Kolumne am Mittag Seymour Cray – wegen ihm wissen wir, wie morgen das Wetter wird

Von Dirk Jacquemien

28.9.2020

Seymour Cray, der Vater des Supercomputers.
Seymour Cray, der Vater des Supercomputers.
Getty Images

Bringt die Kaltfront Regen und Sturm? Dank Supercomputern wissen wir das heutzutage ziemlich sicher schon Tage vorher. Und erfunden hat die Seymour Cray, der heute 95 Jahre alt geworden wäre.

Als Fernseh-Meteorologe braucht man heutzutage kein Studium desselbigen mehr. Denn das Barometer lesen die Wettermoderatorinnen und -moderatoren wohl nur noch zur Show ab. Trotzdem liegen sie meistens richtig.

Die heute gewohnte Genauigkeit der Wettervorhersage gibt es aber nur, weil Supercomputer aus Tausenden verschiedenen Eingabevariablen das wahrscheinlichste Wetterergebnis berechnen.

Und verdanken hat man Supercomputer vor allem dem US-Amerikaner Seymour Cray. Er entwickelte 1964 mit dem CDC 6600 den wohl ersten Supercomputer der Geschichte. Cray mag nicht die Prominenz anderer Computer-Pioniere wie Ada Lovelace, Konrad Zuse oder Steve Jobs haben, sein Einfluss war aber durchaus vergleichbar.

Gut für die Atombomben-Simulation

Als Supercomputer werden einfach besonders schnelle Rechner bezeichnet. Das sind heute aus Tausenden bis Hunderttausenden einzelnen Prozessoren bestehende Computer, die in riesigen Lagerhallen untergebracht werden — wobei jedes handelsübliche Smartphone von heute tausendmal schneller ist als die teuersten Supercomputer der 1960er, 1970er oder 1980er.



Neben der Wettervorhersage werden Supercomputer etwa in der Medizinforschung oder der Quantenphysik eingesetzt — überall dort, wo unvorstellbare Rechenkraft erforderlich ist.

Besonders geeignet sind Supercomputer auch für virtuelle Atomtests. Wer nicht die Erde verstrahlen möchte und gleich mehrere internationale Verträge brechen will, lässt die Bombe einfach auf dem heimischen Supercomputer platzen. Denn der kann die Kernreaktion akkurat simulieren.

Atombunker für die Supercomputer

Atombomben schienen auch Cray zu beschäftigen. Er zog vom Firmensitz von CDC in St. Paul, Minnesota, zurück in seine Heimatgemeinde Chippewa Falls, Wisconsin, weil er Angst hatte, dass die Grossstadt St. Paul das Ziel eines Atomangriffes werden könne. Mit einem eigenen Atomschutzbunker im Garten wollte Cray sich und seine Supercomputer für die Zeit nach dem nuklearen Holocaust bewahren.

Der Cray-1 gilt als der erste echte Supercomputer.
Der Cray-1 gilt als der erste echte Supercomputer.
Getty Images

Angenehmer Nebeneffekt dieses Umzuges war auch, dass die CDC-Manager ihn nicht ständig mit Besuchen nerven konnten und er ungestört seiner Arbeit nachgehen konnte. Schliesslich machte er sich auch formell selbstständig und gründete mit Cray Research sein eigenes Unternehmen.

Der 1976 veröffentliche Cray-1 wurde ein Riesenerfolg, achtzig der gigantischen Menschen — die deutlich schneller als andere am Markt waren — konnte Cray absetzen. Die Nachfolger Cray-2 und Cray-3 konnten daran aber nicht mehr anschliessen. Nach Zerwürfnissen mit Investoren gründete Cray mit der Cray Computer Corporation eine weitere Firma, die 1995 in den Konkurs ging. 

Cray lebt in der Schweiz weiter

Eine so dominante Position bei Supercomputern wie früher hat Cray Research inzwischen nicht mehr. Dennoch finden sich in der Liste der 500 schnellsten Supercomputer der Welt noch zahlreiche Crays, so etwa auf Platz 10. Dieser Cray XC50 nennt sich «Piz Daint» und steht im Centro Svizzero di Calcolo Scientifico in Lugano.

Der Supercomputer «Piz Daint» ist ein echter Cray.
Der Supercomputer «Piz Daint» ist ein echter Cray.
Keystone

Cray Research ist seit 2017 Teil von Hewlett Packard Enterprise. Seymour Cray wäre heute 95 Jahre alt geworden. Er starb 1996 an den Folgen eines Autounfalls. Und seine Computer sagen uns, ob wir morgen den Regenschirm mitnehmen müssen.

Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.

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