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Bötschi fragt Nadia Damaso: «Meine Familie hat mich schnell wieder vom hohen Ross heruntergeholt»
Von Bruno Bötschi
15.1.2021
Sie ist die erfolgreichste Kochbuch-Autorin der Schweiz. Nadia Damaso über Bodenhaftung, die Kunst gut zu essen und warum sie nicht mehr vom britischen Fernsehkoch Jamie Oliver träumt.
Wir sitzen im Kochstudio von Nadia Damaso im Zürcher Seefeld: Die Wände sind weiss, die Küchenkombination ebenfalls, die Stühle grau, der grosse Tisch aus Holz. Hier, in dieser coolen Atmosphäre, entstehen also die Rezepte, mit denen die 25-jährige Bündnerin seit einigen Jahren über die Landesgrenzen hinaus Furore macht.
Aufgewachsen im Engadin, heute wohnhaft in Zürich, erwachte ihre Liebe zum Kochen im Teenageralter. Nach einem mehrmonatigen Kanada-Aufenthalt, während dem sie 15 Kilo zunahm, entdeckte sie die Vorteile eines gesunden Lebensstils. 2015 publizierte sie ihr erstes Kochbuch «Eat Better, Not Less» – und landete damit gleich auf Platz eins der Schweizer Bestsellerliste.
«Damit unterstreicht sie ihren Hang zum Perfektionismus und ihre scheinbar grenzenlose Zielstrebigkeit», kommentieren die Medien die Arbeitsweise von Damaso und nannten sie schon früh «den Shootingstar, der gerade die Profis der Foodszene überflügelt». Na dann, wollen wir mal schauen, was neben den Zutaten Zielstrebigkeit, Fleiss und Kreativität noch so hinter dem Erfolg der bestverkaufenden Kochbuch-Autorin der Schweiz steckt.
Frau Damaso, wir machen heute ein Frage-Antwort-Spiel: Ich stelle Ihnen in den nächsten 30 Minuten möglichst viele Fragen. Und Sie antworten möglichst kurz und schnell. Wenn Ihnen eine Frage nicht passt, sagen Sie einfach ‹weiter›.
Hoffentlich funktioniert das mit mir.
Wieso sollte es nicht?
Ich gebe gern lange Antworten.
Wenn Ihre Antworten zu lang zu werden drohen, unterbreche ich Sie einfach.
Gute Idee.
Schwarz oder Weiss?
Weiss bedeutet für mich Leichtigkeit. Weiss ist minimalistischer und lässt deshalb viel Spielraum. Oder wie die Französinnen sagen: Le blanc fait chanter les couleurs (Weiss bringt die Farben zum Singen).
Süss oder sauer?
Süss-sauer.
Coop- oder Migros-Kind?
Coop-Kind. Im Engadin, wo ich aufgewachsen bin, gab es keine Migros.
Heute immer noch nicht?
Zurzeit wird in Samedan der erste Migros-Supermarkt gebaut. Soviel ich weiss, soll er in diesem Jahr eröffnet werden.
Was haben Sie heute Morgen zum Frühstück gegessen?
Zum Autor: Bruno Bötschi
«blue News»-Redaktor Bruno Bötschi spricht für das Frage-Antwort-Spiel «Bötschi fragt» regelmässig mit bekannten Persönlichkeiten. Bötschi hat viel Erfahrung mit Interviews. Für die Zeitschrift «Schweizer Familie» betreute er jahrelang die Serie «Traumfänger». Über 200 Persönlichkeiten stellte er dafür die Frage: Als Kind hat man viele Träume – erinnern Sie sich? Das Buch zur Serie «Traumfänger» ist im Applaus Verlag, Zürich, erschienen. Es ist im Buchhandel erhältlich.
Noch nichts, ich esse meistens sehr spät.
Was essen Sie als Erstes am Tag?
Oft etwas Fruchtiges, zum Beispiel eine Smoothie-Bowl. Im Winter, wenn es kalt ist, mag ich gern Porridge mit warmen Früchten oder Äpfel mit Zimt, leicht karamellisiert mit Kokoszucker.
Es gibt sicher Lebensmittel, die Sie mögen, die aber nicht so gesund sind wie Ihre Frühstücksvorlieben. Verraten Sie, bei welchem ungesunden Produkt Sie hin und wieder schwach werden?
