FoodnerdsKäse-Weltmeister Michael Spycher: «Die im Gruyère haben jetzt ein Problem»
Von N. Morawitz, C. Thurmshirn und S. Ehrensperger
7.4.2020
Foodnerds: Der beste Gruyère der Welt
Michael Spycher ist doppelter Käse-Weltmeister. Was treibt den Superkäser an und warum ist sein Produkt so gut?
20.03.2021
Michael Spycher ist doppelter Weltmeister. Nach 2008 gewinnt sein Gruyère auch 2020 den World Championship Cheese Contest in Madison, USA. Was treibt den Mann eigentlich an und warum ist sein Käse so gut?
«Foodnerds» – die neue Dok-Serie auf «Bluewin»
Um was es geht? – Ganz einfach: Wir stellen Ihnen Menschen vor, die für das beste Produkt und das feinste Essen wirklich alles geben. Ob aus der Schweizer Scholle, vom Tier oder frisch aus dem Kochtopf, Sie werden überrascht sein, wie viel Zeit, Erfahrung und Herzblut es braucht, um aus natürlichen Rohstoffen geniale Lebensmittel zu zaubern.
Zunächst einmal: Der Emmentaler ist auf dem Boden geblieben. Die beiden Preise seien für ihn kein Ansporn, sondern eine Bestätigung, nicht alles falsch gemacht zu haben, sagt er uns in die Kamera. Das macht uns neugierig: Wo man viel falsch machen kann, ist es die um so grössere Kunst, alles richtigzumachen. Und tatsächlich – das bemerken wir schnell – beherrscht der Käser sein Handwerk. Die Ausbildung war wichtig, erfahren wir, «auch wenn man oftmals nur lernt, wie man es nicht machen sollte». Viel wesentlicher aber sei die Erfahrung. Heisst im Klartext: Ausprobieren, Lösungen finden, und ja, das stimme, irgendwie muss man dafür auch ein Getriebener sein.
Je mehr Sie über Käse wissen, desto bewusster können Sie Käse geniessen. Lebensmittel-Sensoriker Patrick Zbinden beantwortet Ihnen die wichtigsten Fragen in folgendem Interview:
Sulamith Ehrensperger
im Gespräch mit
Patrick Zbinden
1
Was macht Ihrer Meinung nach Käser Michael Spycher anders als andere?
Die Basis von Michael Spychers prämiertem Gruyère ist Rohmilch, das heisst, die Milch wurde für die Käseherstellung nicht über 38°C erwärmt. Käse aus solcher Rohmilch erreicht gegenüber Käse aus thermisch behandelter Milch eher seinen geschmacklichen Höhepunkt. Der Grund: Je mehr Bakterien in der Milch überleben, desto mehr Charakter entwickelt der Käse.
2
Welche Faktoren beeinflussen darüber hinaus die Käsequalität?
Der Hauptbestandteil von Käse ist Milch. Die Qualität der Milch ist massgeblich vom Futter, dass das Tier frisst, abhängig. Entsprechend wirkt sich eine artgerechte Fütterung und Haltung der Tiere nach ökologischen Richtlinien positiv auf die Milchqualität aus. Denn je entspannter und zufriedener die Tiere leben, desto besser ist in der Regel die Milchqualität. Eine gute Milchqualität ist jedoch nicht automatisch eine Garantie für wohlschmeckenden Käse.
3
Die meisten kaufen Käse nicht an der Käsetheke oder am Marktstand, sondern im Supermarkt. Worauf sollte man dort achten?
Ist auf der Etikette «Rohmilch» und «Bio Suisse» bzw. «Demeter» vermerkt, sind wichtige Qualitätskriterien bereits erfüllt. Darüber hinaus wirken sich kurze Transportwege positiv auf die Milchqualität aus. Entsprechend ist Käse, der in einer geografisch definierten Region produziert wurde, meist die bessere Wahl. Selbstverständlich ist Käse, der an der Theke von einem professionellen Käseverkäufer beratend angeboten wird, dem abgepackten im Kühlregal vorzuziehen. Vorverpackter Käse muss aber nicht zwangsläufig schlecht sein.
4
Wie wird Käse zu Hause richtig aufbewahrt?
Käsepapier ist gut für den Transport, aber nicht für die Lagerung. Plastikproblematik hin oder her: Ein in Frischhaltefolie eingepackter Käse ist zu Hause am besten vor Feuchtigkeitsverlust geschützt und verhindert so Food Waste. Frischkäse wird in der mittleren Kühlschrankebene aufbewahrt. Andere Käsearten halten sich am besten im Gemüsefach des Kühlschranks. Extrem stark riechende Käsearten sollte man im Kühlschrank in einer luftdicht schliessenden Frischhaltebox aufbewahren. Raclette- oder Fonduekäse und geriebener Käse der später in geschmolzenem Zustand konsumiert wird, kann tiefgefroren werden.
5
Was nimmt Käse einem am meisten übel?
Extreme Temperaturschwankungen. Rein in den Kühlschrank, wieder raus auf den Tisch. Besser ist, man kauft nur kleine Stücke – oder schneidet nur so viel ab, wie man essen möchte und lässt den Rest in Ruhe.
6
Was passt am besten zu Käse oder wie schmeckt er am leckersten?
Puristen essen ihren 15 Monate gereiften Bio-Alpkäse oder andere artisanal hergestellte Käsespezialitäten am liebsten pur und finden Chutney, Senf, Trauben und Co. einen totalen Blödsinn. Für nicht Puristen empfehle ich Käse auf eine passende Brotsorte abzustimmen.
7
Bei welchen Sorten kann ich die Käserinde essen?
Die Rinde von Weichkäsen besteht aus Weiss- oder Blauschimmel oder wurde von sogenannten Rotkulturen gebildet. Diese Rinden tragen zum besonderen Aroma des Käses bei und können unbedenklich mitgegessen werden. Jedoch kann die Rinde eines Rotschmierkäses und die eines reifen Camemberts oder von Ziegenkäsen schnell einmal zu dominant schmecken. Hier sollte man sich von seinem eigenen Geschmack und von der Neugier leiten lassen. Bei Hartkäsen ist die Rinde meist natürlich gewachsen und im Prinzip essbar, falls sie nicht mit Zusatzstoffen behandelt oder mit einem Warnhinweis beschriftet wurde.
8
Die Rinde von Hartkäse zu essen, kann ich mir schlecht vorstellen.
In der Tat: Hartkäserinde schmeckt in der Regel gar nicht lecker. Alternativ kann man die Käserinden zusammen mit ein paar Kräutern und Pfefferkörnern in wenig Wasser anderthalb Stunden bei geringer Hitze auskochen. Die abgesiebte Käsebouillon ist ideal, um damit Risotto zu kochen. In Blätter gewickelter oder in Holzasche gewälzter Käse ist wiederum voll und ganz essbar. Wichtig: Schwangere und Menschen mit geschwächtem Immunsystem sollten alle Arten von Käserinden grundsätzlich immer abschneiden – sicher ist sicher.
9
Wie mögen Sie Käse am liebsten?
Pur beziehungsweise meist in Kombination mit Brot, Kartoffeln oder reifen Birnen. Bei mir im Kühlschrank liegen meist vier Käsesorten auf Vorrat. Immer vorhanden ist Frischkäse, eine AOP Spezialität wie Gruyère, eine Auswahl von «Natürli»-Käse und ein Bio-Parmigiano-Reggiano.
Patrick Zbinden, Food-Journalist und Lebensmittel-Sensoriker
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