Am Freitag steigt in der Serie A das Spitzenspiel zwischen Tabellenführer Napoli und Juventus Turin. Es ist auch das Duell der beiden Trainer, die ihre eigenen Spielideen mitbringen.
Napoli führt die Meisterschaft mit 44 Punkten an, sieben Zähler dahinter ist Juventus – punktgleich mit Milan – erster Verfolger. Der ehemalige Juve- und Napoli-Spieler Ciro Ferrara analysiert die Ausgangslage des Krachers.
«Juventus muss mehr gewinnen. Es ist ihre letzte Chance, Napoli einzuholen. Juve hat acht Spiele in Folge gewonnen, aber nur drei Punkte auf Napoli aufgeholt», hält der frühere Internationale fest und resümiert: «Es scheint, dass Spalletti und Napoli auch abseits des Platzes gute Arbeit geleistet haben.»
In der Tat hat der 63-Jährige den Azzurri seit seiner Übernahme Ende Mai 2021 neues Leben eingehaucht. In der ersten Saison unter ihm wurde man hinter den beiden Mailänder Klubs Dritter. Doch die Sorgenfalten bei den Fans waren diesen Sommer trotzdem gross. Mit Kalidou Koulibaly, Fabian Ruiz, Dries Mertens oder Lorenzo Insigne verliessen langjährige Leistungsträger den Klub.
«Den besten Fussball in Europa»
Doch die Vereinsleitung um Präsident Aurelio De Laurentiis machte aus der Not eine Tugend: Kim Min-jae verstärkte sofort die Abwehr, Giacomo Raspadori und Giovanni Simeone gaben der Offensive mehr Feuerkraft, zudem holte Napoli sich mit Khvicha Kvaratskhelia einen Mann an Bord, der für Überraschungsmomente im Spiel sorgen kann. Dazu zog man noch bei Mittelfeld-Motor Frank Anguissa die Kauf-Option.
In der Summe ergab das ein Team, welches mit seinem angriffigen Fussball das ganze Land begeisterte. Auch europäisch zeigte sich die Truppe von seiner besten Seite. In der Champions-League-Gruppe liess man etwa Liverpool hinter sich. Deren Coach Jürgen Klopp schwärmte im Herbst gar: «Napoli spielt einen sehr schönen Fussball – den besten in Europa.»
Spalletti erläutert vor dem Duell gegen Juve seinen Stil: «Bei Napoli geht es um Herz und Seele. Da war Maradona, sie haben Maradona spielen sehen, und als Maradona gewann, zeigte er auch, wie viel Schönheit im Fussball steckt. Und wir können nicht anders, als etwas von dieser Schönheit mitzunehmen und uns an diesen Fussball zu erinnern, in der Hoffnung, ihn reproduzieren zu können.»
Allegri nur auf Siege aus
Eine solche romantische Ansichtsweise seines Berufes hat sein Kontrahent Massimiliano Allegri sicher nicht. Der 55-Jährige gilt bei Fans und Experten als klassischer «Resultat-Coach». Spalletti schlägt in die gleiche Kerbe: «Hier treffen zwei unterschiedliche Fussballphilosophien aufeinander. Allegri verkörpert perfekt das Motto von Juventus: ‹Gewinnen ist nicht wichtig, sondern das Einzige, was zählt›.»
Allegri selbst schiebt die Favoritenrolle dem Gegner zu: «Ich würde sagen, dass das morgige Spiel nicht entscheidend für das Titelrennen sein wird, aber es ist ein sehr wichtiges Spiel, besonders für sie.»
Er zählt sich auch zu den Bewunderern des aktuellen Leaders sowie seinem Inspirator: «Napoli ist technisch stark und sehr gut eingestellt – ich denke, Luciano ist der Beste, wenn es um Training und Lehre geht. Das zeigt er gerade in Napoli, und das hat er auch schon in Rom und Mailand gezeigt.» Er hält fest: «Ich habe grossen Respekt vor Luciano, er ist so witzig, dass wir manchmal aneinander geraten, wie es letztes Jahr am Ende des Spiels passiert ist.
Der Trainer-Zoff beim letzten Duell
Die Lobeshymnen auf seinen erfahrenen Kontrahenten – Spalletti stand bei über 500-Serie-A-Partien an der Seitenlinie – sind in der Tat umso erstaunlicher, wenn man sich ihr letztes Duell im September 2021 in Erinnerung ruft.
Beim Showdown zwischen Süd gegen Nord im Stadio Diego Armando Maradona triumphierte Napoli. Allegri beklagte sich im Nachgang darüber, wie Spalletti versucht habe, die Schiedsrichter zu beeinflussen. Seine Replik: «Ich habe gegen Allegri immer verloren. Da gewinne ich einmal und er spielt den Moralapostel.»
Spalletti schiebt an der Pressekonferenz vor dem Spiel am Freitagabend (um 20:45 live auf blue Sport zu sehen) den Druck zu siegen, Allegri zurück. «Ich verstehe, dass es für Allegri bequem ist, sich als Aussenseiter zu tarnen, aber für ein Juventus, das immer mit Champions gespickt ist, ist es unmöglich, sich vor der Favoritenrolle zu verstecken.»
Sein Fazit: «Ihre grossen Investitionen zahlen sich nur aus, wenn sie um den Scudetto und den Gewinn der Champions League spielen. Es sei sinnlos, eine Maskerade zu spielen, hält Spalletti fest und betont: «Es gibt keinen vierten Platz, der Juventus zufriedenstellt.»