Ich werde eigentlich nie schwach. Aber ich weiss, es gibt immer noch Menschen, die denken, wer sich gesund ernähren möchte, müsse sich in Verzicht üben. Aber das stimmt nicht. Egal, ob Pizza, Pasta, Burger oder auch Glace, man kann alles auf gesunde Art herstellen. Mein Tipp für alle Schleckmäuler: Ich verwende keinen raffinierten Zucker, stattdessen greife ich alternativ auf Honig oder Dattelsirup zurück – und gern auch einmal einen Löffel mehr, damit es richtig fein schmeckt statt nur gesund.
Wie lautet Ihr Credo?
Lasst die Finger von Fertigprodukten, werdet kreativ und kocht frisch. Was wir essen, hat nicht nur Auswirkungen auf den Körper, sondern auch auf Seele und Geist. Mein Wunsch wäre, dass alle Menschen zu Künstlern in der Küche werden, denn Kochen lässt die Sinne tanzen und ist etwas vom Schönsten, was es gibt auf der Welt.
Wie beschreiben Sie spontan das perfekte, selbst gekochte Mittagessen für eine vierköpfige Familie an einem trüben Wintertag während des Lockdowns?
Es müsste ein Erlebnis für alle Sinne sein. Ich würde deshalb Musik laufen lassen, Kerzen anzünden, das Menü schön aufschreiben und den Eltern ein Glas Wein einschenken.
Sie haben mich schon richtig verstanden? Es geht um ein Mittagessen.
Ja, ja, ich weiss … Als ersten Gang würde ich eine Kürbissuppe servieren, die ich mit Zimt und Chili würzen täte. Danach gäbe es ein cremiges Gerstenrisotto mit Steinpilzen und Spinat, dazu ein pflanzlicher Mandel-Parmesan, wovon jede und jeder so viel darüber streuen kann, wie sie oder er möchte. Zum Dessert gäbe es warme Heidelbeeren mit einer Cashew-Vanille-Zimt-Crème und mit süss-salzigem Haselnuss-Crunch und Thymian obendrauf.
Wie beschreiben Sie das perfekte, selbst gekochte Abendessen für ein Liebespaar an einem trüben Wintertag während des Lockdowns?
Zur Vorspeise gäbe es einen farbenfrohen Federkohlsalat, den ich davor mit Leidenschaft und Liebe mit einer Cashew-Sauce massiert habe, damit seine Konsistenz weicher wird. Ich würde zudem gefrorene Himbeeren darüber brechen, was für Frische sorgt und jeder Beziehung guttut. Zum Hauptgang gäbe es ein Zitronengras-Cashew-Curry, dem ich Gersten statt Reis beigeben täte. Und ganz wichtig: Ich würde jeden Gang nur auf einem Teller servieren, so könnten die Turteltauben näher zusammensitzen. Ein feines Glas Rotwein darf natürlich auch dazugehören.
Was gäbe es zum Dessert?
Ich würde meine gesunden Brownies servieren mit einem Schuss Schoggimousse obendrauf.
Gesunde Brownies, was heisst das?
Ich stelle meine Brownies nicht auf der Basis von Butter, Eier, Zucker und Mehl her, sondern ich verwende dafür Zutaten wie gemahlene Nüsse, Kichererbsen, Mandelmus und Ahornsirup. Aber ich finde ‹gesund› ein schwieriges Wort. Schlussendlich muss jeder Mensch selber herausfinden, was ihm guttut.
Wenn Sie ‹gesund› trotzdem definieren müssten …
… heisst das für mich frische Zutaten, keine Zusatzstoffe, keine Fertigprodukte und im Mass geniessen.
Schon mal versucht, total vegan zu leben?
Nein – aber vor fünf Jahren habe ich aufgehört Fleisch zu essen und seit zwei Jahren ernähre ich mich ausschliesslich vegan, aber ich sage lieber pflanzlich.
Warum?
Das Wort ‹vegan› hat für mich einen bitteren Beigeschmack.
Gibt es für Sie so etwas wie das perfekte Lebensmittel?
Ich esse jeden Tag einen Apfel. Am liebsten mag ich ihn knackig, saftig und kalt.
Wenn Sie zurückdenken: Was war der Geschmack Ihrer Kindheit?
Die Luft im Engadin ist unvergleichlich frisch. Aber auch der Geschmack von Bschütti löst bei mir Heimatgefühle aus.
