Vom Absturz einer Firma Ein fieses Wunderkind und seine milliardenschwere Entzauberung

Von Bruno Bötschi

22.4.2022

Adam Neumann ist der Gründer des Start-ups WeWork. Die Serie «WeCrashed» erzählt die Geschichte von einem Mann, der lügt, damit die Investoren an ihn glauben. In den Hauptrollen: die grossartigen Jared Leto und Anne Hathaway.

Von Bruno Bötschi

Vorab sollte ich vielleicht erwähnen: Nach den ersten zwei Folgen von «WeCrashed» wäre mir die Lust fast vergangen. Ich überlegte mir ernsthaft, ob ich mir die restlichen sechs Teile auch noch reinziehen soll.

Aller Anfang ist schwer? Von wegen.

Jared Leto und Anne Hathaway liefern als Unternehmer-Ehepaar Neumann Schauspielkunst vom Feinsten. Sie wabern dabei zwischen Charmebolzen, Dreistheit und Spinnerei. Diese grossartige, bisweilen übertriebenen Darstellung von Adam Neumann und seiner Frau Rebekah Paltrow Neumann fing mich jedoch bald einmal an zu nerven.

Der Grund: Ich ertrage diese Charakter-Mischung auch in Realität nur ganz schlecht.

Kurz vor dem Börsengang platzte die Blase

Nun denn, es ist wenig verwunderlich, dass Kritiker*innen «WeCrashed» als bisher beste Apple-Serie beschreiben. Und dies, obwohl man bereits am Anfang alles weiss; also wie die Geschichte der US-amerikanischen Co-Working-Space-Firma namens «WeWork» verläuft.

WeWork wurde 2008 gegründet, unter anderem mit Geld von Neumanns Schwiegervater. Nur wenige Jahre später wird das Unternehmen bereits mit 45 Milliarden Dollar bewertet. In der Folge will Adam Neumann das Unternehmen an die Börse bringen – doch kurz davor platzt die Blase.

Die Serie «WeCrashed» von Lee Eisenberg und Drew Crevello basiert auf dem gleichnamigen Apple-Podcast.

In acht Folgen werden der Aufstieg und Fall des Unternehmens und seiner Hauptakteur*innen seziert. Na ja, WeWork-Mitbegründer Miguel McKelvey (gespielt von Kyle Marvin) soll allerdings vor allem eines: Klappe halten! Weiterarbeiten! Los!

Die Serie bietet zudem Einblicke hinter die Haustüre der Familie Neumann, inklusive einiger heftiger Ehestreitigkeiten. Keine Ahnung, was davon wahr ist. Denn es wurden auch einige fiktive Figuren in die Serie reingeschrieben. Die finanziellen Eckdaten der Geschichte stimmen jedoch.

Ohne Wenn und Aber ein genialer Verkäufer

Adam Neumann hat tolle Ideen (auch wenn einige geklaut sind) und ist ohne Wenn und Aber ein genialer Verkäufer. Das muss einer erst einmal können: Innert 12 Minuten mit einer verschwurbelten Firmenphilosophie, die sehr nach Sekte klingt, von einem Banker mehrere Millionen für sein Unternehmen zu erschwafeln.

«Gott sei Dank, es ist Montag!» lautet das Firmencredo von WeWork.

Genau, die Arbeit in den von WeWork vermieteten Büroräumlichkeiten soll sich möglichst nicht wie Arbeit anfühlen. Vielleicht trifft man derweil auch gleich noch seine*n künftigen Lebensabschnittspartner*in.

Adam Neumann schwafelt oft von «Gemeinschaft» und er trinkt abends ganz gerne mit seinen Mitarbeiter*innen ganz viele Tequila-Shots, damit der ach so nette Chef vor allem eines kann: sie ausnützen. Wer öfters duselig im Kopf ist, merkt nicht so schnell, dass vor allem einer in der Firma Geld macht, besser, scheffelt: der Chef.

Geschwafelt wird bei WeWork ziemlich viel – also von Adam Neumann und von Rebekah Paltrow Neumann. Ihr Background: Eine mehr oder weniger talentlose Schauspielerin, die einige Wochen an der Wall Street arbeitete, sich danach als Yoga-Lehrerin versuchte und deren Cousine Gwyneth Paltrow eine tolle Karriere hingelegt hat.

Die restlichen Mitarbeiter*innen hingegen sollen möglichst viel arbeiten, ansonsten aber ihre Klappe halten, ansonsten sie sonst ziemlich schnell wieder auf die Strasse stehen.

Wert des Unternehmens stürzt ab

Total begeistert von Adam Neumanns Fähigkeiten ist auch der Chef des japanischen Unternehmens Softbank. In der TV-Serie investiert er sage und schreibe 4,4 Milliarden Dollar in WeWork, scheinbar ohne auch nur einen einzigen Blick in die Buchhaltung zu werfen. 

Der Wendepunkt der Geschichte ist, wie bereits erwähnt, mit dem anstehenden Börsengang 2019 erreicht. WeWork muss dafür einen Börsenprospekt veröffentlichen, der zeigt, wie viel das Unternehmen mit der schnellen Expansion verbrannt hat und wie hoch die Verluste wirklich sind.

Der Börsengang wird daraufhin kurzfristig abgesagt, der Wert des Unternehmens stürzt von 47 auf 8 Milliarden Dollar ab und das Ehepaar Neumann muss das Unternehmen verlassen.

«WeCrashed» erzählt eine Geschichte von Hoffnung, Selbstüberschätzung, Personenkult und Geldgier.

Prädikat: sehr sehenswert.

«WeCrashed» ist auf Apple TV+ zu sehen. Die letzte Folge der achtteiligen Serie erscheint heute Freitag, 22. April.


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