ÜberwachungsstaatEmirate tarnen Spionage-Tool als Chat-App
dj
23.12.2019
Eine scheinbar praktische Videochat-App war ein Wahrheit wohl ein Spionage-Tool der Vereinigten Arabischen Emirate.
Die Vereinigten Arabischen Emirate haben offenbar eine Chat-App entwickelt, die in Wahrheit zur Ausspionierung ihrer Nutzer verwendet wurde. Das berichtet die «New York Times», die sich dabei auf anonyme US-Geheimdienstquellen sowie eigene Recherchen beruft.
Die App nennt sich ToTok (nicht zu verwechseln mit TikTok) und wurde seit ihrer Lancierung millionenfach heruntergeladen. Hauptsächlich in den Emiraten selbst, aber auch in den USA schaffte es ToTok letzte Woche in die Download-Charts. Die kostenlose App gibt vor, dass ihre Nutzer verschlüsselt mit Freunden chatten sowie Videotelefonate abhalten können. In den autoritär regierten Emiraten werden Skype und WhatsApp blockiert, was die vermeintliche ToTok-Funktionalität dort besonders attraktiv machte.
Internationale Cyber-Experten beteiligt
Entwickelt wurde ToTok vorgeblich von einer Firma namens Breej Holding. Diese ist offenbar aber nur eine Scheinfirma eines Unternehmens namens DarkMatter, das seinerseits wohl vom emiratischen Geheimdienst kontrolliert wird. DarkMatter mit Sitz in Abu Dhabi hat zahlreiche internationale Experten als Angestellte, amerikanische Mitarbeiter von DarkMatter stehen laut der «New York Times» im Fokus einer FBI-Untersuchung wegen mutmasslicher Cyberverbrechen.
ToTok wurde in den Emiraten stark beworben. So bekamen Nutzer eines kostenpflichtigen Chat-Dienstes eine Mitteilung, doch zum kostenlosen ToTok zu wechseln — ein scheinbar unwiderstehliches Angebot. Die App verlangte unter anderem Zugriff auf Mikrofon, Kamera und Standort des Geräts. Alles völlig nachvollziehbare Berechtigungen für eine Videochat-App, aber so wird eben auch das totale Ausspionieren der Nutzer ermöglicht.
Schon aus App Stores entfernt
Google und Apple haben ToTok Ende letzter Woche aus ihren App Stores entfernt, nachdem sie von der «New York Times» über die Recherchen informiert wurden. ToTok selbst spricht von «technischen Schwierigkeiten», aufgrund derer die App nicht mehr in den App Stores verfügbar sei. Auf den Spionagevorwurf wird in keiner Form eingegangen.
Auf jeden Fall dürfte das Beispiel Schule machen, da es eine besonders effektive Form der Spionage und Überwachung ist. Einzelne Personen, etwa Dissidenten oder Journalisten, ins Visier zu nehmen ist zeitaufwendig, kostspielig und ohne Erfolgsgarantie. Bringt man ein Ziel aber dazu, die Spionage-Software einfach selbst aus freien Stücken zu installieren, hat man den Jackpot getroffen.
Digitale Überwachung: China schafft den «besseren Menschen»
Rongcheng, China: Auf einer Tafel sind sogenannte Modellbürger abgebildet, die im neuen Sozialkredit-System eine besonders hohe Punktzahl erreicht haben.
Bild: dpa
Die ostchinesische Küstenstadt am Gelben Meer ist Vorreiter von einigen Dutzend Pilotprojekten in China, mit denen 2020 landesweit ein Punktesystem zur Bewertung der «sozialen Vertrauenswürdigkeit» eingeführt werden soll. Im Bild: Auf einer Tafel sind Geldbeträge abgebildet, die Kinder ihren Eltern gegeben haben. Die Unterstützung der Eltern wird im neuen Sozialkredit-System berücksichtigt und mit Punkten belohnt.
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Grafik zum Sozialkedit-System: Lange galt das Internet als Gefahr für Diktaturen, weil Menschen sich breit informieren und sich zusammentun könnten. Doch Chinas Führer nutzen inzwischen die Datenmassen - Big Data - zur Überwachung. Mehr noch. Mit den neuen digitalen Möglichkeiten sollen die Menschen erzogen werden.
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In der grossen Halle des Bürgeramtes von Rongcheng steht der Spruch des Revolutionärs und Staatsgründers Mao Tsetung «Dem Volke dienen» vorne in goldenen Zeichen auf einer Marmorwand. Hier lassen sich Bürger an einem Schalter die Bescheinigungen über ihre «gesellschaftliche Vertrauenswürdigkeit» ausdrucken.
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Lu Qunying (rechts), Krankenhausangestellte, am Schalter des Sozialkredit-Systems im Bürgeramt von Rongcheng. Sie beurteilt das System positiv. «Es ermutigt, Gutes zu tun», sagt sie. «Wir brauchen Vorschriften oder ein System, um die Menschen zu überwachen.» Gerade weil China noch nicht so weit entwickelt sei. Überhaupt: «Die Stadt ist jetzt sauberer.»
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Vor dem Bürgeramt von Rongcheng sind auf grossen Postern die Porträts von «Modellbürgern» ausgestellt.
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He Junning, Direktor der Sozialkreditbehörde, erklärt das System, mit dem Bürger für besonders verantwortungsbewusstes Verhalten mit Punkten belohnt werden - oder auch Punktabzug bekommen, wenn sie gegen Vorschriften verstossen. Sein Sozialkreditamt hat acht Mitarbeiter.
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Das Bürgeramt von Rongcheng. Junning meint zur Aufgabe seines Amtes: «Wir beschäftigen uns mit der Prüfung und Genehmigung der Informationen für die Kreditpunkte, die uns lokale Stellen liefern.»
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Ju Junfang, Vizedirektorin des Sozialkredit-Systems, vermittelt Freiwilligenarbeit an Bürger von Rongcheng, die Pluspunkte für ihr soziales Führungszeugnis brauchen.Sie meint: «Viele Leute kommen zu uns und leisten Freiwilligenarbeit - hohe Beamte wie einfache Leute.»
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Dorfbewohner stehen auf der Strasse. Sie wissen von dem neuen Sozialkredit-System noch nichts.
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Bauer Mu Linming (rechts) hingegen ist begeistert: «Es zeigt, wer gut ist und wer nicht.»
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«Unser Dorf war immer gut», sagt der frühere Bauarbeiter. «Aber nach Einführung des Systems ist es noch besser geworden.»
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Frau Xi findet das System gut: «Es zügelt die Menschen, so dass sich ihr Benehmen verbessert.» Ihren eigenen Punktestand kennt sie nicht. Sie hat aber gehört, dass der Chef ihres Unternehmens viele Punkte hat. «Ich vermute, dass er Grosses leistet.»
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