Woher kommt Ihre Vorliebe für Jauche?
Ich liebe diesen Geruch, weil er mich an die Heimat meiner Mutter, den Kanton Appenzell Innerrhoden, erinnert. Wenn wir früher die Grosseltern besuchten, roch es oft nach Bschütti.
Was kochte Ihre Mutter unvergleichlich gut?
Das Spezialgericht von meiner Mami ist gefüllte Nudeln mit Peperoni-Sauce. Ihre Tomatensauce ist zudem die beste der Welt. Aber auch alles andere, was meine Mami kocht, ist wunderbar.
Wer hat Ihnen das Kochen beigebracht?
Mami und auch meine beiden Grossmütter haben viel aus der Hand gekocht. Es war eine grosse Inspiration für mich, dass alle drei Frauen nicht streng nach Rezept kochten. Vieles ist mir aber auch durch Imagination zugeflossen.
Wie bitte?
Ach, wie soll ich das erklären? Ich hatte immer schon eine sehr ausgeprägte bildliche Vorstellungskraft und lebe bis heute in einer eigenen Bilderwelt. Das Kochen ist mein Instrument, um meine Emotionen und Gefühle ausdrücken zu können.
Wirklich wahr, dass Sie bereits im Alter von zehn Jahren für die ganze Familie dreigängige Menüs gekocht haben?
So war es tatsächlich. Ich schloss mich jeweils in der Küche ein, danach durfte während drei, vier Stunden niemand von der Familie reinkommen. Ich habe immer ein Riesen-Geköch gemacht, die Küche sah danach entsprechend aus. Ich bin meinen Eltern unendlich dankbar, dass sie mich immer machen liessen.
Wie muss ich mir das vorstellen: Gingen Sie vor dem Kochen auch einkaufen oder kreierten Sie das Menü aus den vorhandenen Zutaten?
Ich hatte Glück: Unser Kühlschrank war immer voll und so fand ich meistens alle Zutaten, die ich benötigte. Ich hatte zudem einen Deal mit meiner Familie geschlossen: Ich kochte, Mami, Papi und meine Schwester räumten danach auf.
Ist Ihnen auch einmal ein Menü abverreckt?
Eher weniger. Meine Mami war vielmehr stolz darauf, dass sie nicht in der Küche hantieren musste, sich einfach nur hinsetzen und geniessen konnte – also zumindest bis zum Aufräumen nach dem Essen (lacht).
Was war damals Ihr Lieblingsrezept?
Ich koche nicht gern immer wieder das Gleiche. Das war schon früher so. Was ich als Teenager regelmässig gebacken habe, sind Lebkuchen, die ich Verwandten und Freund*innen verschenkte.
So grundsätzlich: Welche Bedeutung hat Essen für Sie?
Wie eingangs erwähnt: Ich bin der festen Überzeugung, dass Essen nicht nur auf unseren Körper Auswirkungen hat, sondern auch Geist und Seele guttut. Unsere Ernährung wirkt sich also auch auf unsere mentale Fitness aus. Gut essen fördert aber nicht nur die Gesundheit, es bringt die Menschen auch zusammen, fördert die Gemeinschaft.
Welche Bedeutung hat Trinken?
Bei uns daheim im Engadin gab es immer nur Wasser zu trinken. Wasser fliesst und ich bin deshalb überzeugt, viel trinken tut gut, hält einen im Fluss, sorgt dafür, dass wir lebendig bleiben.
Was ist mit Alkohol?
Gegen ein gutes Glas Wein gibt es nichts einzuwenden. Ich trinke Wein aber nur zum Essen.
Von der erfolgreichen Foodbloggerin zur bestverkaufenden Kochbuch-Autorin der Schweiz – was haben Sie auf diesem Weg gelernt?
Ich war erst 18, als alles anfing. Einen Plan hatte ich damals keinen, aber viel Leidenschaft. Die letzten sechs, sieben Jahren waren eine Mega-Lebensschule. Meine Eltern sagen immer, ich hätte in dieser Zeit viel mehr gelernt als während der meisten Ausbildungen.
Sind Sie auch einmal auf die Nase gefallen?
Ja natürlich. Nachdem 2015 mein erstes Kochbuch erschienen war, ging alles extrem schnell. Als mein Buch in der Bestsellerliste auf Platz eins stand, schwebte ich auf Wolke sieben und dachte, ich wäre etwas Besseres. Ich bin meiner Familie und meinen Freund*innen dankbar dafür, dass sie mich schnell wieder vom hohen Ross heruntergeholt haben.
