Free-TV-Premiere «Leaving Neverland»: Auch SRF schreckt nicht vor der Doku zurück

Roland Meier

6.4.2019

Happige Vorwürfe an Michael Jackson im Dokfilm «Leaving Neverland». Zwei ehemalige Weggefährten bezichtigen den Superstar des Kindsmissbrauchs. SRF und Pro Sieben zeigen den Skandalfilm als Free-TV-Premiere.

War Michael Jackson ein Kinderschänder? Verdacht gab es schon, als der US-Pop-Titan noch lebte. 1993 wurden Anschuldigungen aussergerichtlich geregelt – mit Millionenzahlungen. 2005 wurde Jackson von einem kalifornischen Geschworenengericht freigesprochen. Die Neverland Ranch, Jacksons privates Anwesen, blieb trotzdem ein anrüchiger Ort. Die Aktionen des Kinderfreunds wurden argwöhnisch beobachtet bis zu seinem Tod im Sommer 2009.

Ausführliche Aussagen

Rund zehn Jahre später nährt eine neue Dokumentation die Sensationsgier zum Skandal. «Leaving Neverland» von Dan Reed ist eine vier Stunden lange Zeugenaussage zweier mutmasslicher Missbrauchsopfer und ihrer Familien. Wade Robson, später Choreograph von Britney Spears und NSYNC, und James Safechuck, ein Filmschul-Absolvent, schildern darin in aller Ausführlichkeit, wie sie als Kinder über Jahre von Michael Jackson zu sexuellen Handlungen gezwungen wurden. Die zwei Jungs aus der Entourage des Musikers mussten nicht nur auf der Konzertbühne, sondern auch im Schlafzimmer des Weltstars antanzen. Ohne dass ihre Mütter, die sich als Schutzbefohlene immer in der Nähe befanden, etwas davon gemerkt haben wollen.



Pädophile Standards

Jackson wird von Robson und Safechuck als Pädophiler wie aus dem Handbuch beschrieben. Gemeinsames Duschen führte zu Handgreiflicherem. Jackson machte seine Opfer mit Süssigkeiten und Spielzeug gefügig und trichterte ihnen absolute Geheimhaltung ein. So sehr, dass beide Jahre später teils unter Eid den Missbrauch verneinten. Bis sie als Erwachsene von psychischen Problemen übermannt wurden. So zumindest ihre Aussagen im Film. Deckungsgleichheit mit weniger berühmten Tätern ist gegeben.

Offene Fragen

Die Jackson-Erben toben, seit «Leaving Neverland» am Sundance Filmfestival Premiere feierte. Die Sender Channel 4 und HBO feierten TV-Quoten-Rekorde im englischsprachigen Raum. Abverkäufe der Michael-Musik steigen an. Als Boulevard-Stück fungiert der überlange und uninspiriert inszenierte Film hervorragend. Dan Reed vereint einen gefallenen Superstar mit Kinderpornographie, Familiendrama und bemitleidenswerten Opfern zu einem empörend ekligen Skandalfilm. Ohne stringente Beweisführung oder Stellungnahme der angeschuldigten Gegenseite. Fragen bleiben dabei viele. Zu viele dafür, dass man sich 240 Minuten chronologisch korrekt in immer noch schrecklichere Folgeschäden mehrerer versauter Kindheiten begeben muss.

Erstausstrahlung im deutschsprachigen Raum

Diese Diskrepanz scheint auch das Schweizer Fernsehen zu spüren. Gerne wird der Film auf SRF zwei ausgestrahlt. Wegen des Eishockey-Playoff-Halbfinals am selben Samstagabend zwar zu nicht genau bestimmbarer Uhrzeit. «Verlängerung möglich» hiess es jeweils, als man TV-Programmspalten noch auf Papier druckte. Deshalb muss SRF Play im Web, der App und auf Smart TVs bemüht werden. Das Feld der Prime Time wird so nicht ganz den Kollegen von Pro Sieben, die zur besten Senderzeit um 20.15 Uhr mit «Leaving Neverland» starten, überlassen.

So steigt SRF zwar auf den Quotenzug auf, begleitet den Film aber mit einer Spezialausgabe der Talk-Sendung «Club» zum Thema «Genie oder Monster: Was bleibt von Michael Jackson?» Auch Barbara Lüthi und ihre Gäste sind bereits ab Samstag online verfügbar, vor der gewohnten dienstäglichen Ausstrahlung und stellen so sicher, dass die Skandalisierung des Falls öffentlich-rechtlich gesittet eingeordnet werden kann.

«Leaving Neverland» läuft am Samstag, 6. April um 20.15 Uhr auf Pro Sieben. Am nächsten Dienstag, 9. April, folgt um 22.25 Uhr auf SRF 1 der «Club» zum Thema.

SRF zeigt die zweiteilige Doku exklusiv in Zweikanalton ab Samstag, 6.April um 21.15 Uhr online auf srf.ch und bei SRF Play (via App und HbbTV). 

Mit Swisscom Replay TV können Sie die Sendungen bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen. Und SRF Play aktivieren Sie auf Swisscom TV, indem Sie die rote Taste «Extra» auf Ihrer Fernbedienung klicken.

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