Apple Vision Pro unter der LupeWird diese Brille dein Leben verändern wie einst das iPhone?
Von Dirk Jacquemien
6.6.2023
Es ist vielleicht Apples ambitioniertestes Produkt aller Zeiten. Aber die Erfolgsaussichten sind alles andere als sicher. Denn die grosse Frage ist: Wofür ist die Vision Pro eigentlich gut und wer zur Hölle soll sie nutzen?
Von Dirk Jacquemien
06.06.2023, 16:47
07.06.2023, 15:44
Dirk Jacquemien
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Mit der Vision Pro hofft Apple, eine ganz neue Produktkategorie zu etablieren.
Doch bislang ist zweifelhaft, ob das dem Tech-Giganten gelingen kann.
Denn es ist noch nicht ersichtlich, für welche Anwendungen die Brille ein wirklich gutes Erlebnis bietet.
Vision Pro heisst die seit langem erwartete und bereits mehrfach verschobene Augmented-Reality-Brille von Apple. Sie wurde an der Entwicklerkonferenz WWDC vorgestellt und stellt Apples erste Einführung einer neuen Produktkategorie seit der Apple Watch 2014 dar.
Wie bei Smartwatches und Smartphones zuvor steigt Apple damit in einen bereits bestehenden Markt ein, der aber wie bei den beiden anderen Produktgruppen zuvor derzeit alles andere als Massenanziehungskraft hat. Die Hoffnung bei Apple, und teilweise auch bei seinen Konkurrenten, ist, dass die Vision Pro einen «iPhone-Moment» erzeugt, also ein Produkt zu einem nicht mehr wegzudenkenden Alltagsgegenstand wird.
Doch kann das die 3499 Dollar teure Vision Pro wirklich leisten?
Google hat es schliesslich schon vor mehr als zehn Jahren erfolglos mit einer frühen Version einer smarten Brille versucht und Meta, das ehemalige Facebook, hat seinen Namen und seine Zukunft auf die Technologie verwettet – ohne dass seine Brillen wirklich Anklang finden. Fehlte der Technik also bislang einfach nur die vielbeschworene Apple-Magie zum Durchbruch?
Bei Augmented Reality (AR), also der erweiterten Realität, wird die echte Welt mit virtuellen Elementen verbunden. Ein/e AR-Nutzer*in, die durch die Brille einen real existierenden Schreibtisch sieht, auf den ein 3D-Modell projiziert wird, wäre ein klassisches Beispiel. Diesen Passthrough genannten Effekt können AR-Brillen erzeugen, weil Kameras auf der Aussenseite die Umgebung aufnehmen, die dann mit virtuell generierten Objekten verbunden wird.
Apple betont durchgehend den AR-Aspekt der Brille, um die Verbundenheit mit der echten Welt aufzuzeigen. Aber die Vision Pro wird sich auch im Virtual-Reality-Modus nutzen lassen. Wenn beispielsweise Filme geguckt werden, wird die Umgebung vollständig ausgeblendet.
Was macht die Vision Pro so anders?
Rein technisch ist die Vision Pro der Konkurrenz haushoch überlegen.
12 Kameras, fünf Sensoren und sechs Mikrofone sind an Bord. Vor den Augen sitzen zwei Displays mit 4K-Auflösung und 23 Millionen Pixel, so dass ein fotorealistisches Bild erzeugt werden soll. Gesteuert wird die Brille nicht über Controller, sondern einzig durch Handgesten, Sprachkommandos sowie Augenbewegungen.
Angetrieben wird die Brille von einem M2-Prozessor, den Apple auch in seinen neusten Macs verbaut, sowie einem neu entwickelten R1-Chip. Apple nennt die Vision Pro denn auch einen «räumlichen Computer», also einen iMac zum auf den Kopf setzen. Eine Verknüpfung mit anderen Geräten ist nicht notwendig, die Vision Pro arbeitet autonom.