Ihr neuestes Kochbuch ‹Eat better not less – Delicious & Healthy›, das vor wenigen Wochen erschienen ist, widmen Sie Ihren beiden Grossvätern Franz und Fernando.
Beide sind im Frühling 2020 innerhalb weniger Wochen gestorben, jedoch immer noch ganz nah bei mir.
Das tut mir leid. Wenn die beiden Männer noch leben täten, wie würden Sie ihnen erklären, was Sie beruflich machen?
Wenn mich jemand fragt, was ich mache, antworte ich jeweils: ‹Ich bin einfach die Nadia und lebe meine Kreativität aus. Es gibt keine Berufsbezeichnung für das, was ich tue, aber ich hoffe, dass ich den Menschen Freude machen kann damit.›
Wer ist schuld, dass Sie heute die berühmteste Kochbuch-Autorin der Schweiz sind?
Stimmt das wirklich mit der ‹berühmtesten Kochbuchautorin der Schweiz›?
Nun gut, mit Ihren ersten beiden Kochbüchern verdrängten Sie sogar den englischen Kochbuch-Gott Jamie Oliver in der Bestsellerliste von Platz eins.
Ich bin einfach dankbar, dass meine Kochbücher so gut ankommen und ich mit meinen Rezepten Menschen inspirieren kann. Ähnlich wie ‹gesund› finde ich aber auch ‹berühmt› ein eher schwieriges Wort. Es gehört nicht in meinen Wortschatz.
Wirklich wahr, dass Sie davon träumen mit Jamie Oliver ein Menü zu kreieren?
Wahr ist, dass ich das vor ein paar Jahren gesagt habe. Aber manche Dinge ändern sich im Laufe der Zeit. Ich würde nicht ‹Nein› sagen, wenn Jamie mich fragen täte, ob wir zusammen kochen sollen. Ich finde extrem cool, was er macht und spüre bei ihm nach wie vor viel Leidenschaft für das Kochen. Aber ehrlich gesagt, es gibt heute Sachen, von denen ich zurzeit mehr träume als von Jamie.
Zum Beispiel?
Ich möchte mich in naher Zukunft auf andere Leidenschaften als das Kochen fokussieren.
Geht es etwas konkreter bitte?
Ich erzähle, blöd gesagt, jetzt seit fünf Jahren immer dieselbe Geschichte. Irgendwie spüre ich nun, dass es Zeit für etwas Neues ist. Natürlich wird das Kochen wichtig bleiben in meinem Leben. Aber ich bin ja keine gelernte Köchin und mag es deshalb nicht, wenn mich die Medien in die Schublade ‹Kochen› stecken. Das ist auch nicht fair gegenüber jenen Köch*innen, die diesen Beruf erlernt haben.
Mehr wollen Sie noch nicht verraten?
Meine Mami hat mir auf den Weg gegeben: Erst über ein Thema konkret reden, wenn es wirklich spruchreif ist.
Träumen Sie vom Essen?
Das weiss ich gar nicht. Was ich weiss: Essen ist eine unendliche Angelegenheit. Es hört nie auf, man kann immer und immer wieder neue Dinge ausprobieren.
Was können Sie am Kochen absolut gar nicht leiden?
Ich mag nicht, wenn meine Gäste schon während des Kochens ihre Finger in die Töpfe stecken ohne zu fragen.
Wer kocht besser: Frauen oder Männer?
Diese Frage kann ich nicht beantworten.
Sie sind im Engadin aufgewachsen: Welches ist Ihr absolutes Lieblingsrestaurant dort oben?
Hotel Mama.
Ihr Lieblingsrestaurant in Zürich?
Ich mag die vietnamesische Küche, gehe gern ins Restaurant Chez Nhan essen. Und ich liebe die super dünnen Pizzen im Restaurant Azzuro. Aber noch lieber stehe ich daheim in der Küche und bekoche meine Freund*innen.
Ihr Lieblingsrestaurant in Bern?
Da muss ich passen. Ich bin in meinem bisherigen Leben nicht viel mehr als zweimal in Bern gewesen – und noch gar nie in einem Restaurant.
Auf welche Dinge achten Sie besonders, wenn Sie in ein Restaurant essen gehen?
