«Habe mich impfen lassen» Roger Köppels Kehrtwende macht Corona-Leugner hässig

Von Philipp Dahm

25.8.2021

Roger Köppel macht am 24. August um 6:30 Uhr am Morgen öffentlich, dass er geimpft ist.
Roger Köppel macht am 24. August um 6:30 Uhr am Morgen öffentlich, dass er geimpft ist.
Screenshot: YouTube

Roger Köppel hatte sich bisher als Corona-Zweifler profiliert, doch nun erklärt der Weltwoche-Chef, «realpolitisch» gedacht sei eine Impfung zwingend notwendig. Die Enttäuschung der Skeptiker ist gross.

Von Philipp Dahm

Es ist erst ein halbes Jahr her, dass sich Roger Köppel so über die Pandemie äusserte: «Auf die Viren- folgt die Impfhysterie. Jetzt wollen sie uns in die Körpersäfte hineinregieren», schreibt der SVP-Politiker am 24. Februar auf Twitter. «Dieser Bundesrat hat zu viel geschluckt vom Zaubertrank der Macht. Freiheit und Eigenverantwortung stärken! Dieser Gesamtbundesrat der Unfreiheit ist wirklich nicht mehr zu gebrauchen.»

Am 24. August tönt das plötzlich ganz anders. In «Weltwoche Daily» spricht der Chefredaktor erst ausführlich über die Lage in Afghanistan und das «Biden'sche Versagen». Dem Zuschauer fällt auf, dass Köppel um 3:35 Uhr am Morgen nachguckt, welche Themen beim «Tages-Anzeiger» die meistgelesenen sind: Es ging dabei um ein vermeintliches Comeback von Donald Trump, weil der am 21. August einen Auftritt in Alabama hingelegt hat.

Doch dann kommt Köppel zurück in die Heimat: «In der Schweiz rückt das Thema Covid/Corona wieder in die Schlagzeilen aufgrund steigender Spitalbelegungen. Das Ganze ist natürlich immer noch ein Blindflug», so der 56-Jährige. Gemeint sind kranke Ferienrückkehrer, die nun die Intensivstationen belegen würden.

Kehrtwende eines profilierten Massnahmen-Kritikers: Roger Köppel bei einer SVP Feier am 26. Juni 2021 in Morschach. 
Kehrtwende eines profilierten Massnahmen-Kritikers: Roger Köppel bei einer SVP Feier am 26. Juni 2021 in Morschach. 
Bild: Keystone

Köppel stört, dass es hierzu keine genauen Zahlen gebe. Trotz «unvollständiger Angaben» würden nun «einschneidendste Massnahmen ergriffen»: Es könne sein, dass der Bundesrat nun wieder «Einschränkungen verordnet». Dann sagt er, Journalisten müssten in der Sache kritisch bleiben – so weit, so bekannt sind diese Haltungen.

«Auch deshalb habe ich mich impfen lassen»

Doch dann kommt die Kehrtwende, die der Nationalrat mit «Errare humanum est» beginnt – Irren ist menschlich. «Ums Impfen ist ja ein fast schon religiöser Krieg entstanden», sagt Köppel. «Ich plädiere hier ja für Versöhnung und Abrüstung. Und Waffenstillstandsverhandlungen. Man solle die Ungeimpften, aber auch die Geimpften «in Ruhe lassen».

Es sei ein Risiko, sich etwas spritzen zu lassen, räumt Köppel zwar ein. Aber die Zweifler müssten auch «sehen, dass wir im Moment eine Pandemie der Ungeimpften haben. Die Leute, die eingeliefert werden, sind Ungeimpfte. [Sie] müssen sich die Frage stellen, ob sie das Risiko einer schweren Erkrankung eingehen, vielleicht zwei, drei Wochen aus dem Verkehr gezogen werden und dann vielleicht noch Rekonvaleszenz haben.» 

So würden sie nicht nur ein gesundheitliches Risiko eingehen, sondern auch Auswirkungen auf das «soziale und berufliche Umfeld» haben. «Ich leite hier die Weltwoche, und wir sind in einem anspruchsvollen Business», erklärt der Journalist und Politiker. «Hier ist der Chef auf der Kommandobrücke gefragt. Auch deshalb habe ich mich impfen lassen.» Das überrascht jetzt schon: Noch vor drei Wochen tönte das ganz anders. Da sprach der Zürcher noch vom Impf-Wahnsinn.

