Populäre Teenie-App Exportiert China mit TikTok sein Zensur-Regime?

dj

16.9.2019

Die Proteste in Hongkong existieren auf TikTok einfach nicht.
Die Proteste in Hongkong existieren auf TikTok einfach nicht.
Keystone

TikTok wird auch im Westen immer beliebter. Doch mit der App aus China werden offenbar auch die dortigen Vorstellungen von Meinungsfreiheit exportiert.

Der Siegeszug von TikTok scheint unaufhaltbar. Vor allem Teenager und junge Erwachsene nutzen die App mit den lustigen, kurzen Videos, wobei TikTok langsam aber sicher auch zu älteren Zielgruppen vordringt. Und TikTok ist wohl die erste Social-Media-App aus China, die auch bei westlichen Nutzern hochpopulär ist. Weltweit soll TikTok schon 1,3 Milliarden Nutzer haben.

Doch mit dem Erfolg von TikTok steigt auch die Sorge, dass damit die chinesischen Vorstellungen von Privatsphäre und Meinungsfreiheit in die Welt exportiert werden, schreibt die «Washington Post». Wie das Beispiel Hongkong zeigt, ist diese Sorge durchaus berechtigt.

Hongkong-Proteste unsichtbar

In Hongkong herrscht das «Ein Land, zwei Systeme»-Prinzip, dass den Einwohnern umfangreiche wirtschaftliche und bürgerliche Privilegien einräumen soll. Deren zukünftige Auslegung ist bekanntermassen derzeit Gegenstand massiver Proteste. Doch noch garantiert «Ein Land, zwei Systeme» die Freiheit vor Zensur, so dass im Gegensatz zu Festland-China dort also etwa Facebook, Instagram und Twitter uneingeschränkt nutzbar sind.

Für TikTok gilt das offensichtlich nicht. Sucht man dort aus der Schweiz nach dem Hashtag «#hongkongprotests», sagt einem die App, dass dieser Hashtag bisher Null mal aufgerufen wurde, was erkennbar unwahr ist. Ein einziger Beitrag findet sich dort, der offenbar den Zensoren entgangen ist (TikTok bestreitet Zensur, siehe Statement am Ende des Artikels). Zum Vergleich: Auf Instagram finden sich zum gleichen Hashtag über 12’000 Beiträge.

Die Ergebnisse der gleichen Suche bei TikTok (links) und Instagram sind selbsterklärend. 
Die Ergebnisse der gleichen Suche bei TikTok (links) und Instagram sind selbsterklärend. 
dj

TikTok abhängig von Parteiführung

Ganz offensichtlich blendet TikTok also seinen Nutzern politisch nicht gewollte Inhalte aus, und das nicht nur in China, sondern weltweit. Der «Washington Post» sagten ByteDance, die Macher von TikTok, dass ihre in den USA basierten Moderatoren unabhängig von der chinesischen Zentrale agieren würden. Ob das wirklich stimmt, ist nicht überprüfbar.

Noch sind nicht direkt China-bezogene politische Inhalte bei TikTok abrufbar, für den Hashtag «#fridaysforfuture» etwa zeigt TikTok 2,5 Millionen Abrufe an. Doch mit weiter steigender Beliebtheit könnte TikTok noch aggressiver die chinesischen Interessen vorantreiben. Denn ByteDance muss sich völlig der chinesischen Partei- und Staatsführung unterwerfen.

Letztes Jahr ordnete diese die Schliessung der ByteDance Witze-App Neihan Duanzi an, weil sie vulgär sei. ByteDance-CEO Zhang Yiming verfasste daraufhin eine öffentliche Entschuldigung und sagte, dass sein Unternehmen den «Kernwerten des Sozialismus» nicht entsprochen habe. Zhang versprach auch, die Kooperation mit den Parteimedien zu verbessern und sicherzustellen, dass die Stimmen der Partei bei ByteDance mit «voller Stärke» verbreitet werden.

Update 18. September

In einem Statement dementiert das Unternehmen explizit, dass es Inhalte von den Hongkonger Protesten aus TikTok entfernen würde. Es schreibt: «Nutzer sind auf TikTok, da die App ihnen eine positive, lustige Erfahrung bietet, bei der sie ihre Kreativität einbringen können. Kurzformatige, unterhaltsame Videos sind, was unsere Nutzer überwiegend auf TikTok hochladen und ansehen. TikToks Moderation folgt unseren Community Richtlinien und Nutzungsbedingungen und entfernt keine Videos rund um die Proteste in Hongkong.»

Das Unternehmen führt ausserdem an, dass es unter dem Hashtag #hongkongprotest ja Videos zu den Protesten gibt. Stand jetzt sind dies derer zwanzig, während der gleiche Begriff bei Instagram auf 47'200 Beiträge kommt.

Der Hinweis, dass auf TikTok überwiegend «unterhaltsame» Videos hochgeladen würden, reicht nicht für sich als Erklärung für fehlende TikTok-Inhalte. Wie die «New York Times», «Public Radio International»,  der «Deutschlandfunk» sowie die «South China Morning Post» berichten, gibt es zu den Protesten in Hongkong tausende Memes und andere lustige Inhalte, die sich auf (fast) allen Social Media-Plattformen finden.

Weiter schreibt TikTok: «TikTok ist nicht in China verfügbar und die chinesische Regierung hat keinen Zugriff auf die Benutzerdaten von TikTok. Darüber hinaus werden die Benutzerdaten von TikTok in den USA und Europa gespeichert und verarbeitet, wo TikTok mit Rechenzentren von Standard-Drittanbietern zusammenarbeitet. Die Privatsphäre und Sicherheit unserer Benutzer hat für TikTok höchste Priorität, und wir verpflichten uns, die lokalen Gesetze und Vorschriften in den Märkten, in denen wir tätig sind, einzuhalten.»

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