Michael Jordan ist in praktisch jeder Rangliste der beste Basketballspieler der Geschichte. In Wahrheit gebührt diese Ehre aber LeBron James.
Es grenzt an Ketzerei, am Status des grossen Michael Jordan zu kratzen. Der Superstar unter den Superstars klebte selbst bei Roger Federer als Poster an der Wand des Kinderzimmers. Die Zahlen sind auch eindrücklich: 6 NBA-Meistertitel, 6 Mal bester Spieler (MVP) der Finalserie, 10 Mal im Allstar-Team. Der heute 55-jährige Modellathlet aus dem New Yorker Stadtteil Brooklyn ist seit den 1980er-Jahren eines der grössten Idole der Sportwelt.
Wie Jordan wurde auch LeBron James bereits in der High School, wo er auch als Wide Receiver auf dem Football-Feld herausragte, eine grosse Karriere prophezeit. Und auch James wurde sämtlichen Vorschusslorbeeren gerecht. Im ersten Jahr war der 2,03-m-Koloss und Nummer-1-Draft 2003 bester Neuling der NBA. Seither reiht auch James Auszeichnungen aneinander, zum Teil knapp hinter, zum Teil aber auch bereits vor Jordan. Mit 33 Jahren ist seine Karriere noch nicht zu Ende, gut möglich, dass er dereinst den Grossteil von Jordans Rekorden bricht.
Eigentlich ist LeBron James aber bereits jetzt der beste Spieler der Geschichte. Das zeigt sich dann, wenn er nicht da ist. Er startete seine NBA-Karriere als 18-Jähriger in seinem Heimatstaat Ohio. Im dritten Jahr erreichte er mit den Cleveland Cavaliers die Playoff-Viertelfinals, ein Jahr später den (verlorenen) Final. Davor hatte Cleveland in zwölf Saisons keine Playoff-Runde gewonnen und nur viermal überhaupt die Qualifikation überstanden. Den begehrten Titel holte James nicht in die notorisch erfolglose Stadt.
Mit Verliererteam zum Titel
Als er 2010 ein neues Team suchte, gab es eine Live-Sendung «The Decision» (Der Entscheid) auf ESPN, in der er seinen Wechsel zu den Miami Heat bekannt gab. Der Aufschrei – nicht nur in Cleveland – war gross. Dort läutete er mit Chris Bosh und Dwyane Wade eine neue Ära mit zwei Titeln und zwei Finals ein. Dennoch war die Kritik gross. Er solle doch selber ein Team zu Siegerehren führen, lautete der Tenor. Die Bilanz der Cleveland Cavaliers ohne James: ein 15., zwei 13. und ein 10. Platz im Osten, keine Playoff-Qualifikation.
LeBron James war in der Zeit bei Miami das Feindbild vieler Sportfans. Es gab nur einen Weg, das zu ändern. 2014 kehrte er unter grossem Jubel zu Cleveland zurück. Die Bilanz in den kommenden vier Jahren: Final, Titel (der erste für ein Team in den grossen Ligen aus Cleveland nach 52 Jahren), Final, Final. Während Jordan alle sechs Titel mit den Chicago Bulls und sehr guten Mitspielern gewann, führte James ein schwaches Team aus dem Nichts an die Spitze.
Diesen Sommer zog er zu den Los Angeles Lakers weiter, um ein weiteres Verliererteam der letzten Jahre aus dem Sumpf zu ziehen (und natürlich viel Geld zu verdienen und den Glamour-Lebensstil von Hollywood zu geniessen). Die Cavaliers, die im Frühling erst im NBA-Final gegen die Golden State Warriors verloren hatten, gaben ausser LeBron James keinen wichtigen Spieler ab. Dennoch gewannen sie in dieser Saison nur 5 von 24 Spielen. Der Wert von LeBron James zeigt sich am stärksten, wenn er nicht (mehr) da ist. Deshalb müsste er eigentlich nicht «King James» heissen, sondern eher Kaiser James, der Beste der Geschichte.
SDA