Die Frau hinter «Die Beschatter» «Man verfolgt Leute und kann jederzeit auffliegen»

Von Carlotta Henggeler

31.10.2022

Headwriterin von «Die Beschatter»: «Man verfolgt Leute und kann jederzeit auffliegen»

Headwriterin von «Die Beschatter»: «Man verfolgt Leute und kann jederzeit auffliegen»

Drehbuchautorin Simone Schmid ist Headwriterin der neuen SRF-Krimiserie «Die Beschatter». Ein Gespräch über Detektive, Quotendruck und Playlists mit singenden Vögeln.

27.10.2022

Drehbuchautorin Simone Schmid ist Headwriterin der neuen SRF-Krimiserie «Die Beschatter». Ein Gespräch über Detektive, Quotendruck und Playlists mit singenden Vögeln.

Von Carlotta Henggeler

Tatort Meret-Oppenheim-Hochhaus in Basel. In diesem Prachtbau von Herzog und de Meuron gleich beim Bahnhof Basel befindet sich die Kreativküche von Drehbuchautorin Simone Schmid und ihrem Team.

Hier entstand im Writers Room die neue SRF-Serie «Die Beschatter» um Detektiv Leo Brand (Roeland Wiesnekker) und seine Detektivschüler*innen.

Die Idee zu «Die Beschatter» entstand, weil sie neben einer Detektivschule lebten. Wären Sie gern Detektivin?

Im Kopf wäre ich es wahnsinnig gern. Wenn eine Person mit einem Problem vorbeikommt und man zum Beispiel einen Verschwundenen finden muss, ist das intellektuell spannend. Um zu recherchieren, waren wir vom Writers Room bei der Detektei Ryffel. Dort habe ich begriffen, was der Job wirklich bedeutet. Man verfolgt Leute und es besteht jederzeit das Risiko, dass man auffliegt. Ich bin eher eine scheue Person und fände es schlimm, wenn ich erkannt werden würde. Deshalb nein.

Die Serie spielt in Basel. Sie stammen aus dieser Region. Ein Glücksfall für Sie? 

Ich bin schon sehr viel umgezogen und fühle mich als Baselländerin, ich habe zehn Jahre in Reinach gelebt und bin dort aufgewachsen. Ich fand es immer cool, erzählerisch in meine Heimat zurückzukommen. Super, hat es geklappt. Die Location ist beim Drehbuchschreiben aber immer nur ein Vorschlag, dass es geklappt hat, freut mich umso mehr.

Basel ist also eine gute Stadt, um die Geschichten um Detektiv Leo Brand zu erzählen?

Das eine sind Heimatgefühle und auf der anderen Seite habe ich mich gefragt, wo sind in der letzten Zeit Fernsehkrimis erzählt worden? Luzern, Zürich und in Basel gab es die Hunkeler-Reihe, das ist auch schon lange her. Es wäre also Zeit, dass hier eine Erzählung stattfindet. Basel hat auch die perfekte Grösse, um ganz viele unterschiedliche Geschichten glaubwürdig zu erzählen. Die Stadt ist zudem sehr vielseitig mit verschiedenen spannenden Milieus, das ist perfekt für unsere Geschichten.

Roeland Wiesnekker spielt die Hauptrolle. Er ist Detektiv Leo Brand. Ihre Traumbesetzung?

Als wir im Writers Room angefangen haben die Figuren zu schreiben, haben wir überlegt, wer das sein könnte. Wir hatten verschiedene Schauspieler vor Augen. Als wir Roeland dann gesehen haben, waren wir geflasht. Das Casten ist ein sehr spielerischer Prozess, weil man nach etwas Prickelndem sucht. Wir sind sehr happy mit Wiesnekker.

Roeland Wiesnekker ist ein sehr vielseitiger Schauspieler, was hat ihm zum perfekten Leo Brand gefehlt?

Unsere Figur hatte ursprünglich einen italienischen Secondo-Background.

Diese Eigenschaft ist jetzt weg.

Genau, dafür ist er jetzt ein Heimwehzürcher.

Sie haben mit Ihrem Charakter Leo Brand unzählige Stunden verbracht. Haben Sie ihn lieb gewonnen?

Ja, wahnsinnig lieb. All unsere Figuren haben wir gern, auch wenn sie sich mal dumm verhalten. Wir möchten nicht über die Figur lachen, sondern mit der Figur.

Für die Serie haben Sie mit dem Detektivbüro Ryffel und Krimiautorin Christine Brand zusammengespannt. War es ein Anliegen, dass die Fälle, die von den Detektivschülern ermittelt werden, möglichst realistisch sind?

Nein, wenn man die Fälle anschaut, dann gibt es viele Elemente, die sind bigger than life. Die Detektive, die das gegengelesen haben, sagten, gewisse Sachen seien nicht so einfach, zum Beispiel was die Überwachungstechnik angeht. Aber wir fanden, das sei vertretbar. Wir haben uns von realen Fällen inspirieren lassen, von denen wir gelesen haben.

Zum Beispiel?

