Gleich mehrere renommierte Klubs in den Top-Ligen schwächeln oder stecken gerade tief in der Krise. Der Absturz hat mannigfaltige Gründe, die Ausreden der Trainer gleichen sich aber.
PSG
Beim französischen Meister Paris Saint-Germain herrscht Alarmstimmung. «Von Champagner zu Sekt. Grössere Zweifel», schrieb die Sportzeitung «L'Équipe» nach dem ernüchternden Auftritt des Starensembles beim 1:1 gegen Stade Reims am Sonntagabend.
Den Ausgleichstreffer musste PSG tief in der Nachspielzeit hinnehmen. Nach einem unnötigen Ballverlust in der neutralen Zone schlossen die Gäste in der 96. Minute einen Konter erfolgreich ab. Das Remis war unter dem Strich nicht unverdient: Im ersten Durchgang gab PSG nur einen Schuss ab – so schlecht in eine Partie startete der Nobelklub letztes Mal vor fast fünf Jahren.
Das Heimteam musste zu allem Übel mehr als eine halbe Stunde in Unterzahl agieren – der zur zweiten Halbzeit eingewechselte Marco Verratti flog nach 13 Minuten und 15 Sekunden nach einer VAR-Intervention in der 59. Minute mit einer Roten Karte vom Platz.
Mit 48 Punkten liegt PSG in der Tabelle nur drei Punkte vor RC Lens, gegen den es zum Jahresauftakt eine Niederlage gab. «Das ist unzureichend, wenn man PSG ist», sagte Trainer Christophe Galtier mit Blick auf die Ausbeute in den letzten Spielen.
«Als Trainer kann man mit dem, was passiert, nicht zufrieden sein. Es werden Entscheidungen zu treffen sein», ergänzte Galtier und will seine Stars aus der «Komfortzone» rausholen. «Ich habe hochkarätige Spieler, die dieses Niveau seit Anfang des Jahres nicht akzeptieren können.» Gegen Reims standen mit Lionel Messi, Kylian Mbappé und Neymar alle drei grossen Stars in der Startelf – ohne Erfolg. Lediglich der Brasilianer traf zur zwischenzeitlichen Führung.
In zwei Wochen kommt es zum Champions-League-Kracher gegen den FC Bayern. Vier Spiele hat PSG bis zu dem mit Spannung erwarteten Duell (alle Champions-League-Partien gibt's live bei blue TV) noch, darunter knifflige Auswärtsspiele bei Olympique Marseille und der AS Monaco.
Bayern
Dreimal 1:1 ist gar nicht Bayern-like. «Wir sind alles andere als gut in die zweite Saisonhälfte gestartet», meinte Bayerns Vorstandsboss Oliver Kahn. 8 von 18 Saisonspielen hat der Abo-Meister nicht gewonnen.
Die Resultate erinnern verdächtig an den vergangenen Herbst, als die Bayern sogar viermal am Stück sieglos blieben. Doch genau da erhob Kahn Einspruch. Ihm gefällt das Bayern-Team 2023 nicht. «Objektiv fällt auf, dass das zwei Mannschaften sind. Das war die Mannschaft vor der Weltmeisterschaft. Und das ist jetzt die Mannschaft nach der Weltmeisterschaft. Der Unterschied zum Herbst ist ersichtlich, da hatten wir unglaublich viele Torchancen und haben einfach die Tore nicht gemacht. Jetzt ist das nicht der Fall.» Die Leichtigkeit ist futsch, vor der WM reihte sich Sieg an Sieg.
«Es geht jetzt auch schon um sehr viel.»
Bayern-Boss
Jetzt ist wieder häufig vom FC Hollywood die Rede. Denn nicht nur auf dem Rasen sorgt der Klub für Schlagzeilen. Nach dem WM-Frust suchte Goalie Manuel Neuer Ablenkung auf einer Ski-Tour – längere Zwangspause mit Unterschenkelbruch. Nun droht dem 36-Jährigen gar eine Gehaltseinbusse, weil man aufgrund der Not-Verpflichtung von Yann Sommer nun im Sommer weniger Geld für Transfers zur Verfügung hat. Obendrein wurde mit Toni Tapalovic sein langjähriger Torwarttrainer und Freund gefeuert. Wenig Freude hatte die Bayern-Führungsriege auch am Mode-Trip von Serge ‹Gucci› Gnabry, der an seinem freien Tag nach Paris abdüste.
Während Trainer Julian Nagelsmann den Ist-Zustand zur «Ergebniskrise» verniedlichte und den Eindruck erweckte, mit einigen Korrekturen wie mehr «Spielbeschleunigung» und mehr Fokus beim Angreifen und Verteidigen die Drucksituation bewältigen zu können, hielt sein Schützling Thomas Müller klar fest: «Wir müssen jetzt unseren Wut-Motor anwerfen.»
Liverpool
Der FC Liverpool hat sich vorzeitig aus dem englischen FA Cup verabschiedet. Der Titelverteidiger gab bei Brighton & Hove Albion am Sonntag eine Führung aus der Hand und verlor durch einen Gegentreffer in der Nachspielzeit mit 1:2. Der Japaner Kaoru Mitoma erzielte mit einem Geniestreich das Siegtor für die Gastgeber.
«Das fühlt sich nicht gut an», klagte Jürgen Klopp im Sender BBC Radio 5 Live. «Mit der Zeit können wir vielleicht etwas Positives darin sehen, aber wir wollten in die nächste Runde kommen.»
Brighton ist in dieser Saison sowas wie der Angstgegner für Liverpool. Zwei Wochen zuvor hatten die Reds dort im Liga-Spiel eine bittere 0:3-Pleite kassiert. «Heute haben wir ein besseres Spiel gemacht, aber wir haben zwei Gegentore nach Standardsituationen bekommen – das geht überhaupt nicht», ärgerte sich Klopp.