Mir ist das Ambiente extrem wichtig, der Service natürlich auch und das Essen muss schön angerichtet serviert werden.
Kehren Sie auch nie in Restaurants ein, die leer sind?
Ich kehre dort ein, wo mein Gefühl sagt, dass es gut ist.
Wenn Sie erkannt werden, müssen Sie trotzdem selber bezahlen?
Es ist schon vorgekommen, dass ich eingeladen wurde, aber eigentlich mag ich das nicht.
Wenn Sie im Restaurant etwas Schlechtes serviert bekommen: Reklamieren Sie beim Service, oder essen Sie ein bisschen und behaupten am Ende: «Die Portion war zu gross»?
Bei mir können die Portionen nie gross genug sein (lacht). Ich bin zudem eine schlechte Lügnerin. Habe ich etwas bestellt und es kommt komplett anders, dann frage ich beim Service nach, ob es möglich ist, das Essen gemäss meinen Wünschen zu ändern – aber ich tue das immer auf respektvolle und freundliche Art.
Lieber Kochbuch-Autorin als Sterneköchin?
Kochbuch-Autorin, tausend Prozent.
Auf Instagram folgen Ihnen heute fast 150'000 Followerinnen und Follower. Wie haben Sie es geschafft, so viele Menschen für Ihre Rezepte zu begeistern?
Ich bin bei Instagram eingestiegen, als der Onlinedienst noch in den Kinderschuhen steckte.
Angefangen hat Ihr Erfolg 2013 mit einem geposteten Bild Ihres Frühstücks: Für Ihr Himbeer-Oatmeal bekamen Sie 35 Likes.
Ich ging damals noch ins Gymnasium und war total überrascht über die vielen Likes – viel mehr als sonst. Also habe ich weitergemacht. Ich war damals kontinuierlich online, postete jeden Tag ein Rezept und hatte so innert weniger Monate 30'000 Follower*innen. Heute bin ich auf Instagram nicht mehr ganz so aktiv. Im vergangenen Sommer habe ich mehrmals wochenlang keinen Post abgesetzt, zudem wurde vor einiger Zeit der Algorithmus geändert. Zwei Gründe, warum in den letzten zwei Jahren die Zahl meiner Follower*innen stagniert hat.
Gibt es noch andere Gründe für die Stagnation?
Immer mehr Menschen realisieren, dass sie in einem Überkonsum leben. Das ist gut so, denn wenn wir so weitermachen, zerstören wir die gegenwärtigen und künftigen Lebensbedingungen und auch den Planeten selbst. Mir ist es lieber, die Menschen, die mir folgen, interessieren sich wirklich für meine Arbeit. Zudem habe ich mich mit meinen Kochbüchern in den letzten Jahren immer mehr aus der Abhängigkeit von den sozialen Medien gelöst. Mir ist schon länger bewusst, dass dieser Erfolg nicht ewig andauern wird.
Ihr Instagram-Auftritt ist super perfekt und super clean aufgemacht. Warum?
Mein Instagram-Auftritt ist mein Portfolio. Ich möchte darauf eine gewisse Ästhetik präsentieren. Das kommt nicht überall gut an. Manche sagen, ich käme unnahbar rüber. Tatsache ist jedoch: Der Auftritt passt zu mir und nur das zählt am Ende. Und wer mehr über mich erfahren möchte, soll die Texte zu den Bildern lesen, da verrate ich regelmässig persönliche Dinge aus meinem Leben.
Konkret: Wann ist die beste Zeit, um einen Post auf Instagram abzusetzen?
Das kommt darauf an, wo sich die eigene Leserschaft befindet. Meine Follower*innen sind auf der ganzen Welt daheim, in der Schweiz genauso wie in den USA und Australien. Ich poste deshalb meistens am Abend.
Was würden Sie lieber tun; einen Sack Insekten essen oder einen ganzen Tag ohne Handy sein?
Einen Tag ohne Handy sein.
Ihre Lieblings-Influencer*innen?
Wissen Sie, ich bin selber gar nicht so oft auf Instagram. Aber natürlich gibt es Menschen, die ich inspirierend finde – zum Beispiel meine Freund*innen.
Als Sie begonnen haben, als Foodbloggerin zu arbeiten, wussten Sie nicht, wohin das führt. Wissen Sie es heute?