«Ich bin auch schon über 50»

Nun bekundet Koppel, er nehme das Risiko der Impfung auf sich, weil er darauf vertraue, dass ihm so eine schwere Erkrankung erspart bleibt. «Ich bin auch schon über 50.» Das könne er sich «als Chef nicht erlauben»: «Wenn man sich dann ansteckt und krank wird, ist das nicht nur eine persönliche Geschichte.»

Frommer Wunsch: Köppel will den Graben zwischen Ungeimpften und Geimpften schliessen.
Frommer Wunsch: Köppel will den Graben zwischen Ungeimpften und Geimpften schliessen.
Screenshot: YouTube

Weiter heisst es: «Sie spüren, worauf ich hinauswill: Wir haben jetzt die Situation, dass die Ungeimpften sich zum Teil wie eine diskriminierte Minderheit vorkommen. Wenn Sie gewisse Artikel lesen, kann man sich so vorkommen. Man darf aber auch nicht zur Überempfindlichkeit neigen. Andererseits muss man sich fragen: Wie solidarisch ist es, wenn ich hier mich anstecke und einen schweren Verlauf habe, wenn ich in einer Verantwortungsposition bin.»

Es sei für ihn «völlig selbstverständlich», dass sich Berufsgruppen wie Lehrer oder Gesundheitspersonal «impfen lassen müssen», wird der vierfache Familienvater deutlich. Es könne nicht sein, dass plötzlich die Mitarbeiter auf den Intensivstationen ausfielen, weil sie krank würden. Er sei «gegen jede Unverhältnismässigkeit», aber man müsse auch «realpolitisch denken».

Frommer Wunsch nach Ende des «Dschihads»

Wenn man das nicht täte, würde man dem Bundesrat die Legitimation für weitere Einschränkungen liefern, argumentiert Köppel. Die Linke wolle sowieso «einen ewigen Lockdown mit Umverteilung», warnt er. «Unter diesen Lockdowns leiden dann wieder die Massnahmen-Kritiker am meisten. Das kann nicht im Interesse dieser Leute sein.» Deshalb müsse der «Dschihad» zwischen ihnen und den Geimpften beendet werden.

Sein abschliessender Aufruf, sich «nicht in Extreme hineinzusteigern», verhallt jedoch ungehört. Wie der Blick aus einschlägigen Telegram-Gruppen erfahren haben will, schlägt das Video bei Corona-Zweiflern Wellen. Köppel sei ein «regierungstreuer Journalist geworden», zitiert das Blatt. «Er sieht auch nicht mehr so gesund aus», «Zum Teufel mit dem Kerl» und «Die Schwachen fallen alle irgendwann» schreiben Kommentatoren.

Die Kehrtwende hat nicht nur bei den Zweiflern für Kopfschütteln gesorgt, sondern auch für Häme beim politischen Gegner, wie man aus dem Tweet von CVP-Mann Gerhard Pfister herauslesen kann. Köppels Wunsch, einen Waffenstillstand zwischen Ungeimpften und Geimpften herbeizuführen, ist zwar fromm, doch dass er den von ihm ausgerufenen «Dschihad» damit beendet, ist wohl eher ausgeschlossen.

Nachtrag: Reaktion Roger Köppel

Roger Köppel sieht den Sachverhalt anders. Er habe keine «Kehrtwende gemacht» schreibt uns der Weltwoche-Chef: «Ich habe bereits im letzten Dezember die Entdeckung der Impfstoffe als medizinisches Wunder gepriesen. Meine eigene Impfung habe ich bereits im Juni bei ‹Weltwoche Daily› publik gemacht.»

Weiter betont der Winterthurer, er fordere dennoch «die Aufhebung aller Massnahmen und kritisiere die Kampagne gegen die Ungeimpften»: «Wiederholt und auch letzte Woche sagte ich, dass jeder selber entscheiden muss, ob er sich impfen lassen soll, ich bin gegen jeden Zwang, auch indirekten. Nichts gegen das Abändern der eigenen Meinung bei neuen Fakten oder Einsichten, habe ich schon oft gemacht, aber nicht bei diesem Thema.»

Da Herr Köppel in der ursprünglichen Version des Artikels nicht zu Wort gekommen ist, tragen wir seine Reaktion hier am 2. September gerne nach.