Kolumne am MittagWie ich Gillian Andersons grösster Fan wurde
Von Laura Hüttenmoser
12.11.2020
Gillian Anderson ist ab Sonntag als Margaret Thatcher in der Netflix-Serie «The Crown» zu sehen und spielt immer wieder starke, komplexe Frauen. Unsere Kolumnistin findet: bitte mehr davon!
Nun also die «Eiserne Lady». Gillian Anderson hat sich in ihrer 30-jährigen Karriere immer wieder spannende Rollen ergattert, am bekanntesten wohl die der FBI-Agentin Dana Scully. «Akte X» ist jedoch komplett an mir vorbei. Und so habe ich die US-amerikanische Schauspielerin erstmals vor einem Jahr bewusst wahrgenommen, in der britischen Netflix-Serie «Sex Education».
Anderson spielt darin die Sexualtherapeutin Dr. Jean Milburn und Mutter des Protagonisten Otis. Dem Teenager ist die Arbeit seiner Mutter zwar unangenehm und peinlich, er realisiert aber auch, wie viel er durch sie gelernt hat (ihre Praxis liegt direkt neben dem Wohnzimmer) – und so beschliesst Otis, dieses Wissen zu Geld zu machen, indem für seine Mitschüler heimlich einen Sextherapiedienst anbietet.
Gillian Andersons Figur ist eine gebildete und freigeistige Frau, eine einfühlsame Mutter, die immer wieder das offene Gespräch mit ihrem Sohn sucht (er will aber meistens nicht). In fabelhaften Einteilern oder seidenen Kaftans liest Dr. Jean Milburn morgens die Zeitung auf der Veranda, bespricht mit ihrem Teenager-Sohn das aktuelle Weltgeschehen oder seine Pubertät, bevor sie sich wieder an die Arbeit macht.
Vorbilder und Rollenbilder
Wann haben Sie zuletzt eine 50-jährige Frau in einer Hauptrolle gesehen? Zusatz: Die smart, interessant und cool war?
Meiner Meinung nach geschieht das immer noch viel zu selten. Will ich mal eine typische TV-Mum werden, die Kuchen zum Schulfest bringt und sich mit den anderen Hausfrauen das Maul zerreisst? Hell no! Dr. Jean Milburn taugt da hingegen schon eher als Vorbild.
Wie wichtig es ist, Frauen in Rollen zu sehen, mit denen man sich identifizieren kann, die komplex und facettenreich sind, habe ich erst gemerkt ... nun ja, als ich sie tatsächlich auch gesehen habe.
Mit Gillian Anderson nun auf dem Radar, habe ich die britische Krimiserie «The Fall» entdeckt (von 2013, ebenfalls auf Netflix). Anderson spielt darin die Protagonistin, Detective Superintendent Stella Gibson, die in Belfast einen Frauenmörder jagt. Die blitzgescheite Kommissarin leitet die Ermittlungen, erfrischenderweise spielt ihr Geschlecht dabei keine Rolle. Weder zweifelt jemand ihre Autorität oder Professionalität an, noch muss Gibson dafür ihre Weiblichkeit verstecken.
Die Kriminalserie nimmt die traditionellen Muster und Rollen klug auf, stellt sie infrage und schreibt sie um. Als ihr Kollege eine getötete Frau in einer Pressemitteilung als «unschuldiges Opfer» bezeichnen will, weist ihn Kommissarin Gibson darauf hin, das Adjektiv wegzulassen. «Was ist, wenn er als nächstes eine Prostituierte tötet? Oder eine Frau, die betrunken nach Hause geht?», fragt sie. «Die Medien lieben es, Frauen in Jungfrauen und Vampire, Engel oder Huren zu unterteilen. Lasst uns sie nicht ermutigen.»
Als zum Thema wird, dass sie mit einem Kollegen einen One-Night-Stand hatte, weisen mehrere Kollegen vorwurfsvoll darauf hin, dass dieser verheiratet sei. «Das ist seine Sache. Er trug keinen Ring und erwähnte es nicht», antwortet Gibson unbeeindruckt. «Mann schläft mit Frau. Das ist okay. Aber andersrum, Frau schläft mit Mann, das ist Ihnen nicht geheuer, was?»
In diesen zwei Rollen von charismatischen, starken und keineswegs perfekten Frauen habe ich Gillian Anderson kennen und bewundern gelernt. Ab Sonntag ist sie wieder auf Netflix zu sehen, in der vierten Staffel von «The Crown», in der sie Margaret Thatcher verkörpert.
Der Trailer verspricht eine weitere fantastische Performance von Anderson, die Briten machen ohnehin die besten Serien – count me in! Vielleicht starte ich danach noch mit «Akte X».
In Staffel vier treffen Margaret Thatcher und Queen Elizabeth II. aufeinander.
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Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.