Eine Neuheit für AR-Brillen ist «EyeSight». Hierbei sind die Augen der Träger*innen sichtbar. Die Brillengläser sind dabei nicht transparent, vielmehr befindet sich auf der Aussenseite der Vision Pro ebenfalls ein Bildschirm, der die von den internen Kameras aufgenommen Augen anzeigt, also quasi ein umgekehrtes Passthrough.
Was macht die Konkurrenz?
Grösster Konkurrent ist wohl das Ende vergangenen Jahres vorgestellte Meta Quest Pro. Seine Displays haben eine deutlich niedrigere Auflösung und es benötigt zur Steuerung Controller. Die Kritiken nach der Lancierung waren hauptsächlich negativ. Wenige Tage vor der Apple-Keynote kündigte Meta dann mit dem Quest 3 noch ein günstigeres Gerät für den Herbst an.
Definitiv anders ist auch der Preis für die Apple Vision Pro von 3499 Dollar plus Steuern. Die Meta Quest 3 soll nur 500 Dollar kosten, die Quest Pro wurde bereits von 1500 auf 1000 Dollar reduziert. Meta krankt aber unter anderem auch daran, dass es einfach keine Killer-Apps für seine Brillen gibt. Die eigenen virtuellen Welten sind verwaist.
Apple könnte hier helfen, dass zahlreiche bestehende Apps für iOS und Macs vom ersten Tag an auf der Vision Pro nutzbar sein werden.
Wofür kann ich die Vision Pro nutzen?
Nun ist die reine Nutzung von für Smartphones oder Computer gemachten Apps mit einer AR-Brille für sich genommen wenig attraktiv. Excel macht in einer virtuellen Welt auch nicht wirklich mehr Spass. In seiner Demonstration zeigte Apple etwa einen Nutzer, der diverse Fenster arrangiert, wie eben auf einem Computer. Doch mehr Platz auf der virtuellen Arbeitsfläche lässt sich auch mit einem zweiten Monitor erreichen, der deutlich günstiger und schonender für die Nackenmuskulatur ist
Dass sich mit Vision Pro so wirklich dauerhaft entspannter und effizienter arbeiten lässt, erscheint zumindest fraglich. Für den Erfolg oder Misserfolg entscheidender dürfte Nutzungsmöglichkeiten sein, die mit konventionellen Geräten nicht möglich sind. Da hat Apple allerdings bisher wenig gezeigt.
Ein innovatives Feature ist die Möglichkeit zur Aufnahme und Wiedergabe von dreidimensionalen Videos. Das Beispiel das Apple hier anführt ist das Festhalten der Geburtsparty eines Kindes durch seinen Apple Vision Pro tragenden Vater. Sicher ist es schön, diese Momente später noch einmal erleben zu können, aber muss der Papa dafür die ganze Party über wie ein Roboter herumlaufen?
Für reine Unterhaltung hingegen scheint die Vision Pro gut geeignet zu sein. 3D-Filmen lassen sich mit ihr etwa anschauen. Für ausgewählte Journalist*innen demonstrierte Apple den Blockbuster «Avatar: The Way of Water». Sie berichten, dass der Film durch die Brille gesehen besser aussieht als in jedem Imax-Kino.
Das zeigt auch, dass sich die Brille eigentlich nur für die solitäre Nutzung eignet. Wenn du die Brille aufsetzt, bist du von deinem Umgebung getrennt, ob nun deine Augen durch «EyeSight» sichtbar sind oder nicht. Eine soziale Interaktion zwischen einer Person die die Vision Pro nutzt und einer die das nicht tut, ist länger als ein paar Sekunden lang schwer vorstellbar.
Obwohl sie dünner und leichter als die Konkurrenz ist, ist die Vision Pro immer noch ziemlich sperrig und die Batterie hält gerade einmal zwei Stunden durch. Ausser daheim oder im Büro wird die Brille kaum zu gebrauchen sein.
Im Werbevideo zeigt Apple noch die Nutzung in der engen Economy-Klasse eines Langstreckenfliegers, also genau der Ort, an dem man viel lieber alleine wäre. Flucht aus der Realität, für nur 3499 Dollar bist du dabei.