Die Geschichte von Agotha, die nach ihrer verschwundenen Mutter sucht, basiert auf einem echten Fall. Autorin Christine Brand hat darüber den «Sihlquai-Podcast» der NZZ am Sonntag gemacht. Da ging es um eine Mordserie an Prostituierten und es kommt darin ein Sohn vor, der nach seiner Mutter sucht. So sind wir auch auf die Detektei Ryffel gestossen. Sie haben dem Sohn geholfen, nach seiner Mutter zu suchen. Diese Geschichte hat uns emotional sehr berührt, und darum haben wir das in unser fiktionales Universum eingebaut.

Zur Person: Simone Schmid

Sie wuchs in der Region Basel auf. Studierte Geografie in Bern, Journalismus in Hamburg/Luzern und arbeitete  als Journalistin (u.a. für «NZZ am Sonntag»). 2014 absolvierte sie die Drehbuchwerkstatt München/Zürich, in welcher das Drehbuch «Goodluck» entstand und am Filmfest München mit dem «Script Talent»-Preis ausgezeichnet wurde. Sie war bei drei Staffeln Co-Autorin bei «Der Bestatter», ihr erster Kinofilm «Zwingli» war ein Hit. Mit dem Projekt «Akademie der Detektive» (Grundlage für «Die Beschatter) gewann sie 2020 die SRF-Ausschreibung für eine neue Krimiserie. Am 30. Oktober startete «Die Beschatter» mit Detektiv Leo Brand (Roeland Wiesnekker) auf SRF 1, alle Folgen sind auf Play Suisse kostenlos abrufbar. Schmid lebt mit ihrer Familie im Tessin.

Drehbuchautoren toben sich kreativ aus und sitzen in fancy Cafés. Dort schreiben sie an ihren Drehbüchern, so stellt man sich Ihren Job vor. 

(Lacht) In der Realität ist es Knochenarbeit, wir arbeiten permanent unter Zeitdruck. Für «Die Beschatter» waren wir drei Autoren, jeder hat zwei Folgen entwickelt, die im Laufe eines Jahres geschrieben wurden.

Das klingt nach ganz viel Arbeit.

Ja, ganz am Anfang war unser Sohn (Anm. d. Red.: Simone Schmid ist mit Co-Autor Francesco Rizzi liiert) zwei Monate alt, da fanden die ersten Brainstormings in einem Café statt, da war das Projekt noch in der Wettbewerbsphase, mit rund 40 anderen Projekten. Jetzt sind meine Bürozeiten nine-to-five. Mein Gehirn ist darauf trainiert, in einen Kreativmodus zu schalten, da braucht es keine fancy Cafés.

Ihr Flow-Trick?

Ich liebe die Spotify-Playlists mit Natursound. Mein Favorit ist gerade «Birds Singing By The Fire» (lacht). Also Vögel, die an einem knackenden Feuer zwitschern.

Drei Autor*innen haben an den Drehbüchern gearbeitet. Es sind verschiedene Figuren, die in verschiedenen Plots eingebettet sind. Ich habe gelesen, dass Sie für den Überblick mit Excel-Listen arbeiten.

Ja, am Anfang schon. Inzwischen arbeiten wir auf einem dafür konzipierten Programm. Es ist eine Matrix mit den verschiedenen Figuren, unterschiedlichen Plotlines und Folgen. Wir machen jeweils eine Besprechung, bei der alle den ganzen Stoff gelesen haben und wir diskutieren, wo die Probleme in den Erzählungen liegen und dann entscheide ich als Headwriterin, in welche Richtung wir weitergehen und büschele das neu. Es ist wie ein Riesenpuzzle.

Oder ein Marathon.

Ja, wir sind vor vier Jahren gestartet. Es ist ein langer und harter Weg. Als ungeduldiger Mensch geht das für mich wahnsinnig lange.

Was wäre das grösste Kompliment?

Dass die Zuschauer weiterschauen und anfangen über die Figuren zu reden, über die Handlungen. Bei einer erfolgreichen Serie werden die Figuren wie zu einer erweiterten Familie, von denen man wissen will, was sie heute so tun.

Sie haben mehrere Folgen von «Der Bestatter» mitgeschrieben und auch beim erfolgreichen Kinofilm «Zwingli» waren Sie die Drehbuchschreiberin. Spüren Sie den Quotendruck?

Nein, es ist mehr wie eine sportliche Herausforderung. Wir wollen eine grosse Zuschauerschaft und erzählen das, woran wir Spass haben. Wir wussten alle, was das Ziel ist. Es ist keine experimentelle Serie, bei dem man ein total neues Format ausprobiert. Es ist Primetime und muss als Mainstream für viele Zuschauer*innen funktionieren. Aber es ist kein Druck, weil ich Spass daran habe.

Sie waren einige Jahre Journalistin. Sie haben Geografie mit Fachrichtung Meteorologie studiert. Bei SRF-«Meteo» ist gerade ein Job frei. Wäre das was für Sie?

(Lacht) Während meines Studiums habe ich mich auf Mikrometeorologie spezialisiert und dabei verschiedene Methoden verglichen, wie man Nebel-Niederschlag messen kann. Damals haben mir Leute gesagt: Werde doch Wetterfee und ich habe mir das tatsächlich überlegt. Aber ich realisierte: Das Wetter ist zu einem gewissen Grad berechenbar – doch mich fasziniert genau das Unberechenbare.


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