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Filmkritik «Zwingli» – zwischen Schulfernsehen und «Braveheart»
Lukas Rüttimann
9.1.2019
«Zwingli» ist eine der teuersten Schweizer Produktionen aller Zeiten – und das über eine nicht nur sympathische historische Figur. Kein Wunder ist die Anspannung bei den Machern spürbar.
«Der Schweizer ‹Braveheart?›» – Regisseur Stefan Haupt lächelt, als ihn «Bluewin» beim Interview im Zürcher «Zunfthaus zur Waag» darauf anspricht. Tatsächlich wurde sein Film im Vorfeld öfters mit dem schottischen Freiheitskämpferdrama verglichen. Auch Parallelen zu «Game of Thrones» wurden gezogen. Was vielleicht daran liegt, dass «Zwingli» Spezialeffekte von einem deutschen Studio bezog, das auch für die Fantasy-Serie arbeitet.
Doch seien wir ehrlich: Mit einem Mel Gibson samt Kriegsbemalung oder Kit «Jon Snow» Harington hat nicht nur der Schweizer Zwingli-Darsteller Max Simonischek nicht allzu viel gemeinsam. Sieht man einmal davon ab, dass er durchaus in die Kategorie attraktiver Action-Star passt. Doch «Zwingli» mag mit fast sechs Millionen Franken Kosten eine der teuersten Schweizer Produktionen aller Zeiten sein. Mit Hollywood oder einer Hochglanz-Serie auf Netflix jedoch hat der Film dennoch eher wenig zu tun.
Umstrittene Figur
«Authentizität» ist denn auch ein Wort, das Stefan Haupt («Der Kreis», «Elisabeth Kübler-Ross – dem Tod ins Gesicht sehen») häufig braucht. Ihm war es wichtig, das Publikum in das Zürich des 16. Jahrhunderts entführen zu können – und es die Nöte der damaligen Epoche spüren zu lassen. Deshalb wirkt das mittelalterliche Zürich in «Zwingli» eben nicht verträumt wie in einem Ritter- oder Fantasyfilm, sondern real, düster und bedrückend. Die Gassen sind eng, schmutzig und stinkig, das Leben ist hart, die Menschen sind krank, die Gesichter der Figuren erzählen davon.
Nur einer versprüht viel gute Laune: Huldrych Zwingli wird vom 36-jährigen Max Simonischek nicht etwa als lustfeindlicher Asket dargestellt, sondern als eine Art Lebemann. Wenn er zu Beginn des Films mit dem von Anatole Taubman («James Bond – A Quantum of Solace») gespielten Leo Jud in Zürich ankommt, ist er euphorisch wie ein kleiner Bub. Er geniesst den Disput mit anderen Geistlichen, verliebt sich in die attraktive Witwe Anna Reinhart (toll gespielt von Sarah Sophia Meyer) – und selbst als ihn sein missionarischer Eifer packt und er zum grossen Reformator der Zürcher Kirche wird, bleibt er meist freundlich, empathisch, oft sogar voller Humor.
Ob sich Simonischeks Interpretation der Figur mit dem historischen Huldrych Zwingli (1484 – 1531) deckt, weiss auch Stefan Haupt nicht. Doch dass sich sein eigenes Bild vom Reformator bereits vor Drehbeginn stark von der gängigen Meinung unterschieden hat, dazu steht er. Er sei «schockiert» gewesen zu erfahren, wie negativ der Name Zwingli in vielen Kreisen heutzutage behaftet sei. Für den 57-jährigen Regisseur ist das kaum verständlich: Je mehr er bei seinen Recherchen über Zwingli erfahren habe, «desto lebensfreudiger und sympathischer ist er mir geworden». Sein Anspruch sei es denn auch nicht gewesen, ein möglichst komplettes Bio-Pic über die bis heute polarisierende Figur zu drehen. Er habe vielmehr zeigen wollen, wie nachhaltig und positiv Zwinglis Errungenschaften die Gesellschaft verändert haben. Haupt: «Das ist für mich das wahre Spektakel – denn von Zwinglis Reformen profitieren wir bis heute».
Düster, packend – erfolgreich?
Fragt sich bloss, ob es das Publikum ähnlich sehen wird. Freilich dürfte «Zwingli» mit seinem Kinostart genau 500 Jahre, nachdem der Reformator seine Stelle als Priester im Grossmünster angetreten ist, auf breites Interesse stossen. Dass sich die eine oder andere Schulklasse Haupts Film anstelle einer Geschichts- oder Religionsstunde anschauen wird, darauf können sich die Macher ebenfalls verlassen. Lehrerinnen und Lehrer wird's auch nicht stören, dass der Film trotz seines düsteren Settings und den packenden Schauspielerleistungen stellenweise ein bisschen an Schulfernsehen erinnert.
Doch die Herausforderung für einen Film dieser Grösse (und mit diesem Inhalt) wird sein, das Mainstream-Publikum ins Kino zu locken. Er sei tatsächlich «wahnsinnig gespannt», wie der Film beim breiten Publikum funktioniert, sagt Anatole Taubman. Zum Glück befinde man sich «in einer guten Zeit für Schweizer Filme», so der Zürcher. Max Simonischek hingegen gibt zu, dass er gern etwas mehr Hollywood gespielt hätte. Aber Stefan Haupt habe nicht nur aus Budgetgründen «einen anderen Ansatz» gewählt.
So muss Huldrych Zwingli 500 Jahre später also noch einmal ins Feld ziehen. Diesmal nicht gegen den Hedonismus der Kirche, sondern gegen ein von Superhelden, CGI-Effekten und Nonstop-Action verwöhntes Massenpublikum.
Ein bisschen «Braveheart» ist er also doch, der Film von Stefan Haupt.
«Zwingli» von Stefan Haupt mit Max Simonischek, Anatole Taubman und Sarah Sophia Meyer läuft ab Donnerstag, 17. Januar, in den Schweizer Kinos.