Antisemitismus-Vorfall erfunden? Gil Ofarim wegen Verleumdung angeklagt

dpa

1.4.2022 - 10:42

Die Antisemitismus-Vorwürfe des Musikers Gil Ofarim gegen ein Hotel schlugen hohe Wellen. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen abgeschlossen. Demnach war es anders, als der Musiker behauptet.

Ein halbes Jahr nach den Antisemitismus-Vorwürfen des Musikers Gil Ofarim hat die Staatsanwaltschaft Leipzig Anklage erhoben – gegen den Künstler selbst.

Nach umfangreichen Ermittlungen wirft sie Ofarim falsche Verdächtigung und Verleumdung vor, wie sie am Donnerstag mitteilte. Der Vorfall letzten Herbst im Leipziger Hotel «The Westin», wie es von Ofarim in seinem Insta- Video geschildert worden war, habe sich «tatsächlich so nicht ereignet», teilte die Staatsanwaltschaft mit. Das Ermittlungsverfahren gegen einen Hotelmitarbeiter wurde eingestellt.

Ofarim und Management schweigen

Auf die Anklage gab es mehrere Reaktionen: Ofarims Management teilte auf Anfrage mit, dass derzeit keine Auskünfte gegeben werden könnten und bat dafür um Verständnis. Die Betreiber des Hotels reagierten erleichtert auf das Ergebnis der Ermittlungen. Der Zentralrat der Juden warnte vor einer Vorverurteilung. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hält eine Entschuldigung für angebracht.

Der Musiker hatte das Video am Abend des 4. Oktober 2021 vor dem Hotel aufgenommen und darin gesagt, dass ihn ein Mitarbeiter des Hotels aufgefordert habe, seine Kette mit Davidstern abzunehmen. Am nächsten Morgen veröffentlichte er es auf Instagram. Das Video ging viral und löste zahlreiche Solidaritätsbekundungen aus. Ofarim erstattete später Anzeige, aber auch der betroffene Hotelmitarbeiter wehrte sich und zeigte seinerseits den Musiker wegen Verleumdung an. Ofarims Instagram-Account war am Donnerstag nicht mehr zu finden.

Die Hotelcrew litt unter dem Vorfall

Die Staatsanwaltschaft hat in den vergangenen Monaten einen grossen Aufwand betrieben, um aufzuklären, was in der Hotellobby vorgefallen war. Es wurden zahlreiche Zeugen befragt, ein Digitalforensiker wertete Aufnahmen von Überwachungskameras aus dem Hotelbereich aus. «Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hat sich in der Gesamtschau der hieraus gewonnenen Erkenntnisse das Geschehen, wie es von Gil Ofarim in seinem veröffentlichten Video geschildert worden ist, tatsächlich so nicht ereignet», teilte die Anklagebehörde mit.

Stattdessen gebe es einen hinreichenden Tatverdacht dafür, dass Ofarim das Video «mit dem Wissen um die Unwahrheit seiner Aussagen» aufgenommen und gepostet habe. «Dies begründet den Tatvorwurf der Verleumdung und der falschen Verdächtigung», so die Ermittlungsbehörde. Später habe er seine Behauptungen bei der Polizei wiederholt. 

Nach Angaben des Hotels «The Westin» wurde der in dem Video beschuldigte Mitarbeiter persönlich und in den sozialen Medien massiv bedroht. Das gesamte Hotel-Team sei nun «nach langen Wochen und Monaten über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft äusserst erleichtert». 

dpa