Liverpool hat in dieser Saison wettbewerbsübergreifend in 31 Partien 9 Spiele verloren. Das sind mehr als doppelt so viele Niederlagen wie in der gesamten Vorsaison (4 Pleiten in 63 Spielen).
In der Meisterschaft liegt man im Gegensatz zu PSG und Bayern nicht an der Tabellenspitze, sondern ist mit 29 Punkten nach 19 Spielen nur auf Rang 9 – für die in den letzten Jahren so erfolgreichen Stars um Mo Salah eine traurige Bilanz.
Juventus
Italiens früherer Ministerpräsident Silvio Berlusconi sorgte mit einem Kommentar bei der Weihnachtsfeier seines Fussballclubs AC Monza für Aufsehen.
Der 86-Jährige hielt eine spezielle Motivationsrede: «Ich habe den Jungs gesagt, jetzt spielt ihr gegen Milan, gegen Juve und so weiter. Wenn ihr es schafft, gegen eine dieser grossen Mannschaften zu gewinnen, schicke ich euch in die Kabine einen Kleinbus mit Prostituierten.»
Für die Aussage musste Berlusconi viel Kritik einstecken. Fehlende Motivation war beim Aufsteiger am Sonntag im Duell gegen Juve offensichtlich kein Problem. Dank zwei Toren vor der Pause gewann Monza mit 2:0. Während Berlusconi danach feixte, er habe schon 100 Telefonate gekriegt, ob er nun sein Wort halte, postete das Social-Team von Monza nach dem Coup vieldeutig einen Car.
Bei der Alten Dame gibt es dagegen heuer nicht viel zu lachen. Vom Berufungsgericht des nationalen Fussballverbandes FIGC gab es einen 15-Punkte-Abzug aufgrund gefälschter Finanzberichte. Nach dem Urteil meinte Coach Massimiliano Allegri noch trotzig, die Champions League sei noch möglich: «Wir brauchen einen aussergewöhnlichen Lauf, aber ich habe die Rechnung schon gemacht.»
Nach der Monza-Pleite schlug der Toskaner aber bescheidene Töne an: «Wir müssen Punkte holen, um die Serie A zu sichern. Die Situation wurde auf den Kopf gestellt, aber das ist die Realität in diesem Moment und wir müssen das anerkennen, sonst wird es schlecht für uns enden», so der 55-Jährige.
In der Liga findet sich der Rekordmeister neu mit 23 (statt 38) Zählern auf Rang 13 wieder. Vereinslegende Alessandro del Piero schlägt bei «Tuttosport» ebenfalls Alarm: «Es ist ein sehr schwieriger Moment. In Monza haben wir Fehler gesehen, die der Qualität der Spieler auf dem Platz wirklich nicht angemessen waren, vor allem auf psychologischer Ebene. Ich glaube, dass das, was auf Unternehmensebene geschieht, den Spielern auf dem Platz schadet.» Das Fazit des 48-Jährigen: «Der psychologische Zustand der Mannschaft ist offensichtlich fragil und alles, was gesagt wird, wirkt sich darauf aus.»
Auch Allegri bekommt vom ehemaligen Weltklasse-Stürmer sein Fett ab: «Der katastrophale Start in die Saison liegt auch in seiner Verantwortung, ich denke da an die Niederlagen in der Champions League. Die Solidität der letzten Jahre ist in dieser Saison nicht mehr gegeben», hält der Weltmeister von 2006 fest.
Milan
Am Dienstag gab es bei Lazio eine 0:4-Packung. Am Sonntag verschlimmerte sich das Elend der Rossoneri noch. Das «2:5-»Debakel gegen Abstiegskandidat Sassuolo – der letzte Auswärtserfolg gelang den Gästen zuvor im September – hat gleich mehrere Negativrekorde zur Folge:
– Noch nie verloren die Rossoneri in der Serie A zweimal hintereinander mit mehr als vier Gegentreffer.
– Im San Siro hat Milan seit 1997 nicht mehr fünf oder mehr Gegentore eingeschenkt bekommen.
– Wettbewerbsübergreifend drei Pleiten in Serie – vor Lazio und Sassuolo verlor der amtierende Meister im Supercup mit 0:3 gegen Inter – setzte es zuletzt 2019 ab.
– Noch nie in der Geschichte kassierte der ruhmreiche Klub aus der Lombardei so viele Gegentore in einem Monat. Gleich 18 Mal im Januar musste der nominelle Ersatzgoalie Ciprian Tatarusanu, der die etatmässige Nummer 1 Mike Maignan vertritt, den Ball aus dem Netz fischen.
Damit belegt Milan in den europäischen Top-Ligen unangefochten den ersten Platz (das zweitplatzierte Cagliari hat diesen Monat «nur» 15 Gegentore erhalten).
Coach Stefano Pioli will die Schuld aber nicht beim 36-jährigen Rumänen – der gegen Sassuolo von sieben Schüssen fünf durchliess – suchen. «Wenn eine Mannschaft so sehr leidet, dass sogar der Goalie in Schwierigkeiten gerät, darf ich mich nicht mit einem Einzelnen beschäftigen», betonte der 57-Jährige. Stattdessen müssen die Spieler mehr Geschlossenheit zeigen und die Abstände zwischen ihnen verringern, mahnte er.
«Am Sonntag wird ein wichtiges Spiel sein», resümierte Pioli, der mit Milan auf Rang 5 abgestürzt ist. Gegner ist ausgerechnet Stadtrivale Inter. «Das Derby wird ein Wendepunkt in unserer Saison werden, denn wir müssen das Niveau steigern und wieder gewinnen», hält auch Stürmer Olivier Giroud fest.