halt, ich will jetzt nicht zu viel verraten.

Nur so viel noch: In der siebten und letzten Folge sagt ein russischer Schach-Altmeister, nachdem ihn Beth im dritten Spiel endlich besiegt hat: «Sie sind ein Wunder, meine Liebe.»

Und falls Sie wissen wollen, ob Beth Harmons geniale Übersicht am Brett auch mich inspiriert hat, darf ich sagen: Hat sie durchaus – kürzlich habe ich nach mehreren Niederlagen in Folge einen Freund (und meinen Angstgegner) endlich wieder einmal besiegt.

Ich sage nur: Schäfermatt.

«Queen's Gambit» läuft seit 23. Oktober auf Netflix. Mehr zur Serie sehen Sie in «What To Watch – Weekend»:

«What To Watch – Weekend»: Ganze Sendung vom 20.11.

«What To Watch – Weekend»: Ganze Sendung vom 20.11.

20.11.2020


Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.

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