Nein, ich möchte es aber auch gar nicht wissen.
Ihre Rezepte sind oft von der Küche von fremden Regionen beeinflusst. Wegen der Corona-Pandemie ist das Reisen gerade ziemlich kompliziert geworden. Wie stark hat das Virus in den letzten Monaten Ihre Arbeit beeinflusst?
In den Monaten April bis Oktober 2020 hat das Virus mich respektive meine Arbeit nur marginal beeinflusst. Ausser, dass im Coop manchmal gewisse Produkte fehlten, die ich gebraucht hätte. Denn ich war während dieser Zeit fast täglich bis zu 16 Stunden in meinem Kochstudio und arbeitete an meinem neuen Kochbuch. Ich bin ein Mensch, der wenig in den Ausgang geht und auswärts essen tue ich höchstens einmal pro Woche. Deshalb hat sich mein Leben in den letzten Monaten gar nicht so stark verändert. Ich war schon früher viel in der Natur draussen und bin das heute nach wie vor.
Stimmt es, dass Sie fast täglich zwei Stunden joggen gehen?
Das stimmt. Ich schaue dabei aber nicht auf die Zeit oder renne irgendeinem Ziel hinterher. Hin und wieder mache ich auch eine Pause, setze mich auf einen Stein und schaue der Natur zu. Oder ich lege mich auf eine Wiese und meditiere. Das Joggen gibt mir fast mehr Energie, als es mir nimmt.
Es heisst: Liebe geht durch den Magen. Wahr oder nicht?
Wahr. Wichtig ist zudem, dass mit Liebe gekocht wird. Liebe macht das Essen feiner.
Gibt es jemanden, den Sie regelmässig bekochen?
Meinen Freundeskreis.
Gibt es jemanden, der Sie regelmässig bekocht?
Wenn ich mit jemandem esse, dann bin es zu 99 Prozent ich, die kocht ... nein, 99,9 Prozent (lacht).
Warum versalzen verliebte Köche das Essen?
Für mich ist das nur ein Spruch.
Sie waren demnach nicht verliebt, als Sie das letzte Mal das Essen versalzen haben?
Mein Credo beim Würzen ist: weniger ist mehr. Ich stelle lieber Salz und Pfeffer auf den Tisch, damit jeder Gast nach Gutdünken allenfalls nachwürzen kann.
Haben Sie eigentlich alles, was Sie heute haben, selber erschaffen?
Ja. Seit ich 19 bin, verdiene ich mein eigenes Geld.
Wie viel Mal im Leben waren Sie schon bei McDonald's Hamburger essen?
Als Kind war ich öfter dort. Und kürzlich, als ich am Abend aus dem Fitnesscenter kam, hatte ich plötzlich viel Lust auf Pommes frites. Ich bin dann noch schnell bei einem McDonald’s vorbeigefahren und habe eine kleine Portion gekauft.
Welches Lebensmittel haben Sie immer zu Hause im Kühlschrank?
Gemüse, Früchte, Kräuter, Mandel- und Hafermilch.
Gibt es Lebensmittel, die Sie nicht mögen, aber trotzdem essen, weil sie total gesund sind?
Nein. Finde ich ein Lebensmittel nicht fein, gibt es für mich keinen Grund es zu essen. Ich denke, es würde mir auch mental nicht guttun.
Schon einmal Insekten gegessen?
Nein. Insekten essen macht für mich keinen Sinn. Ich verstehe deshalb nicht, warum ich es tun sollte.
Was essen Sie, wenn Sie unglücklich sind?
Ich bin nie wirklich unglücklich.
Das glaube ich Ihnen nicht. Jeder Mensch steht ab und zu mit dem linken Bein auf.
Ich will mich nicht von negativen Gefühlen leiten lassen. Ich bin überzeugt, alles passiert aus einem Grund und hat eine Lern-Erfahrung dahinter, die mich weiterbringen kann. In solchen Momenten esse ich deshalb einfach das, worauf ich gerade Lust habe.
Schokolade zum Beispiel?
Ich liebe dunkle Schoggi mit karamellisierten Nüssen. Die esse ich jedoch auch, wenn ich gut gelaunt bin. Wenn ich müde bin oder mich energielos fühle, stehe ich oft in der Küche und kreiere ein Menü. Danach bin ich rasch wieder positiv gestimmt.
