Hands on Hält die Körperwaage Body Cardio, was sie verspricht?

Von Christian Thumshirn und Runa Reinecke

6.7.2019

Hält die Körperwaage Body Cardio, was sie verspricht?

Hält die Körperwaage Body Cardio, was sie verspricht?

Die Digitalwaage von Withings misst – neben Gewicht, Fett- und Muskelmasse – auch die Pulswellengeschwindigkeit. Wozu das gut sein soll und wie zuverlässig die Resultate sind: «Bluewin» hat die Waage unter wissenschaftlichen Bedingungen getestet.

05.07.2019

Die Digitalwaage von Withings misst – neben Gewicht, Fett- und Muskelmasse – auch die Pulswellengeschwindigkeit. Wozu das gut sein soll und wie zuverlässig die Resultate sind: «Bluewin» hat die Waage unter wissenschaftlichen Bedingungen getestet.

Hier ein Burger mit Pommes frites, dazu ein Weizenbier und dann noch eine Glace – eine unausgewogene Ernährung fällt langfristig ins Gewicht. Körperwaagen helfen dabei, dass Letzteres nicht – zumindest nicht ungesehen – nach oben schnellt.

Mit den alten, herrlich quietschenden Zifferblatt-Personenwaagen aus Analogzeiten haben die Hightech-Gadgets von heute nur noch die Grundfunktion gemein. Zeitgemässe Digitalwaagen in schlankem Design liefern neben dem Körpergewicht auch Informationen über Anteile wie Körperfett, Muskel- und Knochenmasse sowie den Wasserhaushaushalt. Der obendrein errechnete Body-Mass-Index verrät, ob sich Masse und Körpergrösse (noch) in gesunder Relation zueinander verhalten.

Pulswellengeschwindigkeit – was ist das?

Dem Unternehmen Withings, einst dem Telekommunikationskonzern Nokia zugehörig, genügte das nicht: Dessen Personenwaage Body Cardio verspricht, zusätzlich die Pulswellengeschwindigkeit bestimmen zu können – ein Parameter, der normalerweise ausschliesslich in Arztpraxen, Spitälern oder Forschungseinrichtungen gemessen wird. Der Wert hilft dabei, einzuschätzen, wie gut oder schlecht es um die Gesundheit unserer Arterien bestellt ist und ob dadurch ein erhöhtes Schlaganfall- beziehungsweise Herzinfarktrisiko besteht. «Es gibt verschiedene Faktoren, die die Elastizität eines Gefässes vermindern», sagt Christina Spengler vom Labor für Human- und Sportphysiologie der ETH Zürich. Dazu gehörten Arteriosklerose, Diabetes, aber auch das Alter. Das alles lasse die Arterien zunehmend steifer werden.

Für ihre wissenschaftlichen Untersuchungen führt die Professorin mit ihrem Team regelmässig Pulswellengeschwindigkeitsmessungen durch. Dafür werden beim liegenden Probanden Sensoren auf der Haut angebracht: Einer auf der Halsschlagader, ein weiterer auf der Oberschenkelarterie: «Mit jedem Herzschlag entsteht eine Druckwelle – sie sorgt dafür, dass sich das Blutvolumen in den Gefässen verändert und sich die Blutgefässe erweitern und wieder verengen.» Die Pulswellengeschwindigkeit – gemessen in Metern pro Sekunde (m/s) zeige, wie schnell sich diese Druckwelle entlang der Arterien ausbreite. «Je schneller die Pulswelle in der Arterie unterwegs ist, desto steifer ist das Gefäss.»

Body Cardio versus klinische Messung

Bei der Waage wird die Pulswellengeschwindigkeit über vier Sensoren bestimmt, die in der Messplatte integriert sind. «Sobald das Herz ein Blutvolumen auswirft, entsteht eine kleine Erschütterung, die über die Sensoren erfasst wird», erläutert Christina Spengler. Für den zweiten Teil der Messung kommt die Bioimpedanz zum Zuge: Sie registriert, wenn das Blutvolumen bei Ankunft der Pulswelle im Fuss zunimmt. Mit der Bioimpedanzanalyse wird auch die Körperzusammensetzung, also die Anteile von Fett, Muskeln, Knochen und Körperwasser, bestimmt. Dabei wird der Widerstand im Organismus mit leichtem Wechselstrom gemessen, den die Waage durch den unteren Teil des Körpers leitet.

Wie zuverlässig erfasst und verarbeitet die Body Cardio die Pulswellengeschwindigkeit im Vergleich zur klinischen Messung? Bei «Bluewin»-Redaktor Fabian Tschamper zeigte das von Bluewin genutzte Testgerät Body Cardio 5,9 m/s an, während die klinische Messung der ETH-Forscher einen Wert von 6,4 m/s ergab. Damit liegen die Resultate – gemessen am Alter unseres Redaktors – nicht nur im Normbereich (siehe Tabelle), sondern mit einer Differenz von 0,4 m/s auch erstaunlich nah beieinander.

Die Tabelle zeigt, ob sich die mit der Body Cardio gemessenen Werte im Normbereich bewegen.
Die Tabelle zeigt, ob sich die mit der Body Cardio gemessenen Werte im Normbereich bewegen.
Bild: Withings

Abweichungen bei den Resultaten

Punkto technischer Präzision der Personenwaage ist Christina Spengler eher skeptisch: «Die Vergleichswerte zwischen der Body Cardio und dem laboreigenen Messverfahren variierten bei unseren Testpersonen um bis zu 2 m/s.» Sogar die Body Cardio habe sich während eines dreiwöchigen Selbsttests unzuverlässig gezeigt: «Obwohl ich mich zuhause immer zur selben Zeit und unter denselben Voraussetzungen auf die Waage stellte, gab es grössere Abweichungen bei den Messresultaten.»

Sowohl eine vom Unternehmen Withings in Auftrag gegebene Studie als auch Untersuchungen der ETH-Forscher weisen auf eine weitere Besonderheit hin: «Je höher die Pulswellengeschwindigkeit, desto stärker weichen die klinischen Messresultate von den Ergebnissen der Body Cardio ab.» Älteren Menschen oder Personen, die bekanntermassen unter Arteriensteifigkeit oder anderen Gefässerkrankungen leiden, rät die Sportphysiologin deshalb dazu, auf Nummer sicher zu gehen und zusätzlich einen Arzt aufzusuchen. Das dürfte mit ein Grund dafür sein, warum Withings auf der Unternehmenswebsite ausdrücklich darauf hinweist, dass die Body Cardio kein Medizingerät ist.

Hands on-Videotest

Wie gut die Body Cardio im Vergleich zu den klinischen Messungen der ETH-Forscher Fett-, Muskel-, Wasser- und Knochenanteil des Körpers misst, zeigt «Bluewin»-Redaktor Fabian Tschamper im Hands on-Test.

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