Ich nenne Ihnen drei Nadia-Damaso-Sätze aus den Medien und Sie sagen, was sie bedeuten: ‹Ich will immer alles sofort.›
Ich bin ein ungeduldiger Mensch. Bei mir muss alles schnell gehen, lieber heute als morgen. Ich kann nicht so gut unterscheiden zwischen der Realität, in der wir leben, und der Realität in meinem Kopf. Wenn ich etwas visioniere, ist es wie schon passiert.
‹Was ich mache, mache ich immer 150-prozentig.›
Diesen Satz habe ich jahrelang in Interviews gesagt, bis ich einmal ein längeres und gutes Gespräch mit meinem Vater hatte. Wir kamen zum Schluss, dass 100 Prozent auch reichen.
‹Und ein Restaurant in Zürich wär’ schön.›
Dieses Ziel hatte ich vor einigen Jahren, das stimmt. Mir schwebte jedoch kein normales Restaurant vor, sondern ich dachte an einen Erlebnisort, der alle Sinne ansprechen täte. Man könnte die Schuhe ausziehen und am Boden lägen Tannennadeln, im Raum würde Engadiner Bergluft zu riechen sein und es würden Gerichte serviert, die einem mit jedem Bissen auf eine Reise mitnähmen. Zurzeit ist das jedoch kein Thema, denn ich bin nicht gern abhängig von einem einzelnen Projekt. Ich bin ein Mensch, der Freiheit braucht. Und ich bin auch jemand, der manchmal Dinge, die er heute unbedingt will, in zwei Wochen absolut nicht mehr interessant findet.
Wann zum letzten Mal bei der Arbeit in den Finger geschnitten?
(Nadia Damaso schaut ihre Hände an) Ab und zu eine kleine Schnittwunde an den Händen gehört wohl einfach dazu, wenn man so oft wie ich in der Küche steht. Ich bin zudem jemand, der auch einmal mit den Händen ins kochende Wasser langt oder vergisst Handschuhe anzuziehen, wenn er das heisse Kuchenblech aus dem Ofen nehmen will.
Haben Sie sich je ernsthaft verletzt in der Küche?
Zum Glück nicht.
Waren Sie schon einmal privat eingeladen und das Essen war total ungeniessbar?
Nein. Aber es gab es schon, dass ich eine Beilage nicht mochte.
Was taten Sie?
Ich ass einfach von allem anderen mehr.
‹Perfektionismus› und ‹Zielstrebigkeit› sind zwei Charakterbeschreibungen, die in Porträts über Sie fast immer vorkommen. Wann machen Sie mal Pause und lassen sich einfach gehen?
Während ich im vergangenen Sommer mein neues Kochbuch produziert habe, stand ich, wie bereits erwähnt, fast täglich im Kochstudio, machte fast jeden Tag Sport und habe oft nur vier, fünf Stunden geschlafen. Viele Leute denken vielleicht jetzt: Das ist nicht gesund. Ich bin jedoch der Auffassung, mein Lebensstil muss für mich passen. Was andere ‹Perfektionismus› und ‹Zielstrebigkeit› nennen, bedeutet für mich Leben. Ich kann nur sagen, ich liebe, was ich mache und deshalb: Ich brauche keine Pause vom Leben. Wenn man getrieben ist von der Leidenschaft und für ein Herzens-Projekt arbeitet, gibt einem das ganz viel Energie.
Können Sie Fehler verzeihen?
Verletzte Menschen verletzen Menschen. Ich bin überzeugt davon, dass alles, was aus Hass oder Boshaftigkeit entsteht, seinen Grund hat. Menschen, die nicht aus Liebe handeln, sind genau jene, die am meisten Liebe nötig hätten. Denn grundsätzlich ist jeder Mensch als reines Geschöpf geboren worden, erst die Erziehung und das Leben macht uns zudem, was wir später werden.
Wann hatten Sie das letzte Mal Selbstzweifel?
Das gibt es immer wieder. Aber wie gesagt, ich bin ein Mensch, der einen negativen Gedanken möglichst rasch zu drehen versucht, damit er positiv wird.
Wo sehen Sie die grossen kulinarischen Trends der nächsten Jahre?
Einfacher, natürlich und saisonaler werden die grossen Themen bleiben.
Bibliografie: «Eat better not less – Delicious & Healthy», Nadia Damaso, AT Verlag, 328 Seiten, Fr. 36.90
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